Die Ablösung des Landwirtschaftsministers Jan Krzysztof Ardanowski, die Ernennung seines Nachfolgers Grzegorz Puda und ein Gesetzentwurf zum Tierschutz sorgen derzeit in Polen für scharfe parlamentarische Kontroversen und landesweite Bauernproteste. In Deutschland weitgehend unbeachtet, demonstierten bereits am 13. Oktober etwa 60.000 Bauern in der Hauptstadt Warschau. Zuvor und danach, am 7. und 21. Oktober, versperrten Bauern rund 150 Straßen und Plätze an verschiedenen Orten in Polen mit ihren Traktoren.
„An einigen Orten blockierten sie Straßen vollständig, indem sie sich entweder quer über sie stellten, Kreisverkehre umfuhren oder auf Zebrastreifen hin und her liefen“, heißt es in einem Bericht der wöchentlich erscheinenden landwirtschaftlichen Fachzeitschrift „Tygodnik Poradnik Rolniczy“ aus Posen / Poznań.
"Leere" Kohlköpfe und Chopins Trauermarsch
Nach Verabschiedung des umstrittenen Tierschutzgesetzes im Sejm, dem Unterhaus des Parlaments, haben dem Bericht zufolge die Bauern 356 Kohlköpfe vor dem Parlament aufgestellt. Die Kohlköpfe waren mit den Namen von Abgeordneten versehen, die das Tierschutzgesetz unterstützten, und sollten deren "leeren Köpfe" symbolisieren.
„Die Demonstranten spielten auf Blasinstrumenten Chopins Trauermarsch und trugen symbolisch die polnische Landwirtschaft zu Grabe“, berichtete die Frankfurter Allgemeine Zeitung als eine der wenigen deutschen Medien über die Bauernproteste in Polen. Einer der Anführer des Protests sei der 32-jährige Michal Kolodziejczak. Die von ihm geleitete „Agrounion“ habe seit 2018 mehrfach zu radikalen Mitteln wie Straßenblockaden gegriffen und nun mit dem Tierschutzgesetz, in Polen auch „Pelzgesetz“ genannt, ein neues Thema gefunden.
Was steht im umstrittenen Tierschutzgesetz?
Der Name "Pelzgesetz" rührt daher, dass das Tierschutzgesetz vor allem ein Verbot der kommerziellen Pelztierzucht vorsieht. Weitere Vorschriften verbieten den Einsatz von Tieren im Zirkus und regeln häufigere Inspektionen von Tierheimen sowie die Mindestlänge der Ketten, an denen Hunde und andere Tiere gehalten werden.
Für Landwirte besonders brisant ist das weitgehende Verbot des rituellen Schächtens. Es soll nur noch für die Bedürfnisse lokaler religiöser Organisationen erlaubt sein, nicht mehr hingegen für den Export an jüdische und muslimische Käufer. Das betrifft nach Angaben der landwirtschaftlichen Fachzeitschrift „Tygodnik Poradnik Rolniczy“ immerhin rund 11 % der polnischen Geflügelexporte (110.000 t) und 10 % der Rindfleischexporte (50.000 t).
Nach dem neuen Gesetz würden rund 350.000 Betriebe „ihr Einkommen verlieren“, erwartet laut Tygodnik der Präsident des Verbandes der Rindfleischrinderzüchter und -produzenten Polens. Das Blatt weist überdies darauf hin, dass 2012, als erstmals ein Verbot des rituellen Schlachtens eingeführt wurde, die Rindfleischpreise um 30% eingebrochen seien.
Den Landwirtschaftsminister ausgetauscht
Der Gesetzentwurf, der die Bauern verärgert hat, wurde vom Parteivorsitzenden der Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS), Jarosław Kaczyński, unterstützt, der nach Angaben des Tygodnik als Tierfreund bekannt ist. Landwirtschaftsminister Jan Krzysztof Ardanowski, der das Gesetz offen kritisiert und die Bauern unterstützt hatte, wurde bei der jüngsten Kabinettsumbildung aus der Regierung entlassen und durch Grzegorz Puda ersetzt.
Ardanowski hatte darauf hingewiesen, dass Polen der größte Geflügelproduzent in Europa und einer der größten der Welt sei. Die polnischen Landwirte seien laut Ardanowski stark vom Rindfleischexport abhängig, sie belieferten islamische Länder und muslimische Gemeinden in der Europäischen Union.
"Ich verstehe nicht, wie man eine so treue Wählerschaft ablehnen kann", wird Ardanowski im „Tygodnik“ zitiert. Bei den zurückliegenden Parlaments- und Präsidentschaftswahlen hatten 70-80% der Bauern für die PiS-Partei Kaczyńskis votiert.
Eine Regierungskrise?
Die Debatten zum neuen Tierschutzgesetz im Sejm verliefen den Berichten zufolge quer zu den Fraktionen. So hat die liberale Bürgerplattform als größte Oppositionspartei fast geschlossen für das Gesetz gestimmt. Etwa ein Fünftel der Abgeordneten des Regierungslagers der „Vereinigten Rechten“ hingegen votierte dagegen, weitere enthielten sich.
Die Beratungen hätten das polnische Abgeordnetenhaus „für kurze Zeit gleichsam in einen Hühnerstall verwandelt“, urteilte Gerhard Gnauck, der Korrespondent der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. „Alles lief durcheinander, die Fraktionsgrenzen galten nicht mehr“, so fasste Gnauck die Debatte zusammen.
Das Wort von der Regierungskrise machte die Runde. Nach Beratungen in der zweiten Kammer, dem Senat, hängen die Zukunft des umstrittenen Gesetzes derzeit in der Luft. Die Sitzung des Agrarausschusses im Sejm am Dienstag dieser Woche (27. Oktober), der die Änderungsanträge des Senats verabschieden sollte, wurde abgesagt.