Langsam kehrt das „normale Leben“ zurück. Gleichzeitig rückt der enorme wirtschaftliche und finanzielle Schaden in das Bewusstsein der Bürger, den das Herunterfahren der Wirtschaft in der Corona-Krise angerichtet hat. Kein Wunder, wenn viele Landwirte sich ernsthafte Gedanken über die wirtschaftlichen Folgen von Corona machen. Und ihre Sorge vor einem Finanzcrash ist berechtigt. Finanzexperte Hartmut Walz, Ludwigshafener Ökonomie-Professor, Finanzblogger und Autor, analysiert wirtschaftlichen Folgen und erklärt, warum Landwirte gut beraten sind, sich konstruktive Crashgedanken zu machen.
Situationsanalyse 2020
Das Corona-Virus traf auf ein globales Wirtschafts- und Finanzsystem, welches durch eine heikle Kombination von Wachstumsschwäche, Überschuldung, Handelskriegen und Null- bis Negativzinsen bereits erheblich vorgeschädigt war. Nun kommen Steuerausfälle, Mindereinnahmen von Sozialversicherungen und zusätzliche Staatsschulden in Höhe mehrerer Billionen Euro hinzu.
Zweifellos wird es in der Eurozone noch kräftiger knirschen. Die zahlreichen Nebenwirkungen von Niedrig-, Null- bzw. Negativzinsen sowie Finanzspritzen der Europäischen Zentralbank (EZB) in nie gekannter Höhe treffen die Bürger gleich in zweifacher Hinsicht.
Erstens sinkt die Vorteilhaftigkeit von Sparen und Vorsorgen und gefährdet die Alterssicherungen.
Zweitens geraten auch Banken, Versicherer, Rentenkassen und Bausparkassen immer stärker unter Druck. Es ist nicht auszuschließen, dass der eine oder andere Finanzdienstleister seine vertraglichen Versprechungen nicht voll einhalten kann. Das bewirkt zusätzliche Risiken für die betroffenen Kunden. Also ist grundsätzliche Vorsicht geboten, jedoch ohne Panik. Bei einer Krise kann alles passieren – auch das Gegenteil.
Folgen des Corona-Virus
Als Folge von Corona können zwei völlig unterschiedliche Entwicklungen auftreten: Deflation oder Hyperinflation.
Deflation: Das Corona-Virus traf die Wirtschaft von zwei Seiten. Erstens von der Angebotsseite: Durch Unterbrechung der Lieferketten und Produktionsstillstände kam es zu Ausfällen im Angebot von Waren und Dienstleistungen. Zweitens von der Nachfrageseite: Nicht nur die Ausgangsbeschränkungen, sondern vor allem die Zukunftsangst führt bei vielen Menschen zum Angstsparen und damit sinkender Nachfrage nach Konsumgütern.
Ohne staatliche Maßnahmen muss eine solche zweifache Bedrohung zwangsläufig zu einer Deflation führen, also einer Situation, in der die Preise sinken und damit alle Güter an Wert verlieren. Und wenn viele Bürger erst mal Deflation erwarten, dann halten sie sich in der Hoffnung auf noch stärkere Preissenkungen mit Käufen zurück. Dies kann zu einer Deflationsspirale führen. Keine schöne Aussicht!
Jedoch wäre die Landwirtschaft selbst von einer solchen Deflationsspirale kaum betroffen. Auch wenn es platt klingen mag: Gegessen und getrunken wird immer! Kleider und auch Autos kann man später noch kaufen.
Hyperinflation: Jedoch steuern Regierungen und Zentralbanken einer Deflation entgegen und haben die Volkswirtschaften mit Liquidität in unvorstellbarer Höhe versorgt. Allein in der BRD summieren sich die bisher beschlossenen Maßnahmen auf weit mehr als 1 Billionen € und in der Eurozone auf mehr als 4 Billionen €. Durch diese Liquiditätsflut kann die Gefahr einer Deflation wahrscheinlich abgewendet werden. Ist die Liquiditätsgabe jedoch zu hoch, droht das exakte Gegenteil einer Deflation, nämlich starke Inflation auch Hyperinflation genannt.
Um die aktuelle Lage der Wirtschaft ist es bestellt wie bei diesem Bild eines Radfahrers: Ein Radfahrer fährt auf einem alten klapprigen Fahrrad ohne Gangschaltung langsam einen Hügel hinauf. Er wird immer noch langsamer und muss daher immer stärker lenken, um die Balance zu halten. Mal lenkt er stark nach rechts (Inflation), dann wieder stark nach links (Deflation), um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Wir können nicht vorhersagen, ob er letztendlich nach rechts oder nach links kippen bzw. absteigen wird. Wahrscheinlich weiß er es selbst auch nicht. Genau so ist die aktuelle Lage der Wirtschaft.
Prognosen sind unmöglich
Was passiert jetzt? Gerade in den vergangenen Monaten tauchen immer mehr selbst ernannte Experten in Talkshows, im Radio oder in sozialen Netzwerken auf, die einen schnellen Zusammenbruch der Eurozone oder sogar einen Weltsystemcrash prognostizieren. Von diesen sogenannten Crashpropheten sollten sich Landwirte nicht verunsichern lassen.
Erstens sind Prognosen völlig unmöglich. Bei einer Krise kann alles passieren – auch das Gegenteil!
Zweitens haben Crashpropheten ein enormes Eigeninteresse daran, die Bürger zunächst stark zu verängstigen, um ihnen dann angeblich crashsichere Anlageprodukte anzubieten. Jedoch ist die Wirksamkeit (Rendite) ihrer „Medizin“ höchst fraglich, während die Nebenwirkungen in Form hoher Kosten durch Gebühren und Provisionen offensichtlich sind. Daher die Empfehlung, den Crashpropheten keine Aufmerksamkeit zu schenken und ihre teuren Produkte nicht zu erwerben.
Hier finden Sie Analysen, Einschätzungen und Tipps wie Sie Ihre Finanzen auch in Zeiten von Null- und Negativzinsen fest im Griff behalten.
Das Konzept der Robustheit
Vielleicht fragen Sie sich jetzt: Kann ich mich auf eine Krise vorbereiten, wenn ich nicht weiß, wie diese ablaufen wird? Die Antwort ist ein klares „Ja“. Mit dem Konzept der Robustheit können sich Landwirte vor den Folgen von Risiken schützen, selbst wenn sie diese Risiken nicht kennen. Die gute Nachricht: Landwirtschaft ist eine robuste Branche. Die Gesellschaft schätzt eigentlich den hohen Versorgungsgrad durch die heimische Landwirtschaft – auch wenn sich die Landwirte manchmal mehr Solidarität und Verständnis wünschen. Als Branche ist die Landwirtschaft robuster als die Autoindustrie, die Modebranche oder die Hersteller von Luxusgütern oder Anbieter von Events.
Jedoch sollte trotz der grundsätzlichen Robustheit der Branche jeder Landwirt konkret prüfen, wie die individuelle Situation seines Betriebs ist und wie belastungsfähig dieser in einer Krise wirklich ist. Die Robustheit kann sich sowohl auf das Einkommen als auch auf das Vermögen richten.
Beim Einkommen ist zu unterscheiden, ob es sich um Einkommen aus Vermögen (Dividenden, Miet- und Pachteinkünfte, Zinsen usw.), aus der Arbeitskraft oder aus arbeitsfreiem Einkommen wie Renten und Pensionen handelt. Für den Fall eines Finanzcrashs muss ein Landwirt überlegen, wie er sich robuster aufstellt. Ohne viel Aufwand kann er die Robustheit seiner eigenen finanziellen Situation und Vorsorge erhöhen.
Liquidität wird wichtiger: Eine naheliegende und trotzdem oftmals nicht umgesetzte Vorsichtsmaßnahme ist, die „Krisen- oder Kriegskasse“ stärker zu füllen. Und um sicher zu sein, sollte der verantwortungsvolle Landwirt neben der Liquiditätsreserve einen Bargeldpuffer haben, da im Krisenfalle die alte Weisheit „Nur Bares ist Wahres“ gelten wird. Als grobe Faustregel sollten Ihre Barreserven den Geldbedarf von mindestens drei Monaten decken.
Reserven und Altersvorsorge: Bei allen Reserven, Notgroschen und Produkten der Altersvorsorge kommt es in Krisenzeiten verstärkt auf eine gute Streuung über verschiedene Anlageklassen an. Immer nach der Devise „Ein Tausendfüßler rutscht nicht aus!“ sollten Sie bei Ihren Reserven auf unterschiedliche Anlageklassen setzen. Eine eigene Immobilie haben Landwirte meist, damit ist diese Anlageklasse schon gut bedacht. Die Liquiditätsreserve als Bar- und Buchgeld wurde auch schon erwähnt. Bleiben neben exotischen Anlageklassen wie Rotwein, Whiskey, teure Uhren, Oldtimer, Schmuck noch Gold und Rohstoffe, Aktien und Anleihen.
Während sichere Anleihen in der aktuellen Lage ebenso sichere Verluste (Minuszinsen) erbringen und von riskanten Anleihen (schlechte Schuldner, gefährdete Fremdwährungen) abzuraten ist, sollte man Aktien und Gold als zusätzliche Anlageklassen berücksichtigen.
Sach- und Geldvermögen: Möglichen Inflationsrisiken beugt der Landwirt vor, indem er darauf achtet, dass er Geld- und Sachvermögen ausbalanciert und dass kein zu großer Anteil seiner Reserven in Geldvermögen steckt. Gerade die meisten Vorsorgeprodukte wie kapitalbildende Lebens- und Rentenversicherungen, Riester, Rürup, langfristige Bauspar- und sonstige Sparverträge versprechen spätere Zahlungen, die auf Euro lauten. Was aber Betroffene im Inflationsfall für diesen Eurobetrag kaufen können, ist ungewiss.
Auch von Finanzdienstleistern gehen Risiken aus: In der langen Phase wirtschaftlicher Stabilität seit dem Zweiten Weltkrieg waren Pleiten von Banken, Sparkassen und Versicherungen eine absolute Seltenheit. Und in den wenigen Fällen konnten die bestehenden Sicherungssysteme den Schaden für Kunden meist vermeiden. Eine Ausnahme war die Insolvenz der amerikanischen Investmentbank Lehman Brothers während der Finanzkrise 2008, bei der allein deutsche Anleger rund 1 Mrd. € verloren. Sie hatten in Anlagezertifikate der Bank investiert, die nicht der Einlagensicherung unterliegen.
Daher sollte der vorausschauende Landwirt auch das Risiko beachten, dass im Falle einer schweren Krise Finanzdienstleister die Verpflichtungen der von ihnen abgeschlossenen Verträge möglicherweise nicht erfüllen können. Und dass eine garantierte Leistung oder Verzinsung eben nur so gut ist wie die Leistungsfähigkeit des Garantierenden. Bei allen Bank- und auch Bauspareinlagen bis 100 000 € pro Kunde und Bank (Eheleute doppelt so viel) schützt zunächst einmal die staatliche Einlagensicherung. Extrem gefährdet sind jedoch Anlagezertifikate, für die es keine Einlagensicherung gibt. Und bei Schieflagen der Versicherer kann das Aufsichtsamt die Leistungen an die Kunden herabsetzen, um den Bankrottfall einer Bank oder Versicherung zu vermeiden. Ein kritischer Blick über bestehende Versicherungsverträge mit Sparcharakter ist daher unbedingt empfehlenswert.
Konstruktive Crashgedanken
Der Rat lautet, mit dem Risiko einer Krise konstruktiv umzugehen. Wer unerfreuliche Entwicklungen wie die katastrophalen Folgen eines Finanzcrashs nicht ausschließt und sich so ausgewogen aufstellt, dass er sowohl im Falle einer Deflation als auch einer starken Inflation gut leben kann, wird eine mögliche Krise ordentlich überstehen und sollte nachts auch gut schlafen können.
Die Risiken aus einem Finanzcrash enden keineswegs bei unseren Spargroschen und Vorsorgeprodukten. Wichtig sind auch die Stabilität unseres Arbeitseinkommens und die Frage, ob wir einen „Plan B“ besitzen, wenn unser aktueller Arbeitsplatz bedroht wäre. Ebenso wichtig ist die Qualität unserer sozialen Kontakte, das gegenseitige für einander Einstehen - Familie, Freundeskreis, Nachbarschaft, Kolleg*Innen.
Buchtipp: Einfach genial entscheiden im Falle einer Finanzkrise – von Hartmut Walz. Haufe-Verlag, ISBN 978-3-648-13758-1, 321 Seiten, 19,95 €. Hier geht es zum Shop.
Meinung: "Abschließend möchte ich noch meine Sorge darüber ausdrücken, dass die Hinweise auf Probleme unseres derzeitigen Finanzsystems häufig mit politisch radikalen Forderungen verbunden sind. Es ist unübersehbar, dass manche (Schwarzmaler und Populisten) die Eurozone und die (Geld-)Politik nicht verbessern, sondern am liebsten das gesamte System beseitigen möchten. Wir sollten wir uns stets bewusst sein, dass Geld und Vermögen eben nicht alles sind, und dass es wichtige Werte jenseits des "schnöden Mammons" gibt.
Wir Bürger genießen ein vereintes Europa mit im Wesentlichen funktionierenden demokratischen Systemen, respektierten Menschenrechten, freier Meinungsäußerung und persönlichen Entfaltungsmöglichkeiten. Und ein Leben ohne große Kriege seit nunmehr 75 Jahren. Dies alles ist nicht selbstverständlich und darf nicht aus Unzufriedenheit über geld- und wirtschaftspolitische Holprigkeiten in Frage gestellt werden." Hartmut Walz
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