PRO: Julia Klöckner (CDU), Bundeslandwirtschaftsministerin
Wöchentlich bietet sich in Deutschland den Verbrauchern das gleiche Bild: Auf den Titelseiten der Werbeprospekte des Einzelhandels überschlagen sich die Tiefpreis-Angebote. Nicht Toilettenpapier oder Waschmittel wird da als Vergleichsindikator ins Schaufenster bei Tiefstpreisen gestellt, sondern ausgerechnet Fleisch. Fleisch und Wurst als DIE Preisknaller, als DIE Lockmittel. Für wenige Cent. Ausgerechnet bei von Tieren gewonnenen Lebensmitteln? Fleisch und Wurst sind eben keine Sache wie jede andere. Tiere haben dafür gelebt, sind dafür geschlachtet worden.
Wenn Fleisch zu Ramschpreisen angeboten wird, verdirbt das jede Chance auf Wertschätzung. Geschweige denn auf Wertschöpfung. Wer Fleisch als Lockmittel nutzt, um Kunden im Wettlauf mit der Konkurrenz in den eigenen Laden zu bekommen, handelt unanständig und ethisch bedenklich! Auch, weil die Verbraucherinnen und Verbraucher so leicht einen falschen Eindruck gewinnen. Sie werden vom Handel zum Billigfleisch-Schnäppchenjäger „erzogen“.
Fleisch hat aber nicht nur einen Preis, es hat auch einen Wert. Wenn die Preisspirale immer weiter nach unten geht: Wie soll da ein hohes Maß an Tierwohl drinstecken können, oder höchste Arbeitsplatz- und Sozialstandards?
Im Vordergrund der Fleisch-Werbung des Handels stehen eben nicht Herkunft, Qualität oder Tierwohlstandards, sondern zuvorderst der Preis. Deshalb ist es fatal, wenn gerade Fleisch als Ramschware über die Theke geht. Opfer dieser ruinösen Preisschlacht sind häufig die Landwirte am Ende der Kette. Weil die Erwartung der Verbraucher ans Tierwohl antiproportional zu ihrem Kaufverhalten steht. Aber wie soll der Tierhalter diese Erwartungen erfüllen, wenn just seine Ware als Billigpreis-Lockmittel herhalten soll?
Der Lebensmitteleinzelhandel, die Discounter beklagen selbst, dass sie aus der Billigpreis-Spirale gar nicht herauskommen: „Die anderen machen es ja auch, also müssen wir nachziehen.“ Es ist ein selbst geschaffener Teufelskreis. Und der muss durchbrochen werden.
Mein Ziel ist daher ein Verbot von Preis-Werbung bei Fleisch. Das ist kein Werbeverbot. Im Gegenteil, nur nicht mit dem Preis im Vordergrund, sondern über die regionale Herkunft, den Geschmack, das Tierwohl, die guten Standards. Damit tragen wir auch dem gestiegenen Bewusstsein der Verbraucherinnen und Verbraucher Rechnung. Es geht um gute Anreize statt einer Abwärtsspirale.
Und weil es teilweise missverstanden wird: Die Beschränkung soll sich allein auf die Werbung (!) mit Preisen beziehen. An der Ware und im Geschäft soll der Preis selbstverständlich weiterhin angegeben werden. Ein Preis-Werbeverbot wäre jetzt ein wichtiger Schritt. Man muss es nur wollen - oder einen besseren, wirksamen Vorschlag auf den Tisch legen.
CONTRA: Torsten Staack, Geschäftsführer der „Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands“ (ISN)
Die politische Diskussion über ein Preiswerbeverbot geht vollkommen in die falsche Richtung. Dass derzeit über das Preisgefüge und die Margen bei Lebensmitteln im Lebensmitteleinzelhandel (LEH), gestritten wird, ist absolut richtig und berechtigt! Aber die Diskussion darf nicht so weit gehen, dass es zu einem staatlich auferlegten Preiswerbeverbot kommt, bei dem keine Angebotsaktionen mehr möglich sind. Das schießt deutlich über das Ziel hinaus. Denn Preisaktionen und Angebote im LEH sind gerade jetzt wichtig, um den Absatz zu fördern.
Ramschpreise sind in diesem Zusammenhang natürlich ohne Frage tabu. Aber Verkaufsförderung mit preislich maßvollen Aktionen sind ein Muss!
Bildlich gesprochen: Es wird gerade diskutiert, wer in der Lebensmittelkette welches Stück vom Kuchen bekommt. Das da was zu Gunsten der Bauern getan werden muss, weil die Stücke der Abnehmer viel zu groß sind, steht außer Frage. Sollte man deswegen aber die Verkaufsförderung für den Kuchen insgesamt in Frage stellen? Mit Sicherheit nicht!
Deutsche Verbraucher sind beim Lebensmitteleinkauf klar preisorientiert und Aktionen üben einen Reiz auf die Konsumenten aus. Das mag man beklagen – das ist aber nun einmal Fakt. Und leider lässt sich das auch nicht von heute auf morgen ändern. Es ist bewiesen, dass Werbeaktionen die Nachfrage erhöhen. Wie gesagt: nicht auf Schleuderpreisniveau. Das hilft dem Absatz auf die Sprünge und stärkt die Erzeugung. Insbesondere in der jetzigen Situation, in der für die Schweinehalter zwei Krisen – die Corona-Pandemie und die Afrikanische Schweinepest (ASP) – aufeinandertreffen.
Derzeit sind zwei von drei Absatzkanälen teilweise oder vollständig blockiert. Schweinefleisch kann angesichts des Lockdowns in Deutschland und Teilen Europas im Wesentlichen nur über die Schiene LEH vermarktet werden. Der Außer-Haus-Verzehr ist zum größten Teil zum Erliegen gekommen. Auch die Drittlandsmärkte sind aufgrund der durch die Afrikanische Schweinepest (ASP) bedingten Sperren überwiegend zu. In dieser Situation ist es kontraproduktiv für die Erzeuger, wenn das letzte verbliebene Absatzventil – der LEH – künstlich durch ein Verbot zugedreht wird.