Wochenblatt: Wird es im Gesetzgebungsverfahren noch Änderungen an den Vorschlägen des BMEL geben?
Latacz-Lohmann: Da ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Schließlich folgen nicht nur mehrere Lesungen im Bundestag. Auch der Bundesrat muss zustimmen. Ich kann mir auch vorstellen, dass die Grünen versuchen, eine Einigung bis nach der Bundestagswahl hinauszuzögern, um danach möglicherweise mehr mitbestimmen zu können. Das würde zu deutlichen Änderungen führen.
Ist Frau Klöckners Plan – Verabschiedung bis Ende Juni – zu schaffen?
Das ist sehr sportlich und wenig realistisch.
Wird es durch die andauernden Verhandlungen auf EU-Ebene Veränderungen geben?
Zumindest keine so gravierenden Änderungen wie durch Bundestag und -rat. Womöglich setzt sich das EU-Parlament durch und die Mitgliedsländer müssen bis zu 30 % statt nur 20 % Eco-Schemes in der Ersten Säule anbieten, wie das BMEL vorschlägt. Vorstellbar ist auch, dass mehr Moorschutz gefordert wird, als in den BMEL-Vorschlägen steckt.
Landwirte fürchten: „Mehr tun für gleiches oder sogar weniger Geld“. Ist das berechtigt?
Im Prinzip ist das richtig – und gewollt: Die Konditionalität ersetzt Greening und Cross Compliance (CC). Die Basisprämie wird gekürzt. Dafür kommen die Eco-Schemes hinzu – aber nur bei zusätzlichen Gegenleistungen. Manche Betriebe werden aber einige Eco-Schemes ohne zusätzliche Kosten erfüllen können. Bei beispielsweise der Grünlandextensivierung, die das BMEL vorschlägt, darf der Tierbesatz maximal 1,4 Großvieheinheiten/ha betragen. Das erfüllen die meisten Mutterkuhbetriebe schon jetzt.
Das BMEL will 3 % nicht produktiver Fläche. Laut Destatis liegt der Anteil stillgelegter Fläche bereits bei 3 % der Ackerfläche. Verändert sich die Flächenbewirtschaftung dadurch also nicht?
Ich denke doch. Vielleicht nicht in vielseitig strukturierten Regionen. Aber etwa in der Köln-Aachener Bucht oder der Magdeburger Börde, wo es kaum Landschaftselemente oder stillgelegte Fläche gibt, wird sich die Flächennutzung durch die erzwungene 3 % Stilllegung durchaus ändern.
Die „Vielfältige Fruchtfolge“ rutscht von der Zweiten Säule in die Eco-Schemes. Wer bisher teilgenommen hat, verliert viele Fördergelder aus der Zweiten Säule. Vermutlich werden aber mehr Betriebe mitmachen. Welche Auswirkungen hat das auf den Markt für Leguminosen?
Die „Vielfältige Fruchtfolge“ der Zweiten Säule ist in den meisten Bundesländern überzeichnet. Das ist wohl ein Grund, warum diese ab 2023 als Eco-Schemes angeboten werden sollen. Daher stimmt es, dass Gelder aus der Zweiten Säule wegfallen und aus der Ersten Säule kommen – aber bei gekürzter Basisprämie. Für die Betriebe kein so gutes Geschäft. Dennoch werden wohl mehr mitmachen, um sich einen Teil der gekürzten Basisprämie wieder zu holen. Da aber auch die Nachfrage nach heimischen Eiweißen als Futtermittel steigen wird, denke ich nicht, dass es zu Marktverwerfungen kommen wird.
Kann ein Betrieb so viele Eco-Schemes durchführen wie er will oder nur bis er damit 20 % seiner Erste-Säule-Zahlungen erhält?
Dahinter steckt die ungeklärte Frage: Wie soll man die Nachfrage der Landwirte nach Eco-Schemes steuern? Denn Landwirte haben einen Rechtsanspruch auf Erste-Säule-Zahlungen. Was aber passiert, wenn alle Landwirte mehr machen möchten, als an Geld vorhanden ist? Wie schafft der Staat es, eine Punktlandung auf 20 % Budgetanteil hinzulegen? Bei fortlaufender Überzeichnung bliebe wohl nur ein Ausweg: Den Budgetanteil zu erhöhen – von 20 auf 30 oder gar 50 % – zulasten der Basisprämie.
Kämen die Landwirte so weg von dem Image der „Prämienempfänger“?
Auf lange Sicht durchaus denkbar. Das wäre doch gerade schön, wenn Landwirte selbst bestimmen, indem sie die Eco-Schemes ständig überzeichnen. Das täte dem Image der Landwirtschaft gut und würde die GAP zu dem machen, was Viele seit Langem fordern: Eine Politik nach dem Motto „öffentliches Geld für öffentliche Leistungen“.
Welche Eco-Schemes sind für Landwirte „am günstigsten“?
Das hängt vom Einzelbetrieb ab. Wer etwa bereits fünf Früchte anbaut inklusive Leguminosen, der wählt diese Maßnahme, ohne zusätzliche Kosten für sich. Landwirte müssen sich also fragen: Wie viel Prämie bekomme ich, was kostet mich die Umsetzung? Ein intensiver Schweinemastbetrieb wird wohl kaum freiwillig mehr Fläche stilllegen, weil ihm damit die Güllenachweisfläche fehlt. Wer also relativ intensiv und spezialisiert wirtschaftet, für den sind Eco-Schemes weniger attraktiv. Gut dran sind extensive und vielseitig aufgestellte Betriebe.
Der DBV will eine Basisprämie von 175 €/ha – klappt das?
Das dürfte nach dem BMEL-Vorschlag mit 20 % Eco-Schemes einigermaßen hinkommen.
Welche Auswirkungen haben Umverteilung, Degression und Junglandwirte-Prämie?
Künftig sollen 10 statt bisher 7 % der Direktzahlungen umverteilt und 2 statt 1 % für die Junglandwirteprämie verwendet werden. Das wird sich kaum auswirken.
Erreichen Konditionalität und Eco-Schemes mehr für die Umwelt als CC und Greening?
Ich denke schon. Beim Greening konnten Landwirte Leguminosen und Zwischenfrüchte anbauen, statt Flächen stillzulegen. Aus Umweltsicht war das ineffektiv. Die BMEL-Vorschläge sehen hingegen „echte“ Flächenstilllegungen vor. Zudem stehen über die Eco-Schemes pro Jahr rund 900 Mio. € mehr für den Umweltschutz zur Verfügung. Jetzt kommt es auf effiziente Maßnahmen an. Die Vorgeschlagenen reichen da nicht aus. Sinnvoll wäre etwa eine zusätzliche Förderung der Bewirtschaftung kleiner Schläge oder von „überwinternden Stoppeln“.
Gelingt der „Systemwechsel“, den Frau Klöckner verspricht?
Nein. Von einem Systemwechsel kann keine Rede sein. Das ist noch nicht der große Wurf. Es ist eher eine graduelle Änderung des jetzigen Systems – aber zumindest in die richtige Richtung. Deutlich mehr für die Umwelt, aber auch für das Image der Landwirte wäre getan, wenn zum einen der Anteil der Eco-Schemes höher wäre oder besser noch mit der Zeit ansteigen würde und die Landwirte zum anderen zwischen sehr viel mehr Maßnahmen wählen könnten, wie das etwa bei dem Modell der „Gemeinwohlprämie“ ist.
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