Wochenblatt: Herr Daberstiel, der Anteil von Umwelt- und Tierrechtsorganisationen am Spendenaufkommen in Deutschland ist verhältnismäßig gering. Wie nehmen Sie diese Organisationen in Deutschland wahr?
Daberstiel: In Deutschland vereinen Tierrechtsorganisationen nur etwa 6 % der Spenden auf sich – immerhin gut 300 Mio. € im Jahr 2019. Der Bereich Tier- und Umweltschutz findet seit einigen Jahren mehr Unterstützer, weil er junge Zielgruppen anspricht. Wenn diese in den nächsten Jahren in Verdienst kommen, wird es vermutlich Verschiebungen beim Spendenaufkommen geben. Umweltorganisationen werden deutlich wahrgenommen, weil sie plakativ sind. Einige Aktionen, wie die Peta-Plakat-Kampagnen gegen Pelz, sollen provozieren und den Menschen vielleicht auch ein schlechtes Gewissen machen. Medien greifen diese Themen sehr gerne auf. Immer wenn sich Greenpeace-Aktivisten von einem Gebäude abseilen oder große Banner spannen, werden die Bilder von den Medien verwendet. Die Beispiele zeigen: Ein wenig ziviler Ungehorsam gehört für viele Umwelt- und Tierschutzorganisationen zu ihrem Handeln und liegt in ihrer DNA. Ebenso liegt es in ihrer DNA, Fragen zu stellen und kritisch zu sein.
Einige Tierrechtsorganisation, beispielsweise das Deutsche Tierschutzbüro, kommunizieren offen, dass sie Geld für illegale Filmaufnahmen in Ställen sammeln. Wie wirkt das auf Spender?
Sind Menschen mit der Tierhaltung in Deutschland unzufrieden, sind sie froh, Organisationen zu finden, die das für sie ändern wollen, und unterstützen das stellvertretend mit Spenden: „Ich habe zwar keine Zeit, mich um Tierschutz zu kümmern, aber diese eine Organisation tut das für mich.“ Klar ist aber: Ein Einbruch bleibt ein Einbruch. Es sind in der Vergangenheit einige Skandale aufgedeckt worden, weil Menschen Grenzen überschritten haben. Oft ist das notwendig, aber es sollte nicht zum reinen Selbstzweck der Organisation werden.
Unseren Themenschwerpunkt zu "Tierschutz- und Tierrechtsorganisationen: Finanzierung und Organisation" finden Sie hier.
Wie sieht das Handwerkszeug professioneller, spendenbasierter Organisationen aus?
Sie nutzen Campaigning, also die klassische Öffentlichkeitsarbeit, und Fundraising. Damit ist das professionelle Werben um Spenden gemeint. Beim Campaigning möchten Organisationen durch medienwirksame Kampagnen auf sich und auf Probleme aufmerksam machen. Das Ziel einer Kampagne ist die Veränderung im Bewusstsein von Bürgern und Verantwortlichen. Eine Kampagne hat nicht unbedingt das Ziel, Spenden zu akquirieren.
Beim Fundraising versuchen Organisationen, langfristige Beziehungen zu potenziellen Spendern aufzubauen. Das geschieht mit persönlichen Anschreiben, mit Ansprachen gezielt in der Fußgängerzone oder in den sozialen Medien. Das professionelle Spendensammeln erfordert Ausdauer und eine gute Beziehungspflege zu den Spendern. Es gilt der Grundsatz: Nicht die erste, sondern die zweite Spende ist die wichtigste. Kampagnen sind dagegen oft kontrovers und arbeiten mit plakativen Mitteln. Würden Themen aus der Landwirtschaft, beispielsweise der Einsatz von Glyphosat oder manche Praktiken in der Tierhaltung, nicht so kontrovers diskutiert, gäbe es keine Kampagnen zu den Themen. Es muss aber immer um die Sache gehen. Persönlicher Respekt ist bei Kampagnen sehr wichtig.
Sehen Sie den Respekt in der Auseinandersetzung zwischen Landwirtschaft und NGOs verletzt?
Die Auseinandersetzung wird von beiden Seiten oft mit harten Bandagen geführt. Man kann da persönliche Angriffe nie ganz ausschließen. Auf beiden Seiten agieren Menschen. Aber es gibt auch Organisationen, die vorher den sachlichen Dialog suchen. Selbst wenn man im Zentrum einer Kampagne steht, kann man mit der Gegenseite reden. Das ist das Ziel.
Was bewegt Menschen in Deutschland zu spenden?
Viele Menschen macht Spenden schlichtweg glücklich. Andere wollen mit ihren Spenden etwas bewegen und Veränderungen gestalten. Außerdem gibt es die Gruppe, die beim Spenden eine Last abgibt. Im eigenen Leben ist durch Arbeit und Familie keine Zeit, etwas „Gutes“ zu tun. Man verdient aber Geld und kann damit einen Beitrag leisten. Die Themen Klima, Umwelt, Landwirtschaft und Tierhaltung sind in den vergangenen Jahren stark in den gesellschaftlichen Fokus gerückt. Gemeinnützige Organisationen, die hierzu Lösungen anbieten, haben es im Fundraising derzeit leichter.
Der Landwirtschaft fällt wirksame Öffentlichkeitsarbeit mitunter schwer. Was kann sie von Profi-Campaignern lernen?
Oft sind die Kampagnen der Landwirtschaft leicht angreifbar, weil sie von großen Unternehmen der Agrarindustrie unterstützt werden. Man hat als Teilnehmer solcher Debatten schlechte Karten, wenn man vorschlägt, dass alles so bleibt, wie es ist. Man muss selbst Änderungsvorschläge machen. Die Landwirtschaft sollte die Dinge kommunizieren, die sie aus eigenem Antrieb verändern kann und will. Ein Ausruhen auf einer bisher erfolgreichen Lobby kann fatale Folgen haben. Campaigner wollen Veränderungen. Das ist ihr Ziel. Die gehen nicht weg!
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