Ursula Heinen-Esser im Interview

Wie weiter, Frau Ministerin?

Es brennt an allen Ecken: Tönnies-Schlachthof geschlossen, Schweinepreis abgestürtzt, Kastenstand-Ausstieg beschlossen. NRW-Landwirtschaftsministerin Ursula Heinen-Esser im Wochenblatt-Interview.

Frau Heinen-Esser, Deutschland größter Schlachthof, Tönnies in Rheda, bleibt dicht. In den Ställen stauen sich die schlachtreifen Schweine. Wie schätzen Sie die Lage ein?

Dass der Ausfall eines Schlachtbetriebes die Kette ins Stocken bringen kann, zeigt leider sehr deutlich die Krisenanfälligkeit des Systems und auch Fehlentwicklungen der vergangenen Jahrzehnte. Deshalb benötigen wir perspektivisch eine Neujustierung. Aktuell ist jedoch wichtig, dass der Schlachtbetrieb schnellstmöglich wieder Corona-gerecht anläuft. Wie dies aussehen kann, legen die Gesundheitsämter vor Ort fest. Im Vordergrund steht weiter die Gesundheit der Mitarbeiter, aber selbstverständlich auch der Tierschutz.

Sie überlegen offenbar, zusätzliche Auffangkapazitäten zu schaffen, um Schlachtschweine übergangsweise unterzubringen. Wie sollen diese aussehen?

Schon bei den ersten Corona-Ausbrüchen in Schlachtbetrieben vor einigen Wochen haben wir die Branche gebeten, flexibel zu sein und Alternativen zu prüfen, um Engpässe abzufedern. Die landwirtschaftlichen Verbände sagen uns, dass die aktuelle Lage bislang gerade noch beherrschbar sei. Aber der Druck nimmt jeden Tag zu. Die aktuelle Situation zeigt: Das System ist auf Kante genäht, erforderlich ist mehr Puffer. Dies betrifft Schlachtkapazitäten ebenso wie die Schaffung freier Stallkapazitäten. In der aktuellen Lage geht es darum, Tierschutzprobleme zu verhindern. Denkbar ist, Ställe zu nutzen, die nicht mehr belegt sind oder eine Maschinenhalle für die Haltung von Schweinen einzurichten. Wir müssen davon ausgehen, dass die Corona-Pandemie noch länger Auswirkungen zeigt.

"Die Preise sind volatil und liegen aktuell noch in der üblichen Schwankungsbreite."

Die Kosten für Futter und Übergewichtsabzüge bleiben bei den Landwirten hängen. Bei der Europäischen Schweinepest hat das Land Betriebe unterstützt, die von Sperrungen betroffen waren. Planen Sie etwas ähnliches?

Nein. Die Preise sind volatil und liegen aktuell noch in der üblichen Schwankungsbreite. Wie erwähnt ist jetzt wichtig, dass der Schlachtbetrieb wieder – schrittweise und Corona-gerecht – anläuft. Dann wird sich die Lage hoffentlich entspannen. Tritt dies aber nicht ein, müssen wir über Alternativen, eventuell auch zur Unterstützung der Landwirte nachdenken. Dazu ist es aber noch zu früh. Klar ist, dass wir die Landwirte in dieser schwierigen Situation nicht alleine lassen. Davon unbenommen ist, dass wir künftig einen richtigen Mix finden müssen aus unternehmerischer Eigenverantwortung, staatlicher Unterstützung und fairen Preisen am Markt, die sicherstellen, dass die Wertschätzung auch bei den Landwirten ankommt.

Der Schweinepreis steht deutlich unter Druck. Was muss passieren?

Das Land kann die Preise nicht bestimmen. Das Wichtigste ist, dass es wieder ausreichend Schlachtkapazitäten gibt und die Tiervermarktung läuft. Entscheidend ist aber auch, dass es keinen weiteren Imageschaden für das Fleisch gibt und die Verbraucher wieder Vertrauen gewinnen. Die Branche sollte ihre Notfallpläne in der aktuellen Situation öffentlich machen. Das...