Aus ihren Erwartungen an die vier Münsteraner Spitzenkandidaten machte Gastgeberin Susanne Schulze Bockeloh keinen Hehl: „Viel sagen, nicht viel erzählen!“ Mal mehr, mal weniger kamen die Anwärter für ein Direktmandat von CDU, SPD, Grünen und FDP am Samstag diesem Appell nach. Der politische Austausch, zu dem der WLV-Kreisverband Münster geladen hatte, drehte sich um zwei Kernfragen:
- Wie stark muss sich Landwirtschaft wandeln und was heißt das für das Verhältnis zwischen Regulation und Markt?
- Wo verortet sich die Landwirtschaft auf der Achse zwischen Welt- und Wochenmarkt?
Schulze: Tierwohl definieren
Für Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) besteht kein Zweifel darin, dass sich Landwirtschaft wandeln muss – nur so könne sie enkelgerecht werden. Den gesellschaftlich ausgehandelten Weg dahin zeichnen für sie Borchert-Plan und Zukunkunftskommission Landwirtschaft. Wichtig sei jetzt, so Schulze, den Auftrag der Borchert-Kommission umzusetzen und Tierwohlstufen für die jeweiligen Tierarten zu definieren – denn davon sei abhängig, wie Ställe gebaut werden müssen.
Ebenso klar ist für Schulze, dass es für die neuen gesellschaftlich gewünschten Leistungen Geld geben muss. „Der Markt ist auf dem sozialen und ökologischen Auge blind.“ Es gelte, faire Preise politisch durchzusetzen, Transparenz schaffen soll ein verbindliches staatliches Tierwohllabel.
Schulze betonte weiterhin die Notwendigkeit regionalerer Strukturen: Statt internationale Märkte sollten regionale und direkte Vermarktungsketten in den Blick genommen, Futtermittel heimisch produziert und Schlachthöfe kleinteiliger strukturiert werden. Für diese regionalen Wertschöpfungsketten braucht es europaweit gleiche Standards.
Nacke: Mehr Marketing
Auf die Direktvermarktung schielte auch Dr. Stefan Nacke. Diese könne, so der CDU-Mann, aber nicht alle Probleme lösen. „Wir müssen Landwirtschaft zwischen Welt- und Wochenmarkt verankern.“ Begleiten will Nacke dies mit einer Neuauflage der nationalen Lebensmittelagentur und flankierenden Handelsabkommen, die gleiche Standards schaffen. Eine Blindheit attestiert er dem Markt nicht, im Gegenteil: „Gute Produkte werden gut nachgefragt.“ Hierfür gelte es, ein entsprechendes Regionalmarketing aufzubauen.
Unterstützen soll der Staat dagegen bei der Absicherung von Risiken: Nacke fordert Zuschüsse zur Mehrgefahrenabsicherung ebenso wie einen Bestandsschutz von 15 Jahren bei Investitionen in den Stallbau. Ebenso wie Schulze pocht er auf eine Umsetzung der Borchert-Vorschläge.
Klein-Schmeink: Tierwohlcent
Sehr klar zielte die grüne Gesundheitspolitikerin Maria Klein-Schmeink auf einen notwendigen baldigen Agrar-Wandel ab. „Industrielle Landwirtschaft kann bäuerlichen Familien nicht gerecht werden.“ Und: „Ein langsamer Umbauplan wird nicht funktionieren. Wir können nicht auf Marktmechanismen warten.“ In der Konsequenz bedeutet das für die Bundestagsabgeordnete, bis 2030 rund 30 % der Betriebe ökologisch umzubauen. Auch die GAP müsse bis 2028 so strukturiert werden, dass eine ökologische Zweckbindung garantiert ist.
Klar ist für Klein-Schmeink auch: „Der notwendige Umbau muss begleitet, Tierbestände kleiner und Einkommensverluste kompensiert werden.“ Gelingen soll dies unter anderen mit einem Tierwohlcent. Mit Blick auf Handelsverflechtungen kritisiert Klein-Schmeink eine teils falsche Ausrichtung: „Wir hatten einen falschen Fokus auf den internationalen Markt.“ Der Exportorientierung begegnen will sie mit einer Wiederbelebung der Genossenschaftsidee, beispielsweise bei den Schlachthöfen.
Kretzer: Fairer Rahmen
Klaus Kretzer sieht die Rolle des Marktes von Haus aus anders: „Der Wandel muss marktwirtschaftlich funktionieren“, sagt der FDP-ler. Landwirtschaft müsse sich als Teil der Wirtschaft begreifen und unabhängig werden von Subventionen und Zuschüssen. Die EU-Direktzahlungen will er abschaffen. Aufgabe der Politik sei es, für faire Rahmenbedingungen, Planungs- und Investitionssicherheit zu sorgen.
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