Wie kann eine Neuausrichtung der Tierhaltung erfolgen, ohne dass sie den wirtschaftlichen Ruin für viele Tierhalter darstellt? Die Antwort lautete in den Niederlanden „warme Sanierung“. Das Programm sieht unter anderem die staatlich finanzierte Aufgabe der Schweinehaltung in den viehintensiven Regionen vor. Das Interesse der niederländischen Landwirte an diesem „sanften“ Ausstieg ist groß.
In Deutschland wird ein solches Programm von vielen Politikern vehement abgelehnt. Noch. Denn dass sich auch viele deutsche Betriebsleiter einen sanften Ausstieg aus der Schweinehaltung vorstellen könnten, zeigen die Umfrageergebnisse der Universität Kiel.
60 % würden mitmachen
Das Studienergebnis hat selbst die Forscher überrascht: 60 % der befragten Sauen- und Mastschweinehalter haben sich für ein Ausstiegsprogramm entschieden. Die Sauenhalter würden im Schnitt mit 445 Stallplätzen, die Mastschweinehalter mit 1244 Plätzen am Programm teilnehmen – keine kleinen Betriebe, die zur Aufgabe bereit sind. Da die Umfrage vor dem Ausbruch der Afrikanischen Schweinepest in Deutschland und vor dem Corona-bedingten Stau der Schweine vor den Schlachthöfen stattgefunden hat, sind diese Frustfaktoren noch nicht berücksichtigt.
Das Geld entscheidend
Das Kieler Forscherteam hat ebenso untersucht, welche Faktoren die Teilnahme an Ausstiegsprogrammen beeinflussen. „Der“ entscheidende Faktor ist die Höhe der Kompensation. Wird mehr Geld geboten, nehmen auch deutlich mehr Landwirte teil. Dabei sind die in den (wohlgemerkt hypothetischen) Programmen angebotenen Zahlungen nicht hoch (bis zu 20 € pro Mastplatz und bis zu 180 € pro Sauenplatz als jährliche Kompensationszahlung). Sie bilden einen im Betriebsvergleich niedrigen bis mittleren Ertragswert ab. Die niedrigen Kompensationen wurden von den Autoren bewusst gewählt. Ein Förderprogramm soll die Bauern unterstützen, die einen Ausstieg ernsthaft in Betracht ziehen.
Abrisspflicht verschreckt
Die Höhe der Zahlung ist jedoch nicht allein ausschlaggebend. Besonders die Verpflichtung zum Abriss der stillgelegten Ställe sorgt für eine ablehnende Haltung der befragten Landwirte. Grund dafür sind die Abrisskosten. Werden diese erstattet, hat die Abrisspflicht kaum noch einen Effekt. Einige Teilnehmer wünschen sich den Abriss sogar, um mit dem Thema Schweinehaltung abschließen zu können. Die Ergebnisse machen auch deutlich, dass die Landwirte kein großes Potenzial für eine Umnutzung alter Stallgebäude sehen.
Gülle weiter aufnehmen
Ähnlich negativ bewerten die Teilnehmer Einschränkungen bei der Aufnahme von Gülle anderer Betriebe. In den viehhaltungsstarken Regionen werden dafür hohe Preise gezahlt. Die frei werdenden Aufnahmekapazitäten möchten die Landwirte gerne für einen Zuverdienst nutzen. Zudem schätzen viele Teilnehmer Gülle als wertvollen Dünger und betonen die positive Wirkung auf die Fruchtbarkeit der Böden.
Das Verbot des Neubaus von Ställen und auch eine Beschränkung auf den Bau von Tierwohlställen wird ebenfalls kritisch bewertet, wenn auch weniger stark. Die Meinung eines Landwirts dazu ist: „Wer einen Umbau der Tierhaltung möchte, der sollte das Geld auch in den Umbau stecken.“
Wer steigt aus, wer nicht?
Landwirte mit alten oder bereits verpachteten Ställen ziehen eine Aufgabe der Schweinehaltung eher in Betracht als solche mit neueren und selbst bewirtschafteten Ställen, so ein weiteres Studienergebnis. Landwirte mit einer guten Flächenausstattung und großen Tierbeständen möchten die Schweineerzeugung eher beibehalten. Auch die Zukunftsaussichten für ein geschlossenes System werden besser eingeschätzt.
Persönliche Faktoren wie ein höheres Alter oder eine ungesicherte Hofnachfolge haben nur bei den Sauenhaltern einen Einfluss: Wer älter ist und keinen Hofnachfolger hat, ist eher zum bezahlten Ausstieg bereit.
Rechtsrahmen Knackpunkt
Letztlich ist aber, so die Forscher, die Veränderung des rechtlichen Rahmens, die als entscheidende Herausforderung in der Schweinehaltung beurteilt wird. Die Studienergebnisse zeigen, dass Landwirte Schwierigkeiten haben, sich an den neuen gesetzlichen Rahmen im Bereich Tierwohl und Gewässer-schutz anzupassen. Ein möglicher Mangel an Hofnachfolgern scheint dagegen ebenso wie die Abschaffung der Umsatzsteuerpauschalierung kein Problem.
Zur Studie
Von Juli bis Mitte September 2020 haben 445 Landwirte an der Umfrage teilgenommen. Da das Aufkaufprogramm der „warmen Sanierung“ explizit die Schweinehochburgen der Niederlande betrifft, konzentriert sich auch die Kieler Studie auf die entsprechenden Regionen im Nordwesten Deutschlands. Etwa die Hälfte der Umfrageteilnehmer kommt aus der Viehhaltungshochburg.
Der durchschnittliche Sauenhalter, der an der Umfrage teilgenommen hat, ist 46 Jahre alt, hält 431 Sauen und bewirtschaftet rund 100 ha. Werden auch Mastschweine gehalten, kommen im Durchschnitt 1500 Plätze zur Mast im geschlossenen System hinzu. Die reinen Mastschweinehalter haben mit durchschnittlich 781 Mastplätzen etwas weniger Kapazität, aber mehr landwirtschaftliche Nutzfläche (130 ha).
Die Schweinehaltung steht vor großen Herausforderungen, Lösungen müssen her. Förderprogramme wie die warme Sanierung könnte die Problematik in den Hochburgen der Schweinehaltung entschärfen. Sie flächendeckend einzuführen, wäre wohl zu viel des Guten.
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