Die Aufregung um nitratbelastete Gebiete ist auch drei Wochen nach Veröffentlichung der neuen Karten nicht verflogen. Viele Landwirte fragen: Warum sind meine Schläge plötzlich rot eingestuft? Und: Wie haben das Landesamt für Umwelt, Natur und Verbraucherschutz (LANUV) und die Landwirtschaftskammer NRW die roten Feldblöcke abgegrenzt und ausgewiesen?
Ausweisung in vier Schritte
Maßgeblich ist eine bundesweit geltende Verwaltungsvorschrift. Sie lässt sich grob in vier Schritte gliedern.
Schritt 1: Zunächst werden die Grundwasserkörper ermittelt, die überhaupt zu untersuchen sind. Bisher war diese Frage einfach zu beantworten: Grüne Grundwasserkörper schieden aus, für die roten Grundwasserkörper ging das Prozedere weiter. Jetzt aber kommen alle Grundwasserkörper mit mindestens einer nitratbelasteten Messstelle aus dem Messstellennetz zur Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) ins Verfahren. Das sind dann neben roten auch die grünen Grundwasserkörper, bei denen eben mindestens eine Messstelle als belastet gilt. Diese Änderung gegenüber den Vorjahren sorgt jetzt vielerorts in „grünen“ Regionen für böse Überraschungen.
Wann gilt eine Messstelle als belastet? Sie muss entweder den Nitrat-Schwellenwert von 50 mg/l Wasser überschreiten oder eine Nitratkonzentration von mindestens 37,5 mg/l mit steigendem Nitrattrend aufweisen. Die Nitratwerte werden generell als Mittelwert der letzten vier Jahre berechnet. Zudem soll die Messstelle von landwirtschaftlicher Nutzung beeinflusst sein.
Abschließend weist das LANUV in Schritt 1 jeder belasteten Messstelle ein Teilgebiet innerhalb des Grundwasserkörpers zu. Derzeit werden die Teilgebiete in NRW mithilfe von hydrogeologischen und hydraulischen Kriterien abgegrenzt. Dahinter verbergen sich unter anderem Daten zu Grundwasserständen sowie Strömungsrichtungen und -geschwindigkeiten. Diese als belastet ausgewiesenen Teilgebiete sind aber nicht endgültig auf der Karte abgebildet, sondern dienen als Suchkulisse für die Schritte 2 und 3. Unbelastete Teilgebiete bleiben außen vor.
Schritt 2: Hier wird die landwirtschaftliche Fläche in den belasteten Teilgebieten betrachtet. Für jeden Feldblock wird der für den Grundwasserschutz maximal duldbare Überschuss an Stickstoff (N) ermittelt. Die Frage lautet: Wie viel N-Überschuss aus der Landwirtschaft verträgt ein Feldblock höchstens, sodass mit dem Sickerwasser nicht mehr als 50 mg Nitrat/l eingetragen werden?
Die Antwort liefert ein wissenschaftlich fundiertes Rechenmodell, das insbesondere den Nitratabbau im Boden berücksichtigt. In dieses Modell fließen die naturräumlichen Standortbedingungen (Bodeneigenschaften, Klima, Relief), die Hauptnutzungsart (Acker oder Grünland) und der N-Eintrag über die Atmosphäre ein. Hohe duldbare N-Überschüsse können aus hohen Sickerwasserraten oder großem Nitratabbau resultieren.
Günstig für den Nitratabbau sind beispielsweise Stauwassereinflüsse und hohe Gehalte an organischer Substanz im Boden, während geringe Humusgehalte oder eher zur Versauerung neigende Böden ein geringeres Nitratabbauvermögen zeigen. Grünland profitiert davon, dass im Rechenmodell eine höhere N-Speicherung im Boden unterstellt wird. Der maximal tolerierbare N-Überschuss ist unabhängig von der Bewirtschaftung (Wahl der Ackerkultur, Düngung, Ernte usw.). Daher hat der einzelne Betrieb keinen Einfluss auf diesen Wert.
Schritt 3: Hier berechnet dann die Landwirtschaftskammer in der Regel auf Gemeindeebene den N-Überschuss als Durchschnitt mehrerer Jahre. Dazu wird die Differenz aus der N-Zufuhr über Mineral- und Wirtschaftsdünger sowie Fixierung durch Leguminosen und der Abfuhr über die Ernte ermittelt. Grundlage für die N-Überschüsse von Gemeinden ist die für Januar 2021 erwartete neue Ausgabe des Nährstoffberichts NRW.
Schritt 4: Zum Schluss erfolgt in diesem Schritt ein Abgleich: Ist der berechnete N-Überschuss größer als der für einen Feldblock duldbare N-Überschuss, gilt der Feldblock als nitratbelastet. Ansonsten geht der Feldblock als unbelastet in der Karte ein.
Karte weiter bearbeitet
Das Umsetzen der Landesdüngeverordnung und der Verwaltungsvorschrift erfordert großen Aufwand und Sorgfalt. Daher wird die jetzt veröffentlichte Karte bis Ende Februar weiter bearbeitet: Die Abgrenzung von belasteten Teilgebieten (Schritt 1) in roten Grundwasserkörpern steht noch aus wie die Ermittlung der N-Überschüsse auf Gemeindeebene (Schritt 3). Die Länder müssen die Kulisse mindestens alle vier Jahre überarbeiten.
Mehr zum Thema: