Wie durchleben die Landwirte die Krise? Welche betrieblichen Veränderungen gab es? Und wie schätzen sie die gesellschaftliche Entwicklung in Folge der Corona-Pandemie ein? Wissenschaftler der Fachhochschule Südwestfalen, Fachbereich Agrarwirtschaft, haben die Auswirkungen der Corona-Krise mittels einer Onlinebefragung erfasst. Nach einer ersten Erhebung im April liegen nun auch die Ergebnisse für die Befragung im September vor.
Grundsätzlich ist das Stimmungsbild unter den Landwirten im Spätsommer etwas besser als zu Beginn der Krise. Mehr als die Hälfte bewerten ihren betrieblichen Umgang mit der Krise als gut bis sehr gut. Die Krisensituation wirkt sich derzeit wenig auf den Betriebsablauf aus.
"Die Befragung wurde durchgeführt von Carla Ollier und Jessica Berkes, wissenschaftliche Mitarbeiterinnen des Fachbereichs Agrarwirtschaft des Fachgebiets Marktlehre unter der Leitung von Prof. Marcus Mergenthaler."
Preistiefs und Absatzschwierigkeiten
Noch im April kam es aufgrund des bundesweiten Lock-Downs durch die Grenzschließungen zu Schwierigkeiten für die Tierhalter. Es drohten zum einen logistische Schwierigkeiten in Absatzmärkten, zum anderen wurde die Einfuhr von Tieren behindert. Es folgten die coronabedingten Schlachthofschließungen, die den Schweinehaltern auch schon vor dem ASP-Ausbruch zusetzten. Aber auch Rinder- und Geflügelhalter haben während der COVID19-Pandemie zu kämpfen: Ihnen machten die niedrigen Preise für Fleischrinder und Masthähnchen zu schaffen. Besonders Schlachtkühe und Kälber waren aufgrund des wegfallenden Absatzes aus der Gastronomie zum Teil nicht abzusetzen.
Während die Rinder- und Geflügelmäster über den Sommer besonders unter dem Preistief litten, zeigen sich die Schweinehalter angesichts der vorherigen relativ lang anhaltenden Hochpreisphase positiv gestimmter. Diese Stimmung dürfte sich jedoch angesichts des Ausbruchs der ASP in Brandenburg in den letzten Wochen relativiert haben. Auf den Betrieben mit ackerbaulichen Schwerpunkt im Kartoffelanbau (Tiefkühlware) kam es über den Sommer zu erheblichen Absatzschwierigkeiten. Auch die Lieferzeiten und die Verfügbarkeit von Betriebsmitteln während des Lock-Downs waren verzögert bzw. eingeschränkt.
Mehr Zeit für Betrieb und Familie
Gleichzeitig berichten einige von positiven Veränderungen durch die Krisensituation im Betrieb: Die Suche nach Arbeitskräften sei mit weniger Aufwand verbunden gewesen und aufgrund weniger Termine blieb mehr Zeit für den Betrieb, ihre Familien und die Freizeit. Besonders Tierhalter empfanden die zusätzliche Zeit wertvoll, um mehr Tierkontrollen durchführen zu können. Durch die Hygienevorschriften seien zwar einige Arbeitsabläufe umstrukturiert worden, sodass ein höherer Organisationsaufwand entstand. Ein Teil der Befragten berichtet, dass aufgrund dessen die Selbstständigkeit unter den Mitarbeitern gestiegen sei und zielgerichteter gearbeitet wurde.
Ängste der Landwirte
Am stärksten fürchten sich die Befragten davor, ein Familienmitglied anzustecken, vor Einkommenseinbußen sowie einer Weltwirtschaftskrise. Mehr als noch zu Beginn der Pandemie besteht zudem Angst vor fehlender Kinderbetreuung und vor Einsamkeit. Bei einigen gibt es die Sorge, die Versorgung ihrer Tiere im Krankheitsfall nicht in sicheren Händen zu wissen. Im Großen und Ganzen jedoch zeigen die Ergebnisse, dass sich die Landwirte der Situation im September emotional besser gewachsen fühlen als zu Beginn der Pandemie Anfang April.
Regionaler Absatz im Aufwind
Knapp die Hälfte der Direktvermarkt und ein kleiner Teil der Nicht-Direktvermarkter geben an, dass sich für sie durch die Corona-Pandemie neue Vermarktungswege ergeben haben. Unter direktvermarktenden Betrieben hat der ab-Hof-Verkauf (insb. Kartoffeln, Milch, Eier) deutlich zugenommen, was teils bis in den September anhielt. Auch gab es rinderhaltende Betriebe, die aufgrund steigender Nachfrage vor Ort ihre Schlachttiere an regionale Vermarkter absetzen konnten, welche sie im Normalfall über den Großviehhandel verkauft hätten. Vereinzelt wurde der Online-Handel zur Vermarktung der landwirtschaftlichen Produkte genutzt. Spargel konnte statt an Restaurants zum Teil vermehrt an Direktkunden vermarktet werden.
Große Verantwortung
Nichtsdestotrotz glaubt der überwiegende Teil der Befragten nicht, dass die deutsche Landwirtschaft gestärkt aus der Krise hervorgeht bzw. die Gesellschaft die Landwirtschaft mehr wertzuschätzen weiß. Zu Beginn der Pandemie zeigten sich die Landwirte hierzu noch etwas optimistischer. Hinzu kommt, dass die Befragten die globale Lebensmittelversorgung mehrheitlich nicht als krisenfest erachten.
Gleichzeitig empfinden viele besonders in dieser Zeit stets eine große Verantwortung bei der Produktion wichtiger Grundnahrungsmittel: Landwirte sind der festen Überzeugung, dass die regionale Lebensmittelversorgung durch kürzere Wege und regionale Selbstständigkeit widerstandsfähiger und stabiler für Krisenzeiten gerüstet ist.
Ausländischer Arbeitskräfte notwendig
Ein halbes Jahr nach dem Ausbruch der Pandemie geben 16% der Betriebe an, dass ihnen Arbeitskräfte infolge der COVID19-Pandemie gefehlt haben.Erwartet haben dies im Frühjahr noch doppelt so viele Befragte. Dies waren insbesondere Saisonarbeitskräfte, aber auch regelmäßige Hilfskräfte und inländische Arbeitskräfte. Die heimische Lebensmittelproduktion ist, so die Befragten, auf den Einsatz ausländischer Arbeitskräfte angewiesen. Im Zuge dessen wird vereinzelt der Wunsch geäußert, dass die Politik sich mehr für inländische Arbeitskräfte einsetzen solle.
Die Befragung wurde schwerpunktmäßig unter Betriebsleitern und Hofnachfolgern aus NRW und Niedersachsen im August und September 2020 mit 162 Personen durchgeführt. Das durchschnittliche Alter betrug 35 Jahre und knapp die Hälfte der Teilnehmenden waren weiblich. Der überwiegende Teil der Betriebe hat eine Größe zwischen 50-100 ha (35%) bzw. 100-200 ha (30%) mit den Betriebsschwerpunkten Veredelung (Geflügel/Schwein), Futterbau (Rind) oder Ackerbau. Gartenbau-und Dauerkulturbetriebe waren in kleinem Umfang vertreten. Von der Gesamtheit der Betriebe werden 94% konventionell bewirtschaftet, 81% als Einzelunternehmen, 88% im Haupterwerb geführt und 18% bieten Direktvermarktung an. Die Stichprobe ist nicht als repräsentativ für landwirtschaftliche Betriebe in Deutschland anzusehen. Die Befragung wurde durchgeführt von Carla Ollier und Jessica Berkes, wissenschaftliche Mitarbeiterinnen des Fachbereichs Agrarwirtschaft, Fachgebiet Marktlehre bei Prof. Marcus Mergenthaler.
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