PRO: PAAVO GÜNTHER (Gründer und geschäftsführender Vorstand der Havelmi eG in Brandenburg an der Havel)
Vegane und konventionelle tierische Produkte haben Unterschiede, aber auch Gemeinsamkeiten. Beide wollen Menschen ernähren. Wie Kuhmilch befriedigen Haferdrinks und Co. das Bedürfnis nach gehaltvollen Getränken, die sich zur Nutzung im Kaffee, Müsli, zum Kochen oder Backen eignen. Fast nie trinken Konsumenten Milch(-alternativen) pur, weshalb Diskussionen über abweichende Nährstoffmengen vollkommen praxisfern sind.
Vegane Produkte unterscheiden sich vor allem in der Auswahl und Qualität der Grundzutat – Hafer, Nüsse, Soja usw. – und bei den Zusatzstoffen. Auch im Pflanzendrinkmarkt existieren verschiedene Konzepte zwischen Global Player mit ultrahocherhitzten Getränkekarton-Varianten und regionalen Bioproduzenten mit Frischeprodukten in Mehrwegglasflaschen. Klar ist: Grundlegende Prinzipien nachhaltigen Wirtschaftens – zum Beispiel Regionalität, Stoffkreisläufe, reduzierter Ressourcenverbrauch – sind auf alle Produkte anwendbar. Deshalb ist der Anbau von Rohstoffen für vegane Produkte eine große Chance für die Landwirtschaft.
Unzweifelhaft bleibt, dass Verbraucher mit einer regionalen, saisonalen, veganen und bestenfalls subsistenten Ernährung den größten Hebel ansetzen können. Der goldene Milchersatz wäre also ein regionaler Biohaferdrink in der Mehrwegglasflasche.
Global gesehen reduzieren wir am meisten, wenn nicht 2 % der Bevölkerung auf 90 % ihres Verbrauches verzichten, sondern wenn 90 % auf 2 % verzichten. Wenn nachhaltiges Handeln von der Politik weiter ausschließlich an die Konsumenten delegiert wird, sollten diese wenigstens wahre Preise zahlen. Dazu müssen sämtliche Kosten internalisiert werden, zum Beispiel Emissionen, Landverbrauch, Reduktion von Biodiversität oder soziale Kosten.
Außerdem braucht es gesetzliche Vorteile für nachhaltigen Konsum wie Steuervergünstigungen für vegane, regionale und Bioprodukte. Dann ist es auch vollkommen vertretbar, wenn Menschen sich aus Überzeugung für Kuhmilch entscheiden. Diese wäre gemessen am globalen ökologischen Fußabdruck nur noch in deutlich geringerem Umfang verfügbar und kostete 10 € pro Liter. Daneben stünden Hafer- und andere Drinks für 1 €. Klingt doch erst einmal fair.
CONTRA: ANSGAR LEIFKER (Milchviehhalter und Bullenmäster in Neuenkirchen, Kreis Steinfurt)
In erster Linie sind die neuen Lifestyle-Pflanzendrinks aus meiner Sicht margengetrieben – es ist eine „neue Kuh“, die die Lebensmittelindustrie so richtig ausmelken kann. Über 40 % Rendite am Liter Hafermilch, da reibt man sich die Hände. Dem Mainstream folgend, das alles als total nachhaltig und ökologisch zu verkaufen, spielen die Pflanzendrinks den Werbemachern und Marketingstrategen der Food-Konzerne sicher in die Hände. Die Drinks kommen beim CO2-einsparenden und tierwohlorientierten Großstadtkonsumenten sicher gut an.
Allerdings: Milch aus Hafer, Mandel & Co kommt einfach nicht an das Original aus der Kuh heran. Ohne Zusätze wie Aromen, Pflanzenöle oder Süßungsmittel geht es in der Laborküche der Lebensmittelindustrie bei Hafermilch und Co nicht, um annähernd den Originalgeschmack unserer Kuhmilch zu erreichen. Aber was interessiert der Inhalt, wenn die Werbebotschaft der Pflanzendrinks besser beim Endkunden ankommt? Das ist sicherlich ein Punkt, an dem wir als Milcherzeuger besser werden müssen.
Auch den Vergleich beim Wasserverbrauch und beim CO2-Abdruck braucht unsere Kuhmilch nicht scheuen. Schließlich nutzen unsere Wiederkäuer zur Produktion ihrer Milch zu einem großen Teil Gras, das für uns Menschen direkt nicht verwertbar ist. Dessen Anteil an der landwirtschaftlichen Nutzfläche beträgt weltweit jedoch 67 %. Hafer, Soja oder die wasserzehrenden Mandeln hingegen konkurrieren direkt um den Acker, den wir sicher für andere Früchte mehr benötigen.
Und nur nebenbei eingeschoben: Wir importieren jetzt schon 60 % unseres Hafers. Bei einem weiteren Wachstum der Haferdrinks würde diese Menge weiter steigen. Ist das nachhaltig und ökologisch?
Sicherlich können wir Landwirte als Hafer- bzw. Soja- Rohstofflieferanten vom Trend der Pflanzendrinks profitieren, indem wir den Anbau ausweiten. Doch angesichts der im Vergleich zu anderen Feldfrüchten eher durchschnittlichen Deckungsbeiträge dürfte es hier keine großen Wachstumssprünge geben.