Es waren einmal Anlage- und Vorsorgeverträge, die den Versicherten für das Alter „fettes“ Geld brachten. Manche bringen es auch noch, aber viele enttäuschen. Finanzexperte Prof. Dr. Hartmut Walz erklärt, was sich tun lässt, damit die Gans namens „Lebensversicherung“ am Ende nicht total abmagert.
Altersorvorge enttäuscht: 2000 € verloren
Heidi Z.* (*Name geändert) ist sauer. Eben erhielt sie die Standmitteilung ihrer Lebensversicherung und traut ihren Augen nicht. Ohne eine Unterbrechung zahlte sie jeden Monat Geld in ihre Lebensversicherung und das über 24 Jahre. Rund 23 000 € beträgt die Summe der bezahlten Beträge. Würde sie den Vertrag beenden, würde ihr die Versicherung nur einen Rückkaufswert von knapp 21 000 € bezahlen. Das heißt, nach 24 Jahren Ansparzeit verliert Heidi Z. – zusätzlich zum Kaufkraftschwund – 2000 €.
Hilfe für Versicherte: Was kann Heidi Z. tun?
Bereits vor ein paar Jahren hatte Heidi Z. ihren Versicherungsvertreter auf die unbefriedigende Entwicklung ihres Vertrages angesprochen. Doch der hatte mit dem unter Versicherungsmittlern üblichen Spruch „Hinten wird die Gans fett“ abgewunken. Der größte Teil der Kosten des Vertrages fiele am Anfang an und mit wachsender Laufzeit ergebe sich durch die Überschüsse ein Gewinn. Allmählich fehlt Heidi Z. jedoch der Glaube. Was kann sie tun?
- Eine regelmäßige Steigerung der Beitragszahlungen – im Fachmund „Beitragsdynamik“ genannt – war in ihrem Fall nicht vorgesehen. Sonst wäre der erste logische Schritt für Heidi Z. gewesen, die Dynamik zu beenden. Da jeder Erhöhungsbetrag juristisch wie ein neuer kleiner Vertrag gilt und somit auch zusätzlich Abschluss- und Vertriebskosten auslöst.
- Sollte sie die Beitragszahlungen einstellen, aber den Vertrag weiterlaufen lassen?
- Sollte sie den Vertrag komplett kündigen und gemäß dem Motto „Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende“ den Schaden hinnehmen und das verbleibende Geld rentabler anlegen?
- Oder sollte sie gar „in die Vollen gehen“ und einen Widerruf des Vertrages wagen, um nicht nur die bezahlten Kosten zurückzuerhalten, sondern auch einen Teil des Gewinns, den der Versicherer mit ihrem Geld über 24 Jahre erzielte?
Ansprechpartner finden
Eines ist ihr mittlerweile klar: Will man den Sumpf austrocknen, darf man nicht die Frösche befragen. Wen kann Heidi Z. fragen?
- Der Versicherungsvertreter, der ihr den Vertrag damals verkaufte, ist bei allem Respekt nicht der richtige Ansprechpartner, um ihr heute bei der Schadensbegrenzung zu helfen.
- Entweder der Gang zu einer Verbraucherzentrale oder
- zu einem Versicherungsberater oder Honorarberater mit dem Ziel einer Vertragsprüfung aus Kundensicht erscheinen als mögliche Wege.
Folgen der Nullzinspolitik?
Gleichzeitig grübelt Heidi Z. weiter, warum sich ihre Lebensversicherung so schlecht entwickelte. Die Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank ist nicht die alleinige Ursache allen Übels. Jedoch bewirkt die Kombination aus niedrigen Inflationsraten und fehlenden Zinsen gleich Zweierlei:
- Erstens sehen die Bürger die Ertraglosigkeit von Verträgen jetzt klarer, da sie nicht durch scheinbare Renditen getäuscht werden, die in Wahrheit jahrzehntelang durch die Inflation aufgefressen wurden. Zum Beispiel war der Realzins (Zinsen minus Inflationsrate) in den vergangenen 20 Jahren überwiegend negativ.
- Zweitens werden (zu) hohe Kosten vieler Anlage- und Vorsorgeverträge im Niedrigzinsumfeld deutlicher ersichtlich, weswegen viele Private derzeit kritisch auf ihre Verträge blicken.
Alle Produkte betroffen
Die Auswirkungen der Nullzinswelt sind vielfältig und betreffen keineswegs nur Sparkonten und Festgeldeinladen. Sie beeinträchtigen auch alle kapitalbildenden Versicherungsprodukte wie Riester, Rürup, private Lebens- und Rentenversicherungen. Ebenso die betriebliche Altersversorgung (bAV) und zwar unabhängig von den konkreten Zusagearten und Versorgungswegen. Auch private Kranken- sowie Berufsunfähigkeitsversicherungstarife sind betroffen. Hier drohen massive Erhöhungen der Beitragszahlungen.
Kurzum: Es lohnt sich in dieser Phase mehr denn je, kritisch in die Bestandsverträge zu schauen und eventuell Kurskorrekturen vorzunehmen. Es lässt sich eine Menge Geld sparen oder sogar zurückholen.
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Altverträge nicht einfach kündigen lassen
Eine Arbeit „erledigen“ Finanzdienstleister derzeit: Wer noch Altverträge hat, die vor dem Hintergrund der gesunkenen Zinsen sehr attraktiv für ihn sind, wird zur freiwilligen Beendigung gedrängt oder man kündigt ihm diese Verträge kurzerhand. Es betrifft Prämiensparverträge der Sparkassen und ältere Bausparverträge, die im Ansparen gute Zinsen gewährten. Gleiches gilt für manche Lebensversicherungstarife mit hohem Garantiezins.
Tipp: Kunden sollten sich keinesfalls freiwillig aus dem Vertrag drängen lassen.
Prüfen: Wer die Kündigung durch die Bausparkasse oder Sparkasse erhalten hat, kann entweder zunächst auf seriösen Seiten im Internet prüfen, ob die anbieterseitige Kündigung durch aktuelle Gerichtsurteile gedeckt ist.
Verbraucherzentralen: Bleiben Fragen und lohnt sich das Volumen, so ist der Gang zur Verbraucherzentrale oder einem einkaufsseitigen Honorarberater (etwa Versicherungsberater – nicht Versicherungsvermittler) zu erwägen.
Musterfeststellungsklage: In manchen Fällen können sich Kunden auch mit wenig Mühe und ohne Kostenrisiko einer Musterfeststellungsklage anschließen. Bei kapitalbildenden Lebens- oder Rentenversicherungen gibt es nach aktuellem Stand keine rechtliche Möglichkeiten für die Anbieter, Kunden aus bestehenden Verträgen herauszudrängen. Jedoch empfehlen Versicherungsvermittler dringend die Kündigung von Altverträgen – oft verbunden mit dem versuchten Neuabschluss eines „besseren“, da innovativen Vertrags (meist mit klingenden englischsprachigen Namen).
Mutige Entscheider sind gefragt: In solchen Fällen sollten Kunden extrem misstrauisch sein. Auch wenn man grundsätzlich immer jeden Fall von neutraler Seite prüfen muss, sind Kündigungsvorschläge provisionsfinanzierter Vermittler ein Indiz dafür, dass der Altvertrag für den Anbieter unvorteilhaft und für den Kunden somit noch relativ vorteilhaft ist.
Hoher Garantiezins ist immer gut?
Leider trifft der umgekehrte Rückschluss „hoher Garantiezins ist immer gut“ nicht zu und man sollte sich nicht zu früh freuen über einen Altvertrag (Lebens- oder Rentenversicherung), der zum Beispiel einen Garantiezins von 3 % oder sogar 4 % verspricht. Denn der Garantiezins bezieht sich nur auf den Sparanteil, also die Beiträge minus Kosten.
Wie die Gans von Heidi Z. doch fett wurde
Heidi Z. ärgerte sich über die schlechte Entwicklung ihres Vertrags so massiv, dass sie sich an einen Versicherungsberater wandte, der auf Honorarbasis für sie tätig wurde – ganz wie ein Steuerberater oder Rechtsanwalt. Der kam schnell zum Ergebnis, dass sich der Vertrag wegen eines – häufig vorliegenden – juristischen Mangels (mangelhafte Widerrufsbelehrung) rückabwickeln ließe.
Nach einem Schreiben einer auf diese Sachverhalte spezialisierten Kanzlei lenkte der Versicherer rasch ein und bot statt der rund 21 000 einen Erstattungsbetrag inklusive Nutzungsentschädigung von etwa 38 500 €. Das Geld ist bereits auf Heidi Zs. Konto. Ein Gerichtsprozess wurde vermieden. So schaffte es Heidi Z., dass die Gans am Ende doch noch fett wurde.
Fazit: Jedoch ist jeder Fall anders. Das meiste Geld geht allerdings durch Nichtstun verloren. Es lohnt sich daher, die Entwicklung von Bestandsverträgen jährlich zu überprüfen und im Zweifel den Rat eines Versicherungsberaters (nicht Vermittlers) einzuholen.
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