Die Bauern sind in den Niederlanden zum Symbol für die Unzufriedenheit mit der Regierungskoalition und der Politik generell geworden. Ein Reizthema im Rahmen der Klimapolitik ist die Verringerung des Stickstoffausstoßes. Weil Den Haag dieses Problem nicht löste, verordneten Richter Baustopps, was großen Handlungsdruck erzeugte.
Als die vierte Regierung Rutte darauf endlich zu Taten schritt, machte sie dabei aber den Fehler, zunächst nur die Landwirtschaft in die Pflicht zu nehmen. Natürlich ist diese wahrscheinlich an erster Stelle für den Ausstoß verantwortlich. Seit den Bauernprotesten 2019 war es aber absehbar, dass diese Alleinstellung eine Revolte entfesseln würde. Die umgekehrten Nationalflaggen entlang der niederländischen Straßen zeugen seit Mitte letzten Jahres davon. Unter anderem damit gewann „der Bauer“ eine symbolische Bedeutung für den Unmut viel größerer Teile der Bevölkerung.
BBB: Ein rascher Aufstieg
Die 2019 gegründete „Boer Burger Beweging“ (wörtlich übersetzt: "Bauer Bürger Bewegung", BBB) spielte erfolgreich mit dieser Symbolwirkung. Sie bildete eine Brücke zwischen Bauern und Bürgern und hatte 2021 einen bescheidenen Erfolg bei den Wahlen für die Zweite Kammer. Sie zog mit einem Sitz (von 150) in die wichtigste Kammer des niederländischen Parlaments in Den Haag ein.
Die Vorsitzende und einzige Abgeordnete Caroline van der Plas setzt sich seitdem als neues Gesicht der Politik in Szene. Äußerst geschickt posiert sie als authentische Fürsprecherin der Bürger, und die Medien rollten für sie den roten Teppich aus.
Anders als ihre rechtspopulistischen Vorgänger wie Geert Wilders (PVV) und Thierry Baudet (Forum für Demokratie) ist van der Plas bereit, Bündnisse auf Zeit mit anderen Parteien zu knüpfen. Wo andere Rechten „Links“ verketzern, geht sie manchmal auf die Linken zu und arbeitet auch gelegentlich mit ihnen zusammen.
In der sehr polarisierten Politiklandschaft der Niederlande hat van der Plas es dadurch geschafft, sich als Alternative darzustellen. Dabei bedient sie trotzdem auch sehr schroffe, rechtspopulistische Töne. Unter anderem dadurch konnte sie in den Provinzwahlen sowohl Wilders und Baudet im Rechtsaußenbereich des politischen Spektrums sowie auch der bürgerlich-rechten Christdemokraten und Ruttes rechtsliberalen VVD das Feld abgraben.
Wirkt der Erfolg länger?
Da es die Stickstoffkrise nicht immer geben wird, ist die Frage, wie nachhaltig ihr Erfolg sein wird. Van der Plas ist zweifellos eine talentierte, medienbewusste und anschlussfähige Politikerin, die ihrer Partei vielleicht einen Dauererfolg bringen könnte. In der Kampagne schien sie aber manchmal mit ihren Kräften am Ende geraten zu sein. Sicherlich ist die BBB machtorientiert genug für den Dauererfolg. Anders als viele ideologisch verbohrten rechten Träumer möchte sie Verantwortung übernehmen.
Es scheint auch so, als ob van der Plas und Co. sich bei der Zusammenstellung der Wahllisten darum bemüht haben, nur seriöse Kandidaten zu platzieren. Die Zustände in vielen der neuen, oft rechten Parteien, in denen es von schwachen und unberechenbaren Personen nur so wimmelt, wollte sie möglichst vermeiden.
Veränderte politische Landkarte
Jetzt, wo die Wahlzettel gezählt sind, stellt sich die Frage, wie sich der große Sieg der BBB auswirken wird. Insbesondere in den ländlich geprägten Provinzen scheint es unmöglich, Regierungskoalitionen ohne sie zu schmieden. Dadurch ist sicher, dass diese oft grenznahen Provinzen die von der Regierung vorgelegten Stickstoffpläne nicht einfach umsetzen werden.
Außerdem werden die zwölf Provinzparlamente Ende Mai eine neue Erste Kammer wählen. Dieser Senat mit 75 Sitzen kann wie der Deutsche Bundesrat Gesetze blockieren. Bisher war die vierte Regierung Ruttes schon von der Unterstützung einiger Senatoren aus der Opposition abhängig. Jetzt muss sie sich entweder mit der BBB oder mit der neuen Gemeinschaftsfraktion der Sozialdemokraten und Grünen verständigen – eine wirkliche Zerreißprobe für die heutige Regierungskoalition. Denn sie stützt sich ja auf zwei bürgerlich-konservative und zwei eher progressive Parteien.
Inhaltlich sowie politisch-strategisch müssen also neue Lösungen gefunden werden. Wenn einer es kann, ist es Rutte. Aber auch der längst regierende niederländische Ministerpräsident „Teflon-Mark“ muss einmal scheitern.
Unser Gastautor Prof. Dr. Jacco Pekelder ist Direktor des Zentrums für Niederlande-Studien der Universität Münster.