Prämie für die Existenzgründung

Die Jugendverbände der Landwirtschaft fordern gemeinsam eine Prämie für Junglandwirte in NRW. Ministerin Heinen-Esser lädt zum Gespräch.

Der Ring der Landjugend in Westfalen-Lippe, die Rheinische Landjugend, das ­junge Bioland, die junge Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) sowie das Öko-Junglandwirtenetzwerk und das Bündnis junge Landwirtschaft fordern eine Existenzgründungsbeihilfe für Junglandwirte.

Prämienberechtigt sollen Junglandwirte sein, die sich erstmalig niederlassen. Außerdem muss der Betrieb „Kleinst- oder kleines Unternehmen“ sein und eine berufliche Qualifikation vorlegen. Insgesamt sollen maximal 70  000 € über fünf Jahre möglich sein.

Gespräch mit Sander und Jacobi

Warum ist eine Existenzgründungsprämie in NRW nötig?

Philipp Sander: Die Übernahme eines Hofes birgt sehr hohe Investitionen. Die Förderung durch die Existenzgründungsprämie wäre somit ein echter wirtschaftlicher Vorteil für junge und qualifizierte Landwirtinnen und Landwirte! So kann der Generationswechsel vor allem nach dem Wegfall der Hofabgabeklausel gelingen. Aber auch „andere“ Existenzgründungen, wie bei der außerfamiliären Hofübergabe, würden von einer solchen Prämie stark profitieren.

Viele junge Landwirte möchten die Tierhaltung an die sich in Zukunft verändernden Anforderungen anpassen. Für meinen Betrieb plane ich zum Beispiel die Ausweitung der Bullenmast und den Umbau der Ställe, das den zukünftigen Anforderungen der Haltungsstufe 3 entspricht. Dadurch entstehen hohe Investitionen. Die Existenzgründungsprämie könnte mich dabei unterstützen.

Auch innerfamiliäre Hofübergaben sind für viele Betriebe eine ökonomische Herausforderung.

Julius Jacobi: Auch innerfamiliäre Hofübergaben sind für viele Betriebe eine ökonomische Heraus­forderung, da mehr Menschen vom Hof leben müssen als zuvor. Hinzu kommt, dass oft Geschwister ausbezahlt oder Investitionen getätigt werden müssen. Da ist es oft eine Herausforderung, überhaupt liquide zu bleiben.

Ganz konkret versuche ich im Zuge der Hofübergabe eine kuhgebundene Bullenaufzucht mit angeschlossener Direktvermarktung zu realisieren. Eine Existenzgründungsprämie würde es mir ermöglichen, den notwendigen Stall zu bauen.

Wer soll von dieser Prämie profitieren?

Philipp Sander: Von der Existenzgründungsprämie sollen junge Hofnachfolger mit zukunftsfähigen und innovativen Ideen und Konzepten profitieren. Hier in Westfalen-Lippe sehen wir dabei Hofübernehmer im Fokus, die mit traditionellen westfälischen Betrieben auf veränderte Ernährungsgewohnheiten und den sich verändernden Anforderungen an die Tierhaltung reagieren wollen.

Julius Jacobi: Aus meiner Sicht müssen alle Junglandwirte profitieren, die langfristig Verantwortung für einen landwirtschaftlichen Betrieb übernehmen. Auch die Vorgabe bestehender Existenzgründungsprämien, die Vergabe der Fördermittel an einen Geschäftsplan zu binden, finde ich schlüssig. Nur so lassen sich ­eine solide wirtschaftliche Planung und ein konkreter Bedarf sicherstellen.

Auch die Koppelung an eine flächengebundene Tierhaltung und einzelne ökologische Aspekte machen für mich Sinn, da diese dem gesellschaftlichen Wunsch nach einem Umbau der Landwirtschaft Rechnung tragen.

Philipp Sander
Der 26-Jährige ist Junglandwirt aus Salzkotten im Kreis Paderborn und führt den elterlichen Bullenmastbetrieb im Nebenerwerb. Nach der landwirtschaftlichen Ausbildung studierte Philipp Sander Agrarwirtschaft an der Fachhochschule Soest. Neben seinem Engagement in der KLJB Paderborn ist der Ostwestfale Vorsitzender des Rings der Landjugend, einer agrarpolitischen Arbeitsgemeinschaft von Agrarjugendverbänden in Westfalen Lippe.

Es gibt bereits die Junglandwirteförderung in der GAP. Welche konkreten Vorteile sehen Sie für Junglandwirte durch diese Existenzgründungsprämie?

Philipp Sander: Bisher hat die Junglandwirteförderung aus der GAP eher einen Mitnahmecharakter und keine konkreten wirtschaftlichen Vorteile für einen Hof. Vor allem flächenstarke Betriebe profitieren von der bisherigen Förderung. Das ist bei der Existenzgründungsprämie anders. Die Förderung wird nämlich nicht mehr an der Größe der bewirtschafteten Fläche, sondern am Betriebskonzept bemessen.

Einen weiteren Vorteil sehen wir darin, dass die Förderung von den Banken als Eigenkapital angerechnet werden kann, was zu einem besseren Rating bei anstehenden Kreditverhandlungen führt. Ganz besonders wichtig ist uns aber, dass die Förderung und alle Bedingungen der Förderung darauf abzielen, nach Ablauf des Förderzeitraums einen wirtschaftsfähigen Betrieb entwickelt zu haben und somit Junglandwirten und Junglandwirtinnen eine Existenz als selbstständige Unternehmer zu ermöglichen.

Julius Jacobi: Wie von Philipp Sander bereits angesprochen hat die Prämie den Vorteil, dass sie gegenüber der Bank als „Eigenkapital“ angerechnet werden kann. Damit haben junge Menschen deutlich bessere Karten ein Darlehen zu bekommen. Hinzu kommt, dass die Gelder größtenteils im ersten Förderjahr ausbezahlt werden, was auch der Zeitpunkt ist, zu dem Existenzgründer das Geld am dringendsten brauchen.

Julius Jacobi
Der 27-Jährige ist Mitglied in der jungen Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL). Er hat vor einem Jahr den elterlichen Bioland­betrieb übernommen. Auf dem 150-ha-Gemischtbetrieb bei Warburg im Kreis Höxter halten sie 50 Milchkühe. Der Schwerpunkt im Ackerbau liegt auf der Vermehrung von Saatgut.

Ostdeutsche Bundesländer ­haben schon ein ähnliches Förderangebot. Welche Erfahrungen gibt es dort?

Philipp Sander: In Sachsen und Sachsen-Anhalt gibt es die Existenzgründungsprämie aus der GAP in ähnlicher Form, wie wir sie für NRW fordern. Auch in Brandenburg wurde die Existenzgründungsprämie kürzlich eingeführt. So konnte rund 70 Junglandwirten der Einstieg in die Selbstständigkeit erleichtert werden.

Julius Jacobi: Ich kenne Kolleginnen und Kollegen aus Sachsen-Anhalt, denen die Prämie ganz konkret bei der Gründung geholfen hat. Andere suchen bewusst dort nach Betrieben, weil sie von der Prämie gehört haben.

Ein Bekannter erzählte mir, dass er Schwierigkeiten beim Genehmigungsverfahren hatte, da er ein sehr individuelles Betriebskonzept hat, welches es ihm schwer gemacht hat, den notwendigen Mindeststandartoutput zu erreichen. Hier muss NRW aufpassen, dass die Prämie auch für innovative Betriebskonzepte zugänglich ist.

Termin mit der Ministerin

Für die Umsetzung sind die Bundesländer und somit NRW-Ministerin Ursula Heinen-Esser verant­wortlich. Hat sie schon auf Ihren Vorstoß reagiert?

Philipp Sander: Die Ministerin hat zu unserer Forderung nach einer Existenzgründungsprämie mit einem konkreten Gesprächsangebot Anfang 2022 reagiert. Der Ring der Landjugend, die Rheinische Landjugend, die junge AbL und das junge Bioland werden diesen Gesprächstermin gemeinsam wahrnehmen. Wir hoffen, unsere Forderung zukünftig in der Zweiten Säule der GAP zu platzieren.

Wir hoffen, unsere Forderung zukünftig in der Zweiten Säule der GAP zu platzieren.

Wie geht es jetzt konkret weiter – schließlich drängt die Zeit, wenn das Angebot 2023 starten soll?

Julius Jacobi: Da die entsprechende Richtlinie in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg bereits existiert, und nur minimal angepasst werden muss, ist 2023 durchaus zu schaffen. Falls nicht, steht auch einer Einführung 2024 nichts im Wege, da der Fördergrundsatz bereits existiert. Hinzu kommt, dass Deutschland jährlich einen Antrag auf Änderung des GAP-Strategieplans bei der EU-Kommission stellen kann.

Was sagen eigentlich Ihre ­jeweiligen „erwachsenen Verbände“ zu Ihrer Forderung?

Philipp Sander: Wir stehen in engem Austausch mit dem Vorstand des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbands (WLV). Auch der WLV spricht sich für eine Förderung von jungen Landwirten im Zuge des GAP-Strategieplans aus. Dazu gehört die Unterstützung von Junglandwirtinnen und Junglandwirten, vor allem bei Investitionen wie der Gewährung von zielgerichteten Existenzgründungsbeihilfen.

Auch eine unternehmerfreundliche Umgebung zur Nutzung von Digitalisierungsfortschritten und neuen Technologien bestärkt junge Betriebsinhaber. Auch außerhalb der GAP-Förderung spricht sich der WLV für die Förderung von Junglandwirten, zum Beispiel durch Bildungsangebote, günstige Kredite, die Ausgestaltung der Sozialpolitik sowie ein auskömmliches steuerliches Umfeld, aus.

Julius Jacobi: Sowohl die Landes-, als auch die Bundesverbände von AbL und Bioland unterstützen die Forderung. Der Bundesverband der AbL spricht sich sogar dafür aus, auch die flächengebundene Junglandwirteförderung in der Ersten Säule über eine qua­lifizierte Niederlassungsprämie zu programmieren. Der europäische Rahmen würde dies zulassen.

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