Die EU-Agrarministerkonferenz Anfang September in Koblenz war von Protesten und Demonstrationen begleitet. Hängengeblieben in der öffentlichen Wahrnehmung sind aber vor allem zwei Symbole: Die schwarze Landvolkfahne sowie ein Banner mit Bildern führender Agrarpolitiker und Verbandsvertreter, einem Galgenstrick und dem Schriftzug „Henker der Landwirtschaft“.
Beobachter sehen darin eine Radikalisierung der Bauernproteste. Manche sprechen sogar von einem Rechtsruck. Sie ziehen Parallelen zu den Corona-Protesten in Berlin, bei denen am Ende vor dem Reichstag schwarzweißrote Flaggen geschwenkt wurden.
DBV distanziert sich klar
Der Deutsche Bauernverband (DBV) hat sich von der Pflug-und-Schwert-Fahne und von jeder Form der Radikalisierung distanziert – jetzt erneut, aber auch schon im Juni, als rund 500 Landwirte in Nordfriesland die Fahne mit ihren Schleppern nachstellten. Die Gruppe „Freie Bauern“ aus Ostdeutschland hatte sich seinerzeit über die Distanzierung des DBV gewundert. Diese sei „historisch unbegründet“.
Die Diskussion um die Fahne kocht spätestens seit „Koblenz“ auch in NRW hoch. Dabei sehen Befürworter die martialisch wirkende Landvolkfahne sowie das provokante Banner als das richtige Mittel der Wahl („Unbequem, nicht rechtsradikal“). Andererseits gibt es auch hier viele Landwirte, die das als das falsche Mittel sehen („Verfehlt und kontraproduktiv“).
Was die Behörden zur Fahne sagen
Es droht eine Spaltung und Zersplitterung im Berufsstand. Schon jetzt sorgen die Symbole für Verunsicherung unter den Landwirten – und für Fragen: Ist das öffentliche Präsentieren der schwarzen Landvolkfahne überhaupt erlaubt?
Das Bundeskriminalamt (BKA) soll die Fahne für „unbedenklich“ erklärt haben – so jedenfalls verbreiten es einige ihrer Befürworter. Hingegen teilte das (eigentlich gar nicht zuständige) BKA auf Wochenblatt- Anfrage mit, sich bislang gar nicht mit der Fahne befasst und zu diesem Symbol auch nicht öffentlich Stellung bezogen zu haben. Und weiter: „Dem BKA liegen keine Erkenntnisse vor, dass es sich bei der Fahne um ein strafrechtlich relevantes Symbol handelt.“
Nicht verboten, aber auch nicht "unbedenklich"
Ähnlich sieht es der Verfassungsschutz in NRW. Die Fahne sei historisch in einer Bewegung entstanden, die eine große ideologische Schnittmenge zur NSDAP aufgewiesen habe, teilte eine Sprecherin des Innenministeriums mit. Heute sei das Symbol aber nicht ausdrücklich verboten, da es keine NSDAP-Symbole zeige.
Verboten ist sie also nicht. Aber „unbedenklich“? Entstanden ist die Fahne Ende der 1920er Jahre in Schleswig-Holstein. Damals waren – als Folge einer schweren Agrarkrise – überall in Deutschland Bauernproteste aufgeflackert, am umfangreichsten und radikalsten in der „Landvolkbewegung“ in Schleswig-Holstein. Dieser anfangs unorganisierten Bewegung schlossen sich binnen kurzem zigtausende Bauern an, auch im Raum Hannover und im Oldenburger Münsterland. Die Landvolkbewegung trat gegen die „eigenen“ Agrarverbände und Kammerverwaltungen auf. Vor allem aber attackierte sie Demokratie, Rechtsstaat und Parlamentarismus. Nahezu jeder ihrer Aufrufe war von einem aggressiven Antisemitismus durchtränkt.
Einen ausführlicheren Blick in die Geschichte der Landvolkbewegung und ihrer schwarzen Fahne lesen Sie hier.
Was mit Steuerstreiks und Lieferboykott begonnen hatte, radikalisierte sich in kurzer Zeit. Es kam zu mindestens elf Bombenanschlägen auf Rathäuser und Finanzämter in Norddeutschland sowie zu weiteren gewalttätigen Aktionen. Diese und andere „Mittel terroristischer Einschüchterung“, wie es ein Abgeordneter im Oldenburger Landtag seinerzeit formulierte, wurden auch gegen Bauern eingesetzt, die sich der Radikalisierung widersetzten.
Nach den Bombenattentaten und der Inhaftierung einiger Aktivisten sackte die Landvolkbewegung so rasch in sich zusammen, wie sie entstanden war. Das politische Vakuum, das sie hinterließ, konnte vor allem die NSDAP für sich nutzen.
Wer schuf die Fahne?
Landvolk und NSDAP waren in ihrer Ideologie auf das engste verwandt. Auch personell verquickten sich beide Gruppen rasch. Das zeigt sich gerade auch am Beispiel der schwarzweißroten Fahne: Sie geht zurück auf den aus Arenholz stammenden Landwirt und Lehrer Peter Petersen (1904-1989). Er war Landvolk-Aktivist – und seit 1930 Mitglied der NSDAP.
Später machte Petersen im NS-Reichsnährstand in Goslar und Berlin Karriere. Von 1967 bis 1971 saß er als einer von vier NPD-Abgeordneten im Kieler Landtag.
Ein klares Erkennungszeichen
Auf den rechtsextremistischen Hintergrund deutet auch die Farbgebung der Fahne hin. Schwarz, weiß und rot – das waren die Farben der alten Kaiserreich-Flagge, die von der Weimarer Demokratie abgeschafft und im „Dritten Reich“ sofort wieder eingeführt worden ist. Als sie 1935 durch die Hakenkreuzfahne ersetzt wurde, hielt das NS-Regime an der Farbkombination schwarzweißrot fest. Sie ist deshalb bis heute ein klares Erkennungszeichen rechter und rechtsextremer Kreise.