Die Schlussfolgerungen haben es in sich: Es gibt keinen Wettbewerb um Milch. Die Wertschöpfung der Molkereien in Deutschland ist in den vergangenen zehn Jahren gestiegen, die Milchauszahlungspriese aber nicht. Und für Molkereien gibt es keine Milchkrise – sie profitieren sogar davon, weil sie die Milch günstiger einkaufen können. Diese klaren Aussagen formulierte Frank Lenz, Vorstandsvorsitzender der MEG Milch Board, am vergangenen Donnerstag bei der Vorstellung der „Wertschöpfungsstudie“. Diese hatte die MEG Milch Board beim Büro für Agrarsoziologie und Landwirtschaft (BAL) in Auftrag gegeben, die Federführung lag bei Dr. Karin Jürgens.
38 Molkereien untersucht
Bereits 2015 hatte die BAL eine Wertschöpfungsstudie, ebenfalls im Auftrag der MEG Milch Board, veröffentlicht. Damals sind 44 Molkereien für den Zeitraum 2009 bis 2012 in die Analyse eingeflossen. Nun standen 38 Molkereien (Genossenschaften und Private) für den Zeitraum 2012 bis 2018 auf dem Prüfstand. Im Fokus: Die Bruttowertschöpfung pro kg verarbeiteter Milch, die die Autoren aus Umsatzerlösen abzüglich Materialaufwand (inkl. Rohstoffkosten Milch) berechneten. Und die Nettowertschöpfung pro kg verarbeiteter Milch, die sie aus dem Ergebnis gewöhnlicher Geschäftstätigkeit plus Personalaufwand sowie Zinsen plus Rücklagen sowie Rückstellungen (Bestand aus Bilanz).
"Molkereien profitieren, Bauern nicht"
Das Fazit der Autoren: Die untersuchten Molkereien haben von 2009 bis 2018 – unabhängig von der Unternehmensform – ihre Nettowertschöpfung erhöht. Die Molkereien haben das zusätzlich erwirtschaftete Geld in Personalkosten und vor allem in Rücklagen und Rückstellungen untergebracht. Bei Genossenschaften stimmt der Slogan, die Bauern bestimmen die Unternehmensphilosophie „ihrer“ Molkerei, nicht. Die Bauern würden kaum hinnehmen, dass ihre Molkerei die Rücklagen erhöht, während ihre eigene Existenzgrundlage verloren geht. Dass Privatmolkereien unabhängig hiervon nach dem Prinzip der eigenen Gewinnmaximierung handeln, ist zwar zu hinterfragen aber nachvollziehbar. Und: Export ist kein Garant für hohe Wertschöpfung.
"Handwerkliche Fehler"
„Mit Befremden“ hat der Milchindustrie-Verband (MIV) die Studie zur Kenntnis genommen. Er wirft den Autoren „handwerkliche Fehler“ vor, die Berechnungsmethode sei mehr als fraglich. In die zeitraumbezogene Nettowertschöpfung auf der Verwendungsseite würden neben zeitraumbezogenen Erfolgsgrößen auch die physischen Bestände der Rücklagen einbezogen. Damit würden alle aus den Ergebnissen der Vergangenheit in der Molkerei verbliebenen Wertschöpfungsanteile erneut in den Betrachtungszeiträumen berücksichtigt. Das führe zu Mehrfacherfassungen. Zudem würden auch die finanziellen Rücklagen erneut einbezogen, schreibt der MIV auf seiner Internetseite.
Mit dieser Ansicht ist der Verband keineswegs allein: Das Wochenblatt hat mit Milcherzeugern sowie Vertretern von Erzeugerverbänden über die Ergebnisse gesprochen. Alle betonen zunächst, dass es gut ist, die zu niedrigen Milchpreise zu thematisieren und zu analysieren, welche Rolle die Molkereien dabei spielen. Allerdings zweifeln auch sie die Ergebnisse an. „Die Branchenstudie Molkereiwirtschaft der HSH Nordbank aus 2017 sowie eine Veröffentlichung von der Uni Göttingen aus 2019 verwenden die allgemein anerkannte Kennziffer EBIT-Margen. Diese lagen in den vergangenen zehn Jahren auf nahezu konstantem Niveau“, sagt ein Verbandsvertreter.
„Meine Genossenschaftsmolkerei ist in der Untersuchung dabei und wird abgestempelt, als würde sie fast nur Massenware exportieren – das stimmt einfach nicht“, ergänzt ein norddeutscher Landwirt. Und ein weiterer Verbandsvertreter sagt: „Die Goldsteig Käsereien sind in der Untersuchung als Privatmolkerei aufgeführt, tatsächlich ist es aber eine Genossenschaftsmolkerei. So etwas schürt Zweifel.“