Wochenblatt: Herr Beringmeier, Herr Tubes, machen WLV und LsV bei den neuen Gebietskulissen gemeinsam Front gegen die Landesregierung?
Beringmeier: Wir haben einen kurzen Draht zum LsV und bei diesem Thema sind wir uns absolut einig. Ich würde dies aber nicht als „Front machen“ bezeichnen. Denn bis jetzt hat die Landesregierung zum Beispiel mit der Binnendifferenzierung gute Arbeit gemacht. Und Ministerin Ursula Heinen-Esser hat immer Wort gehalten. Allerdings sehen wir bei den aktuellen Karten noch dringenden Nachbesserungsbedarf.
Tubes: Absolut. Und dazu müssen wir mit einer Stimme sprechen. Splittergruppen mit irgendwelchen unkoordinierten Einzelaktionen würden kein Gehör finden.
Herr Tubes, wie überrascht waren Sie von den neuen Karten?
Tubes: Dass noch Änderungen an den Kulissen kommen, war angekündigt. Über den Umfang war ich aber geschockt. Ich habe etliche Anrufe von Landwirten bekommen, die die Welt nicht mehr verstehen: Sie sind immer sorgsam mit der Düngung umgegangen, haben immer im grünen Gebiet gelegen und jetzt auf einmal stecken sie im roten Gebiet – mit allen scharfen Auflagen.
Und Sie, Herr Beringmeier?
Beringmeier: Wir wussten, dass noch Änderungen kommen. Wir haben Ministerin Ursula Heinen-Esser im April Rückendeckung gegeben, als sie die Landesdüngeverordnung novelliert hat und NRW Vorreiter mit der Binnendifferenzierung wurde. Wir waren uns schon damals bewusst, dass sich die Kulissen nach Verabschiedung der bundesweiten Allgemeinen Verwaltungsvorschrift (AVV) noch einmal ändern könnten. Das Ausmaß der jetzigen Änderungen hat uns aber überrascht: Zum Teil sind ganze Betriebe oder ganze Orte rot, die vorher komplett grün waren. Hier ist der Unmut unter den Betroffenen natürlich besonders groß.
Landwirte werfen „Willkür“ bei der Einteilung der Gebietskulissen vor. Sie auch?
Beringmeier: „Willkür“ würde ich nicht sagen. Aber wir fordern, dass die Einteilung transparent und nachvollziehbarer wird. Ein Landwirt muss wissen und auch verstehen können, warum bestimmte Feldblöcke rot und andere grün sind. Und er will wissen, was er tun muss, um von rot auf grün zu kommen. Hier müssen die Behörden möglichst schnell Antworten liefern.
Tubes: Volle Zustimmung. Es ist kein Verursacher-Prinzip erkennbar. Zum Teil sind die Flächen von denjenigen Landwirten, die das in der Vergangenheit immer etwas lascher gesehen haben, grün, von denen, die immer alles ordnungsgemäß machen, aber rot. Das versteht niemand und das provoziert Frust.
Was sorgt noch für Unmut unter den Landwirten?
Beringmeier: Es gibt so kuriose Fälle, dass eine einzige rote Messstelle in mehreren Kilometern Entfernung ein ganzes Gebiet auf rot stellt. Oder, dass eine Messstelle einen Nitratgehalt von mehr als 100 mg/l aufweist, die nächste in nur 300 m Entfernung hingegen einen Nitratgehalt von unter 10 mg/l.
Oder, dass ein Feld, das durch die Grenze NRW-Niedersachsen geteilt wird, auf der einen Seite grün und auf der anderen rot ist.
Beringmeier: Solche Fälle zeigen, dass die Behörden nachbessern müssen. Für solche Fälle fordern wir eine Anlaufstelle für Landwirte beim Landesamt für Natur-, Umwelt- und Verbraucherschutz (LANUV), die diese Fälle dann löst.
Gemeinsam haben Sie Forderungen formuliert. Was muss als erstes passieren?
Tubes: Das LANUV muss die Berechnungen und Datenbasis zu den Gebietskulissen offenlegen. Vorher können wir nicht konkret bestimmte Ausweisungen prüfen, hinterfragen und auch gegebenenfalls gegensteuern.
Beringmeier: Wir brauchen Erklärvideos, möglichst mit Beispielen, warum die Einteilung so ist wie sie ist. Das schafft Transparenz.
Landwirte kritisieren weiter das Messstellennetz. Zweifeln Sie auch an der Repräsentativität?
Tubes: Zumindest müssen zweifelhafte Messstellen weiter auf den Prüfstand.
Beringmeier: Unbedingt. Aber ich bin zuversichtlich, dass hier weitere Verbesserungen möglich sind. Die Ministerin hat hier schon bisher sehr konsequent beanstandete Messstellen überprüfen und zum Teil erneuern lassen.
Hat Ministerin Heinen-Esser auf Ihre Forderungen reagiert?
Beringmeier: Wir hatten eine Telefonkonferenz, in der wir alle Punkte durchgegangen sind. Sagen wir es so: Ein verspäteter Weihnachtsgruß wäre ihr lieber gewesen.
Was soll ein Landwirt tun, der im roten Gebiet liegt, dort aber so schnell wie möglich raus will?
Beringmeier: Dies ist eine zentrale Frage, auf die wir unbedingt eine Antwort brauchen. Wir fordern, dass Betriebe von den verschärften Auflagen befreit werden, wenn sie über ihre Stickstoffbilanz nachweisen, dass sie keine zu hohen Nitrateinträge verursacht haben.
Werden Sie Ihren Forderungen mit einer Schlepper-Demo Nachdruck verleihen?
Tubes: Das will ich zum jetzigen Zeitpunkt zumindest nicht kategorisch ausschließen. Die Karten sind noch zu frisch und es gibt noch zu viele Unklarheiten. Wir sollten bis Ende Februar warten. Bis dahin sollen noch die Daten des neuen Nährstoffberichts einfließen und die Behörden wollen noch die grünen Messstellen in den roten Grundwasserkörpern herausrechnen.
Beringmeier: Hätten wir nicht so kurzfristig unsere Forderungen veröffentlicht, hätte Düsseldorf vermutlich schon Besuch von zahlreichen Schleppern bekommen. Die Stimmung war danach.
Erwarten Sie eine Klagewelle?
Beringmeier: Mitgliedern, die sich für diesen Weg entscheiden, stehen wir als Verband mit rechtlicher Beratung zur Seite. Klagen können Betriebe am ehesten gegen einen formalen Bescheid, in dem ein Verstoß gegen die Landesdüngeverordnung sanktioniert wird.
Der Aufschrei für die P-Kulisse, die eutrophierten Gebiete, ist ungleich leiser.
Beringmeier: Hier ist es uns mit guten Argumenten gelungen, die ursprünglich geplanten überzogenen Abstandsregelungen entlang von Gewässern zu kippen. Landwirte in den betroffenen Gebieten müssen künftig alle drei Jahre eine Schulung besuchen und den Nährstoffgehalt ihrer Wirtschaftsdünger bestimmen.
Tubes: Bei den P-Kulissen müssen sich die Behörden aber auch zwingend die Abwässer der kommunalen Kläranlagen ansehen. Hier ist die Landwirtschaft bestimmt nicht der Hauptverursacher.
Beringmeier: Richtig, denn bei vielen kommunalen Kläranlagen fehlt die vierte Reinigungsstufe. Das ist das Hauptproblem.
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