Die Ziele der Europäischen Kommission in der Farm-to-Fork-Strategie sind trotz Krieg in der Ukraine immer noch richtig. 25 % Ökolandbau in der EU oder 30 % in Deutschland lösen positive Umwelt- und Tierwohleffekte aus. Zwar muss das jährliche Wachstum der letzten zehn Jahre bis 2030 verdoppelt werden, sowohl in der Produktion wie auch im Absatz. Doch die gesamte Wertschöpfungskette ist mittlerweile mit dem Ökolandbau vertraut. Auch ehrgeizige Ziele sind deshalb erreichbar.
Ökolandbau: Ja, aber...
Noch wichtiger sind die klaren Ziele der Kommission bezüglich Reduktion des Betriebsmitteleinsatzes in der Düngung und im Pflanzenschutz. Das hätte schon längst gemacht werden sollen, das forderte auch der Wissenschaftliche Beirat zum Nationalen Aktionsplan Pflanzenschutz (NAP) im Jahr 2019 zum Schutz der Biodiversität. Es wäre kurzsichtig, wegen der akuten Situation wieder mit mehr Pflanzenschutz und Dünger mehr zu produzieren.
Das Pflügen von bunten, ökologisch aufgewerteten Flächen im Ackerbau und das Streuen von Stickstoffdüngern auf extensiven Wiesen und Weiden würde die Produktivität der Landwirtschaft um wenige Prozente steigern. Beides sind aber die Lebensräume unserer wichtigsten Verbündeten, mehrerer Zehntausend Arten von Insekten. Die Erfahrungen aus dem Ökolandbau zeigen, dass der Schutz des Bodens und die Erhaltung einer intakten natürlichen Nahrungskette vom Regenwurm im Boden, den braun-weiß gestreiften Thripslarven auf dem Getreide, den farbigen Laufkäfern im Acker bis zu den Kiebitzen und Feldlerchen in der Luft die Landwirtschaft Ertragskraft kostet.
Und doch stehen wir vor einer neuen Situation. Erstmals seit Jahrzehnten wird uns bewusst, dass Ernährungssicherheit etwas Fragiles ist. Das Jahr 2022 wird zeigen, was es heißt, wenn das Volumen der gehandelten Getreideernte um 20 % kleiner ausfällt.
... das alleine reicht nicht
Der Ökolandbau kann deshalb nicht die einzige Ökologisierungsstrategie sein. Rasch steigende Preise und knappe Mengen verstärken schnell die Armut, nicht nur bei den Ärmsten in Subsahara-Afrika, sondern auch in Europa. Der Zugang zu Lebensmitteln wird nicht gerechter, im Gegenteil. Eine rhetorische Frage: Wer sorgt für eine bessere Verteilung? Wir Reichen, die wir schon ächzen, wenn das Autofahren etwas teurer wird? Oder die Armen, die einmal mehr eine unendliche Leidensfähigkeit beweisen?
Das Konzept zur nachhaltigen Intensivierung der FAO, der UNO-Organisation für Ernährung und Landwirtschaft, ist gerade jetzt hochaktuell. Es beschreibt einen Entwicklungsprozess, der bei der Steigerung der Effizienz der landwirtschaftlichen Praxis anfängt, das Wissen der Landwirtinnen und Landwirte nutzt, ständig neue und bessere Lösungen sucht und wissenschaftliche Fortschritte, welche nützlich sind, ohne Scheuklappen einbaut.
Vieles davon macht auch der Ökolandbau, aber er möchte die Nachhaltigkeit vor allem über grundsätzliche Restriktionen und Verbote erreichen und kann deshalb oft die beste Kombination von Lösungen nicht wählen. Das können sein:
- bereits etablierte Methoden der Präzisionslandwirtschaft, welche die ausgebrachten Dünger- und die Pestizidmengen um 50 bis 80 % senken,
- die Fütterung von synthetischen Aminosäuren, welche die Phosphorausbeute der Futtermittel erhöhen, oder
- chemische Aufbereitungsverfahren von Klärschlämmen und damit eine Schließung der Nährstoffkreisläufe.
Genom-Editierung und effiziente Sorten
Es wird aber auch eine Vielzahl von zukünftigen Lösungen sein:
- die Züchtung mit cisgener Genom-Editierung wie Talen oder CRISPR/Cas mit stabiler Krankheitsresistenz,
- Phosphat-effiziente Sorten,
- neue Stickstoff-fixierende Mikroben im Wurzelbereich oder
- Mikrobenstämme, die große Mengen Humus im Boden aufbauen und damit der Luft CO2 entziehen.
Viele dieser neuen Technologien bieten Chancen, Umweltprobleme einer intensiven Landwirtschaft zu vermindern.
Lebensmittelverschwendung: Eine alte Diskussion
Es braucht also eine Offenheit gegenüber neuen Technologien, wohlwissend, dass diese nur Teil der Lösung sind. Eine Mäßigung des Fleischkonsums und eine Reduktion der Lebensmittelverschwendung ist darüber hinaus absolut notwendig. Das ist übrigens eine alte Diskussion, sie wurde vor 50 Jahren zwischen Norman Borlaug und dem Vogel- und Umweltschützer William Vogt in den USA geführt. Der eine wollte mehr und effizienter produzieren und propagierte die grüne Revolution. Der andere wollte den Konsum drosseln, um die Umwelt zu schonen. Aber ohne unpopuläre restriktive Maßnahmen und subtile Schubser ändert sich weder das Einkaufs- noch das Ernährungsverhalten. Information und Erziehung waren in der Vergangenheit reine Sisyphusarbeit.
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