Gesetzliche Rente besser als ihr Ruf

Rente: Mehr Brötchen, aber weniger Zufriedenheit?

Im vergangenen Jahr gab es keine Erhöhung der gesetzlichen Rente, während die Inflation im Jahresdurchschnitt bei über 3 % lag. Dies bemängelten manche Medien. Zu Unrecht.

Im vergangenen Jahr gab es keine Erhöhung der gesetzlichen Rente, während die Inflation im Jahresdurchschnitt bei über 3 % lag. Dies wurde in manchen Medien als ungerecht und unsozial bemängelt. Tatsächlich ist die gesetzliche Rente besser als ihr Ruf.

Nullrunde für West-Rentner

Die Nullrunde der gesetzlichen Rente im Jahr 2021 ist Fakt – zumindest für West-Rentner. Auch die Ost-Rentner konnten mit einer mageren Rentensteigerung von 0,72 % den Inflations­verlust im vergangenen Jahr nicht ausgleichen. Andererseits stiegen die West-Renten im Corona-Jahr 2020 bei minimaler Inflationsrate um 3,45 % und im Osten sogar um 4,2 %.

Einfluss der Bruttolöhne

Die Renten folgen nämlich – stark vereinfacht gesagt – stets der Bruttolohnentwicklung des jeweiligen Vorjahres. Ist diese – wie im Jahr 2020 Corona-bedingt – negativ, bleiben die Zahlungen aufgrund der Rentengarantie unverändert. Das heißt, Senkungen der Bruttolöhne werden nicht an die Rentner weitergegeben.

Da die Entwicklung der Bruttolöhne naturgemäß kräftig schwankt, dient ein Blick auf die längerfristigen Zahlen zur Versachlichung der Diskussion, zum Beispiel auf die vergangenen zehn oder sogar 20 Jahre. Zwischen den Jahren 2000 und 2020 erhöhte sich das Preisniveau in Deutschland um fast ein Drittel – exakt 32,4 %. Gleichzeitig stiegen die Renten im Westen insgesamt um 37,6 % und im Osten sogar um 53,8 %.

An Wohlstand gewonnen

Also haben Rentner in den ver­gangenen 20 Jahren insgesamt an Kaufkraft und damit Wohlstand gewonnen. Die gleichen Zahlen für die zehn Jahre zwischen 2010 und 2020 sind sogar noch erfreulicher: Einer kumulierten Inflationsrate von 13,5 % entsprachen Rentensteigerungen im Westen von 25,7 % und im Osten von 37,7 %.

Alle Angaben beziehen sich übrigens auf die sogenannte „Brutto-Standardrente“, also die Rente eines Durchschnittsverdieners, und müssen daher nichtexakt Ihrer persönlichen Erhöhung entsprechen. Eine historisch gute Entwicklung der ­Höhe der gesetzlichen Rentenzahlung ist außerdem keine Garantie für die Zukunft.

Sorgen wegen Inflation

Der jüngste Rentenversicherungsbericht vom November 2021 geht für das Jahr 2022 von Rentensteigerungen von 5,18 % im Westen und 5,95 % im Osten aus. Die naturgemäß unsichere Prognose für die Folgejahre bis 2035 wird mit durchschnittlichen jährlichen Steigerungen von 2,3 % ange­geben. Solange die Inflationsrate unter diesem Wert bleibt, werden Rentner auch künftig an Kaufkraft zulegen. Bei höherer Inflationsrate darf auch von stärker steigenden Bruttolöhnen ausgegangen werden, sodass die Rentner einen Inflationsausgleich erhalten werden.

Die Sorge, dass die gesetz­liche Rente durch die Inflation ausgehöhlt würde und sich die Rentner davon immer weniger leisten könnten, ist also nicht berechtigt.

Jedoch werden die Rentner künftig nicht so stark an Produktivitätssteigerungen der Volkswirtschaft, zum Beispiel durch technischen Fortschritt und Digitalisierung, teilhaben, wie Beschäftigte durch ihre Lohnsteigerung.

Verhältnis von Rentenbeziehern zu Beitragszahlern

Um die Finanzierbarkeit der gesetzlichen Rente angesichts des demografischen Wandels langfristig zu erleichtern, wurde bereits 2004 der sogenannte Nachhaltigkeitsfaktor in die jährliche Rentenanpassung eingefügt. Dieser berücksichtigt – vereinfacht gesagt – Veränderungen im Verhältnis von Rentenbeziehern zu Beitragszahlern.

Da sich dieses Verhältnis in den nächsten Jahren verschlechtern wird, werden Rentner nur gedämpft an der Wohlstandssteigerung der aktiven Arbeitsbevölkerung teilhaben. Dieser Zusammenhang wird in der Kennziffer „Rentenniveau“ aus­gedrückt.

Mit anderen Worten: Die Höhe der Standardrente (nach ­Abzug von Kranken- und Pflegekassenbeitrag) im Verhältnis zum Durchschnittslohn (nach Abzug der Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung) wird sinken. Die Ampelkoalition will das Rentenniveau bis 2025 stabil halten, weitergehende Aussagen sind nicht belastbar.

Während Rentner sich folglich um den Erhalt ihrer Kaufkraft keine Sorgen machen müssen, also in zehn Jahren nicht „weniger Brötchen als heute“ von der Rente kaufen werden können, wird der Abstand zwischen der Nettolohn­entwicklung und der gesetzlichen Rente größer werden.

Zusätzliche Vorsorge treffen

Die sogenannte „Rentenlücke“ ist also kein Hinweis auf künftige Verarmung von Rentnern. Sie besagt lediglich, dass künftige Rentner­generationen eine über die gesetzliche Rente hinausgehende zusätzliche Vorsorge in irgendeiner Form benötigen, wenn sie ihren während des Arbeitslebens gewohnten Lebensstandard auch als Rentner erhalten wollen.

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