Zukunft der Landwirtschaft

Vom Desaster in Sri Lanka lernen

Der Applaus war stark, als Sri Lanka mineralische Dünger und chemischen Pflanzenschutz verbot. Doch nun, nur ein Jahr später, ist das Experiment gescheitert. Der Beifall ist auch verstummt. Und jetzt?

Anfang der 1950er-Jahre lebten 2,5 Mrd. Menschen auf unserem Planeten. Damals waren zwei Drittel von Hunger betroffen. Inzwischen sind wir fast 8 Mrd. Menschen. Bis etwa 2015 ist die Zahl der Hungernden trotz rasanten Bevölkerungswachstums auf unter 10 % zurückgegangen.

Die landwirtschaftliche Produktivität ist im selben Zeitraum um mehr als das Achtfache gestiegen, die landwirtschaftliche Fläche aber nur um weniger als 20 %. Das war möglich, weil Dünger, Pflanzenschutz, Mechanisierung, aber auch massive Fortschritte bei der Pflanzenzucht Einzug gehalten haben. ­Ohne sie würden wir im Elend leben.

Hunger galt fast als „gelöst“

Solange Hunger von einem zentralen gesellschaftlichen Problem fast überall zu ­einem Randproblem wurde, ja fast schon als „gelöst“ galt, ist Intensivierung als Sinnbild für die Probleme verbrämt worden. Ohne Frage, unser Ernährungssystem hat erheblich zu Entwaldung, Biodiver­sitätsverlusten und gestiegenen Treibhausgasemissionen beigetragen. Heute erleben wir, wie Pan­demie, Krieg und Klimawandel dazu führen, dass immer mehr Menschen hun­grig zu Bett gehen. Um das zu ändern, muss Landnutzungsänderung die neue zentrale Linse werden, durch die wir auf Ernährungssysteme blicken. Auch wer Biodiversität fördern will, sollte dafür sein, so wenig Land wie möglich zu nutzen.

Wir brauchen eine Willkommenskultur für Innovationen, die Erträge auf nachhaltige Weise erhöhen. Landwirte dürfen nicht länger durch Regulatoren, Kampagnen oder Armut gehindert werden, Innovationen einzuführen, die Resilienz gegen den Klimawandel verbessern und höheren Ertrag auf weniger Fläche ermöglichen.

Ich halte es für verantwortungslos, die steigende Nachfrage nach Nahrung, Tierfutter, Fasern und Energie zwar zu geißeln, aber nichts wirklich daran zu ändern und ­dennoch einer flächendeckenden Extensivierung das Wort zu reden. Im April 2021 beschloss die Regierung Sri Lankas unter Applaus vieler in der Ökobewegung, Kunstdünger zu verbieten. Schon sieben Monate nach Inkrafttreten wurde das Verbot wieder aufgehoben. Zuerst waren die Landwirte wegen der Ernteausfälle bankrott, dann war die Wirtschaft ruiniert, und wenig später implodierte die Regierung.

Schweigen im Felde

Sicher, auch andere Faktoren trugen zum Niedergang bei. Die Fürsprecher der „Agrar­ökologie“ weigern sich aber zu gestehen, dass ihre Strategie einen entscheidenden Dominostein zu Fall gebracht und damit zur derzeitigen Krise des Landes beigetragen hat. Stattdessen nur Schweigen im Felde.

Die Nachfrage nach tierischem Eiweiß muss durch alternative Pro­­teine gedrosselt werden. Nahrungsmittel dürfen nicht verschwendet werden. Das gilt für die Kühlschränke unserer Wohlstandsgesellschaft, aber auch für den fahrlässigen Verzicht auf Pflanzenschutz. Je mehr Baumwolle wir in Kreisläufen halten können, desto weniger muss angebaut werden. Je erfolgreicher wir Zwischenfrüchte als Energiepflanzen etablieren, desto weniger Konkurrenz zwischen Nahrung und Chemierohstoffen.

Die Pflanzenzucht ausbauen…

Um nachhaltige Intensivierung der Landwirtschaft durchzusetzen, bedarf es einer massiven Transformation. Wir müssen Digi­talisierung flächendeckend einführen. Das ermöglicht es, zielgenauer Pflanzenschutz, Dünger und Saatgut einzusetzen, aber auch weniger produktive Flächen der Natur zu überlassen und Landwirte für Kohlenstoffbindung belohnen zu ­können.

Wir brauchen einen Quantensprung bei der Pflanzenzucht, um die Erträge massiv zu erhöhen. Kurzhalmmais und Hybridweizen versprechen zum Beispiel jeweils zweistellige Ertragszuwächse. Energie­intensiver und gewässerbelastender Mineraldünger, der heute global fast die Hälfte aller Ernteerträge ermöglicht, kann
einerseits durch Mikroben reduziert werden, die selbst Reis, Mais und Weizen besser mit Stickstoff versorgen und andererseits nachhaltiger produziert werden, indem grüner Wasserstoff Erdgas ersetzt.

… und die Fruchtfolgen verbessern

Innovative Fruchtfolgen, oft praktiziert in der ökologischen Landwirtschaft, und neue Ölsaaten, die in traditionelle Fruchtfolgen integriert werden, aber auch Mischfruchtanbau können Flächen ganzjährig ertragreicher machen. Die Produktivität der Landwirtschaft kann sich in den nächsten 20 Jahren verdoppeln und so 8 Mrd. Menschen ernähren, ohne die planetaren Grenzen zu überschreiten. So bleibt Landwirtschaft die Zukunftsindustrie.

Unser Gastautor Matthias Berninger war von 2001 bis 2005 Staatssekretär im Bundeslandwirtschaftsministerium, bis 2007 Landesvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen in Hessen und leitet seit 2019 bei der Bayer AG den Bereich „Öffentlichkeit,Wissenschaft und Nachhaltigkeit“.

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