Urteil des Verwaltungsgerichts Münster zur Anbindehaltung

Rinder in Anbindehaltung: Tiere müssen zeitweise Auslauf haben

Urteil des Verwaltungsgerichts Münster: Ein Landwirt aus dem Kreis Borken muss Rindern, die er in Anbindehaltung hält, zeitweise Auslauf gewähren. Es sollten täglich mindestens zwei Stunden sein.

Ein Landwirt aus dem Kreis Borken hält seine Rinder in Anbindehaltung. Das Kreisveterinäramt ordnete an, diesen Rindern zumindest im Zeitraum vom 1. Juni bis 30. September eines jeden Jahres freien Auslauf zu gewähren. Vorgesehen war ein täglicher Auslauf für mindestens zwei Stunden beispielsweise auf einer Weide, einem Paddock, in einem Laufhof oder etwas Vergleichbarem.

Landwirt wehrt sich juristisch gegen Anordnung

Gegen dieses Anordnung vom 6. August 2019 wehrte sich der Tierhalter. Das Verwaltungsgericht Münster wies nun mit einem Urteil vom 3. Februar 2022 die Klage des Landwirts ab und bestätigte einen Beschluss vom 20. Dezember 2019 im Eilverfahren.

Anbindehaltung und der Tierschutz

Die Behörde begründetet ihre Ordnungsverfügung damit, dass die vom Kläger praktizierte Anbindehaltung seiner Rinder mit den Geboten der verhaltensgerechten Unterbringung und der artgemäßen Bewegung nicht zu vereinbaren sei.

Das sah der Kläger anders. Er machte unter anderem geltdend, dass ein Auslauf für die Rinder nicht erforderlich sei, weil die Tiere einen Außenstall hätten. Das Verbot der Anbindehaltung sei rechtswidrig. Die Praktik sei im Tierschutzgesetz nicht untersagt. Er berief sich auf bayerische Bauernverbände, die sich gegen ein Verbot der Anbindehaltung ausgesprochen hätten.

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Die Entscheidung des Verwaltungsgericht Münster

Dieser Argumentation überzeugte das Gericht jedoch nicht. In den Entscheidungsgründen des Urteils heißt es unter anderem:

  • Es treffe zu, dass die Anbindehaltung von Rindern vom Gesetzgeber bislang nicht verboten worden sei.
  • Das ändere jedoch nichts daran, dass die Anbindehaltung den allgemeinen Anforderungen des Tierschutzgesetzes genügen müsse und die vom Kläger praktizierte ganzjährige Anbindehaltung hiergegen verstoße.
  • Die Praktik führe zu einer deutlichen Einschränkung artgerechter Verhaltensweisen der Rinder.
  • Sofern angeborene, arteigene und essentielle Verhaltensweisen anhaltend und erheblich eingeschränkt würden, sei davon auszugehen, dass dies auch mit erheblichem Leiden verbunden sei.

Täglich freie Bewegung durch Weidegang

Zurzeit noch bestehende Anbindehaltungen seien nur unter der Bedingung im Rahmen einer Übergangsfrist zu tolerieren, wenn den angebundenen Rindern täglich freie Bewegung durch Weidegang oder in einem Laufhof für mindestens zwei Stunden ermöglicht werde, begründet das Gericht weiter.

Ausnahmen vom Erfordernis eines täglichen Auslaufs für Rinder in Anbindehaltung kämen nach den für Niedersachsen veröffentlichten Tierschutzleitlinien für die Milchkuh- sowie Mastrinderhaltung bei einer beengten Dorflage und – vorübergehend – bei extremen Witterungsbedingungen in Betracht.

Sachlage trifft auf die Hoflage des Klägers nicht zu

Der landwirtschaftliche Hof des Klägers liege jedoch nicht in einer beengten Dorflage und es gehe ihm auch nicht um Ausnahmen bei extremen Witterungsbedingungen. Die vom Kläger geäußerten Zweifel an der Berücksichtigung der niedersächsischen Tierschutzleitlinien griffen nicht durch.

Leitlinien als Sachverständigengutachten auch für NRW

Die Leitlinien enthielten sachverständige Aussagen und könnten dementsprechend auch in Nordrhein-Westfalen als sogenannte antizipierte Sachverständigengutachten zur Auslegung der allgemeinen Anforderungen des Tierschutzgesetzes herangezogen werden.

Zweifel an der inhaltlichen Aussagekraft der Leitlinien bestünden nicht und seien auch vom Kläger nicht aufgezeigt worden. Soweit er auf Stellungnahmen süddeutscher Bauernverbände zur ganzjährigen Anbindehaltung verweise, handele es sich um Stellungnahmen von Interessenvertretungen, die schon deshalb nicht aussagekräftig seien, weil sie sich nicht näher mit den sachverständigen Aussagen in den Leitlinien auseinandersetzten.

Gegen das Urteil ist die Berufung an das Oberverwaltungsgericht zugelassen (Az.: 4 K 2151/19 – nicht rechtskräftig).

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