"Die Weltmarktorientierung war ein kolossaler Fehler"

Reinhild Benning: Systemkritikerin mit Stallgeruch

Reinhild Bennings Wurzeln liegen auf einem Hof im Münsterland. Im Interview erklärt sie, warum sie heute in der Umweltbewegung für eine andere Landwirtschaft kämpft und welche Allianzen sie für sinnvoll hält.

Wochenblatt: Sie sind auf einem Hof aufgewachsen. Wie viel Bauernkind steckt in Ihnen?

Sehr viel! Ich bin im Kuhstall groß geworden und das prägt. Eine meiner frühesten Erinnerungen ist, wie warme Milch direkt aus dem Euter schmeckt. Wir sind zwei Brüder und drei Schwestern, ich bin die Jüngste. Da waren wir eine ganz muntere Horde.

Wochenblatt: Sie haben von sehr positiven Gefühlen gesprochen. Kehren Sie heute mit genauso positiven Gefühlen zurück?

Ich fahre sehr, sehr gerne nach Hause. Meine Eltern nehmen nach wie vor ­rege teil an den landwirtschaftlichen Debatten und Diskursen. Der Betrieb hat inzwischen die Schwerpunkte auf Biogas und Spinatanbau gelegt. Mein Bruder und ich tauschen uns über die politischen Prozesse intensiv aus und das genieße ich sehr. Das ist ein Realitäts-Check in vielerlei Hinsicht.

Zur Person: Reinhild Benning
Die heute 51-Jährige ist auf einem Bauernhof in Reken (Kreis Borken) aufgewachsen. Nach dem Abitur und einem Praktikum in Frankreich begann sie zunächst ein Lehramtsstudium in Köln. Ein Filmprojekt der Katholischen Landjugendbewegung gab den Anstoß, in eine landwirtschaftliche Ausbildung zu wechseln. Sie absolvierte auch die Höhere Landbauschule mit Schwerpunkt Öko-Landbau auf Haus Riswick. Anschließend arbeitete sie in einem Frauenkollektiv vor den Toren Berlins, das Gemüse anbaute. Nach Stationen bei der Zukunfts­stiftung Landwirtschaft, beim BUND und bei Germanwatch wechselte sie Anfang dieses Jahres zur Deutschen Umwelthilfe (DUH). Als Referentin für Landwirtschaft und Tierhaltung steht sie immer wieder in der Öffentlichkeit, zuletzt mit einer von Germanwatch angestoßenen Studie zu Antibiotika-Resistenzen auf ­Produkten der drei größten Hähnchenfleisch-Konzerne in der EU.

Wochenblatt: Können Sie sich erinnern an eine Situation, wo Sie sagen: Ja, das hat mich in die Realität zurückgeholt?

Wenn wir zum Beispiel auf die Düngeverordnung schauen. Da wurde mir stark entgegengebracht, dass das im Münsterland eine schwierige Herausforderung ist, weil der Stickstoffüberschuss in der Region schwer zu verarbeiten ist. Es ist immer nur die letzte Wahl, mit Ordnungsrecht einen Riegel vorzuschieben, wenn Umweltressourcen zu stark beeinträchtigt werden. Besser ist es, an der Ursache anzusetzen und die Entstehung von zu viel Stickstoff auf zu wenig Fläche zu vermeiden.

Wochenblatt: Wo sehen Sie da einen Weg?

Die konsequente Flächenbindung der Tierhaltung kann dazu gute Dienste leisten. Nachdem die seit 2006 durch Gesetzesänderungen nicht mehr wirksam ist, ist das Problem in vielen Regionen größer geworden. Wir wünschen uns, dass wir mithilfe des Tierschutzes und der Borchert-Vorschläge wieder zu einem Gleichgewicht zwischen Tierbestand und Fläche kommen.

Wochenblatt: Was sind Ihre Ziele, wenn Sie mit dem Mandat von Germanwatch – dort haben Sie ja bis Ende 2020 gearbeitet – oder jetzt der Deutschen Umwelthilfe agieren?

Unser Hauptziel ist, dass wir eine Landwirtschaft mit bäuerlichen Betrieben haben, einer flächengebundenen Tierhaltung, die auf der Basis heimischer Futtermittel Lebensmittel vorrangig für die Bevölkerung in Deutschland und Europa produziert. Was ich nicht für sinnvoll halte: Exportieren um jeden Preis. Das tut ja auch kein Bauer. Das tut ja die Milchindustrie bzw. die Fleischindustrie. Daher ist mein Ziel, dass wir zu einem gesellschaftlichen Zusammenschluss von Verbraucherseite und Landwirtschaft kommen, um Märkte mit angemessenen Preisen zu sichern, die nicht mehr von der Agrarindustrie dominiert werden.

Wochenblatt: Wie optimistisch sind Sie, dass das gelingt?

Ich bin sehr optimistisch. Wir sehen ja, dass der Weltmarkt in der Regel keine kostendeckenden Erzeugerpreise für Betriebe in der EU hergibt. Deshalb wollen wir die...