Kontrovers

Pro und Contra: Sonnenstrom statt Weizen?

Photovoltaik gilt als Baustein der Energiewende. Aber gehört sie auf Ackerflächen? - Darüber gehen auch in der Landwirtschaft die Meinungen auseinander.

PRO: Bernd-Josef Wenning

Für mich ist es ein Totschlagargument, Photovoltaik-Freiflächenanlagen abzulehnen, weil sie Ackerflächen aus der Produktion nehmen.

Natürlich sind auch wir in unserem Betrieb auf jeden ­Hektar angewiesen. Aber wir haben Flächen mit 17er/18er-Böden, die wir für einen vernünftigen Ertrag vier- bis fünfmal pro Jahr beregnen müssen. Das treibt die Kosten so hoch, dass kaum noch etwas übrig bleibt. Rechnet man dann noch die Kosten für Pflanzenschutzmaßnahmen und Düngung dazu, kommt man leider nur zu einem Ergebnis: Es rechnet sich nicht.

Wenn aber unterm Strich bei der Lebensmittelproduktion für uns Landwirte nichts übrig bleibt, ist es dann nicht sinnvoller, diese Flächen aus der Produktion zu nehmen?

Setzen wir auf diese Flächen PV-Module, erzeugen wir hier nicht nur Strom. Wir vermindern die CO2-Emissionen – bei einer Anlage mit 749 kWp sind das auf 7000 m2 rund 300 t CO2 pro Jahr. Zusätzlich schaffen wir durch die Aussaat von an den Standort angepassten Pflanzen unter den Modulen mehr Biodiversität. Die Flächen werden zu Rückzugs­räumen für die Natur.

Ja, unser Kerngeschäft ist die Landwirtschaft. Dazu brauchen wir die Ackerflächen. Wir Landwirte stehen heute aber auch oft mit dem Rücken an der Wand. Um zu überleben, müssen wir intensiv wirtschaften. Gleichzeitig steht das wiederum in der öffentlichen Kritik.

Deshalb bin ich der Meinung, dass PV-Freiflächenanlagen auch auf Ackerflächen ihre Berechtigung haben. Wir sollten in jedem Einzelfall abwägen, was sinnvoll ist.

Und noch eins: Der Bau einer Photovoltaik-Freiflächenanlage ist keine Lizenz zum Geld­drucken. Die Baukosten sind so hoch, dass Anlagen fast nicht rentabel umsetzbar sind. Die EEG-Vergütung liegt heute etwa bei 5,7 Cent/kWh. Die Gestehungskosten für den Strom summieren sich schnell auf 6 Cent. Was sich jedoch lohnt, ist der Eigenverbrauch.

Wenn wir es geschickt anstellen, können wir mithilfe von PV-Freiflächenanlagen einiges gewinnen: erneuerbaren Strom für die Vermarktung oder den Eigenverbrauch, Flächen mit hoher Biodiversität und ein besseres Ansehen in der Bevölkerung.

CONTRA: Hermann-Josef Schulze-Zumloh

Ackerflächen freigeben und mit Photovoltaik-Modulen bebauen? Das sehe ich sehr kritisch.

Es ist gut, dass der Gesetzgeber hier Steuerungs­möglichkeiten hat und sie auch nutzt: Freiflächenanlagen auf landwirtschaftlichen Flächen sind grundsätzlich nur entlang von Autobahnen oder Bahngleisen erlaubt. Hinzu kommt die Planungshoheit der örtlichen Behörden.

Wäre der Bau von PV-Anlagen überall erlaubt, würden viele Ackerflächen zugebaut. Denn im Endeffekt richtet sich alles nach dem Preis. Und mit Photovoltaik-Strom lässt sich mehr Geld verdienen als mit Ackerbau und Tierhaltung.

Natürlich respektiere ich die Entscheidung der Grund­eigen­tümer. Es ist nicht fair, ihnen den schwarzen Peter zuzuschieben. Jeder darf seine Eigentumsflächen so nutzen, wie er es für richtig hält.

Doch gesellschaftlich müssen wir weiter denken. Corona hat uns gezeigt, was Versorgungssicherheit bedeutet. Wir brauchen unsere landwirtschaftliche Nutzfläche, egal, ob ökologisch oder ­konventionell bewirtschaftet, um unsere Ernährung zu sichern. Leider aber hat landwirtschaftliche Nutzfläche in Deutschland immer noch einen viel zu geringen Stellenwert. Egal, ob es um den Straßenbau, Gewerbe- oder Siedlungsflächen geht, viel zu oft fallen diesen Projekten Ackerflächen zum Opfer.

Unsere Klimaziele sind wichtig. Sicher brauchen wir auch PV-Freiflächenanlagen. Aber bevor wir auf den Acker gehen, sollten wir das große noch vorhandene Potenzial an Dach-, Industrie- und anderen Freiflächen ausschöpfen.

Unsere Politik, unsere Gesellschaft – nicht der Einzelne –muss die Grundentscheidung treffen, was wir wollen und brauchen. Welche und wie viel Fläche benötigen wir für unsere Versorgung mit Lebensmitteln? Welche für den Bau von Gewerbegebieten, Siedlungen oder Straßen? Welche für die Energieversorgung? Und welche für den Naturschutz?

Solange wir diese Grundsatzentscheidung nicht getroffen haben, sehe ich die Freigabe von Ackerflächen für den Bau von PV-Freiflächenanlagen kritisch. Die Landwirtschaft, insbesondere die Tierhaltung, wird der Verlierer sein.


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