Mal ehrlich: Als bei uns Filmaufnahmen von deutschen Rindern durch die Medien gingen, die in libanesischen Schlachthöfen brutal geschächtet wurden, waren alle betroffen. Kein Mensch fragte danach, ob die Bilder legal oder illegal entstanden waren. Oder woher die finanziellen Mittel für die Recherche im Nahen Osten kamen. Vielmehr waren sich Sprecher der hiesigen Landwirtschaft einig: Solche Verstöße gegen das Tierwohl darf es nicht geben.
Unseren Themenschwerpunkt zu "Tierschutz- und Tierrechtsorganisationen: Finanzierung und Organisation" finden Sie hier.
Das Beispiel zeigt: Tierschutz- und Tierrechtsorganisationen erzeugen Aufmerksamkeit und treten Diskussionen los. Und das gelingt ihnen regelmäßig. Wie schaffen sie diese Präsenz über Jahre? Wie sind sie personell und finanziell ausgestattet? Das untersuchten wir bei fünf Vereinen aus der Szene: Deutscher Tierschutzbund, Greenpeace Deutschland, Peta Deutschland (People for the Ethical Treatment of Animals), Ariwa (Animal Rights Watch) und Deutsches Tierschutzbüro. Ein erstes Ergebnis vorweg: Bei den Recherchen fiel auf, dass einige Organisationen ihre Strukturen bereitwillig offen legen. Andere verweigerten auch auf Nachfrage der Redaktion wichtige Informationen. Wer dabei wo „mauerte“, welche Fakten es über die Organisationen gibt und wie sie einzuordnen sind, stellen wir auf den folgenden Seiten dar.
Tiere nutzen oder retten
Der Oldie unter den fünf Organisationen ist der Deutsche Tierschutzbund. Er wurde 1881 als Zusammenschluss von Tierschutzvereinen gegründet. Wenige Jahre zuvor hatten sich in Großbritannien erste Tierschutzbewegungen formiert. Sie zielten darauf ab, dass Nutztiere besser behandelt werden und Tierquälerei unterbleibt, schreibt die Historikerin Prof. Dr. Mieke Roscher in einem Aufsatz, den die Bundeszentrale für politische Bildung veröffentlichte. Um die Rechte der Tiere ging es erst viel später. In den 1960er-Jahren kamen solche ethischen Fragen zum Umgang mit Tieren auf. Im Zuge gesellschaftlicher Debatten über Friedensfragen, über die Rechte von Studierenden und von Frauen wurde die Diskussion über Tierrechte intensiver. Als Galionsfigur der Tierrechtsbewegung profilierte sich der australische Philosoph und Ethiker Peter Singer. Er veröffentlichte 1975 das Buch „Animal Liberation“ (Tierbefreiung) und vertrat darin die Ansicht, dass Menschen und Tiere aus ethischer Sicht auf einer Stufe stehen.
In Deutschland gründete sich 1984 mit dem Bundesverband der Tierversuchsgegner eine erste überregional agierende Tierrechtsbewegung. Weitere folgten wenige Jahre später und mit ihnen auch der Trend, auf tierische Produkte komplett zu verzichten. „Tierrechtler bekämpfen alle Arten der Tiernutzung durch den Menschen – sei es für Nahrung, Kleidung oder in der Heimtier- und Zoohaltung“, so Mieke Roscher. Das heißt: Mit Tierrechtlern werden tierhaltende Landwirte inhaltlich nie auf einen Nenner kommen, so sehr sie sich auch ums Tierwohl bemühen. Und das gilt immerhin für drei der fünf von uns untersuchten Organisationen, nämlich Peta, Ariwa und das Deutsche Tierschutzbüro.
Die dritte Kraft in einer Demokratie
Tierschutz- und Tierrechtsvereine gehören zum Dritten Sektor unserer Gesellschaft. Gemeint sind damit Nichtregierungs- und Non-Profit-Organisationen. Sie stehen zwischen staatlichen und marktwirtschaftlichen Institutionen. Hohes bürgerschaftliches Engagement zeichnet sie aus. Zu ihnen gehören auch Organisationen im Agrarbereich, etwa der Bauern- und der Landfrauenverband. Unterschiede gibt es in der Arbeitsweise. Unbequem zu sein, sehen die Tierschutz- und Tierrechtsbewegungen als ihren Auftrag an. Vor krassen Demos mit Gruselverkleidungen und Kunstblut schrecken einzelne Tierrechts-Aktivisten nicht zurück. Andere filmen unerlaubt in Ställen und Schlachthöfen. Eine Organisation verklagt regelmäßig und medienwirksamen Tierhalter – auch wenn keine Rechtsverstöße vorliegen.
Straff organisiert
Die Stärke der Tierschutz- und Tierrechtsorganisationen geht von drei Faktoren aus:
- Faktor Mensch – Greenpeace und der Deutsche Tierschutzbund beschäftigen Hunderte Mitarbeiter. Sie verfügen über noch viel mehr Freiwillige; bei Greenpeace halten diese ihre Köpfe auch für heikle Aufträge hin. Aber auch die kleineren Organisationen haben genug Aktivisten, um regelmäßig Kampagnen oder Demos zu starten, medienwirksame Bilder zu inszenieren oder zu beschaffen. Die kleine Organisation Ariwa agiert mit nur sieben bezahlten Teilzeitkräften.
- Faktor Aufmerksamkeit – Mit ihren stetigen Aktionen und Veröffentlichungen treffen die Bewegungen in der Regel den Nerv der Medien und ergreifen Gelegenheiten für aufmerksamkeitswirksame Auftritte. Ein Beispiel: Als die Arbeitsbedingungen bei Tönnies im Zuge von Corona in die Kritik gerieten, nutzten Tierschützer und -rechtler die Situation direkt für ihre Systemkritik. Mit Bildern von tatsächlich oder vermeintlich leidenden Tieren haben die Organisationen starke Mittel, um Gefühle potenzieller Spender anzusprechen. Selbst für Stalleinbrüche, beim Deutschen Tierschutzbüro als Undercover-Recherchen bezeichnet, können Geldgeber überweisen.
- Faktor Finanzkraft – Die Kassen sind prall gefüllt. Für 2019 weist Ariwa als kleinste der von uns betrachteten Bewegungen knapp 300 000 € Einnahmen aus; am oberen Ende unserer Übersicht steht Greenpeace mit gut 72 Mio. € Jahreseinnahmen im Jahr 2019. Dabei zapfen die NGOs viele Finanzquellen an. So betreiben Greenpeace und der Deutsche Tierschutzbund aktives Bußgeldmarketing. Sie bemühen sich um die Zuweisung von Geldbeträgen, die Betroffene im Rahmen von Ermittlungs-, Straf- und Gnadenverfahren zahlen. In den Jahren 2010 bis 2016 nahmen die beiden Vereine so rund 1,5 Mio. € ein. Schaut man, was die Organisationen einnehmen und ausgeben, haben sie in der Regel alle ein ordentliches Plus am Jahresende zu verbuchen. Das negative Ergebnis des Tierschutzbundes in 2019 ist nach unseren Recherchen ein „Ausreißer“. Ansonsten gilt: Die Tierschutz- und Tierrechtsorganisationen vermehren von Jahr zu Jahr ihr Vermögen.
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