Wiedervernässung der Moore

Moor: nass, trocken, nass

Jahrhundertelang war die Kultivierung der Moore eine wichtige gesellschaftliche Aufgabe. Heute sollen Moorflächen wiedervernässt werden, um das Klima zu schützen. Mit weitreichenden Folgen.

Ortstermin bei Milchviehalter Hermann Buhrmester (60) in Hille: Ein großer Plan liegt breit auf dem Stubentisch. Abgebildet ist die Bastau-Niederung zwischen Wiehengebirge und dem Mittellandkanal im Mühlenkreis Minden-Lübbecke. Zusammen mit dem großen Torfmoor bildet die Bastau-Niederung das größte noch verbliebene Moorgebiet in Nordrhein-Westfalen.

C02 als neue Währung

Der Landwirt fährt mit dem Finger die auf der Karte schwarz eingezeichneten Konturen entlang: „Das sind 1800 ha Naturschutzfläche. Ringsum liegen mehrere landwirtschaftliche Haupt- und Nebenerwerbsbetriebe.“ Einer der Vollerwerbsbetriebe gehört ihm, einer Bio-Milchviehhalter Friedrich Kinkelbur (53) aus Haddenhausen. Von Buhrmester liegen 95 % und von Kinkelbur mehr als 80 % der Grünlandflächen mitten in dem geschützten Niederungsmoor- und Hochmoorbereich. Seit 40 Jahren steht das Gebiet unter Naturschutz. „Wir haben hier immer mit den Naturschutzmaßnahmen gelebt und gewirtschaftet. Und das, obwohl die Auflagen immer schärfer werden“, erzählt Buhrmester und Kinkelbur ergänzt: „Bislang hatte ich das Gefühl, die Belange von Landwirtschaft und Naturschutz passen unter einen Hut.“ Aber jetzt komme eine neue Dimension ins Spiel – das landwirtschaftlich genutzte Moor als CO2-Emittent, als Klimasünder. „Und plötzlich scheint man als Landwirt alles falsch zu machen. Ich dachte immer, solange ich den Boden nicht umpflüge, ist alles gut. Doch nicht umpflügen reicht nicht“, kommentiert der Biolandwirt.

Sicherung der Ernährung

Jahrhundertelang war die Trockenlegung der Moore politisch und gesellschaftlich gewollt. Der abgebaute Torf diente als Brennstoff und noch bis weit ins 20. Jahrhundert hinein wurden auch in Deutschland Moore trockengelegt, um fruchtbares Land zu gewinnen.

Die derzeit laufenden Torfabbaugenehmigungen enden weitestgehend bis zum Jahr 2050. Für das Jahr 2022 wird für Niedersachsen noch eine Abbaufläche von zirka 6000 ha angenommen. (Bildquelle: Hans-Joachim Schaffhäuser/www.hajo-naturfoto.de)

Ein Beispiel ist die Trockenlegung, und Urbarmachung weiter Moorgebiete im Emsland, die in Folge des am 5. Mai 1950 im Deutschen Bundestag beschlossenen Emslandplans erfolgte. Zu den Zielen gehörten unter anderem die Ansiedlung aus den deutschen Ostgebieten geflohener Landwirte und die Verbesserung der ungesicherten Ernährungslage. Heute, gut 70 Jahre später sieht die Lage (zum Glück) ganz anders aus. Die Ernährung der deutschen Bevölkerung ist gesichert und neben schon länger bedachten Natur- und Artenschutzzielen rückt der Klimaschutz das Moor in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit.

Moorböden: 7% der landwirtschaftlichen Fläche

Das hat seine Gründe: Moorböden machen in Deutschland nur rund 7 % der landwirtschaftlichen Fläche aus. Dennoch verursacht die landwirtschaftliche Nutzung der organischen Böden jedes Jahr rund 42,4 Mio. t CO2äq-Emissionen. Das sind etwa 6,7 % der deutschen Treibhausgasemissionen und nur etwas weniger als der Sektor Landwirtschaft (2021: 54,8 Mio. t CO2äq) über Tierproduktion, Mineraldüngereinsatz usw. emittiert.

Pro Hektar steigen aus entwässertem Moorboden jedes Jahr je nach Grad der Entwässerung 30 bis 50 t CO2äq in die Atmosphäre. Wandelt man Ackerland in Grünland (feucht und extensiv genutzt) um, lassen sich rund 15 t CO2äq-Emissionen je ha und Jahr vermeiden. Eine vollständige Vernässung bringt wesentlich höhere Emissionsminderungen (bis zu 35 t/ha). Ein riesiger Batzen.

Grasernte auf einer trockengelegten Moorfläche (Bildquelle: Martin Filter/K.L.-Team)

Ende mit den Treibhausgas-Emissionen

Für die Wissenschaft steht deshalb längst fest: Es muss ein Ende haben mit den Treibhausgas-Emissionen aus trockengelegten Mooren. Ansonsten lassen sich die deutschen Klimaziele nicht erreichen. Egal, wie groß die Bemühungen in anderen Bereichen sind. Pia Sommer, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Agrarökonomie der Universität Rostock, fasst es so zusammen: „Es ist keine Frage mehr, ob wir raus müssen aus der Entwässerung der Moore. Es ist nur noch eine Frage wie schnell und wie wir das bewerkstelligen können.“

Ein Muss: Raus aus der Entwässerung

Auch die Politik hat die Bedeutung der trockengelegten und landwirtschaftlich genutzten Moore für den Klimaschutz, für das Erreichen der Klimaziele längst erkannt. Besonders ambitioniert sind die Forderungen, die die EU-Kommission in diesem Sommer im Rahmen des Entwurfs zum Gesetz zur Wiederherstellung der Natur formuliert hat. Danach sollen bis zum Jahr 2030 EU-weit 30 % der organischen Böden (ehemalige Moore) wiederhergestellt werden, bis zum Jahr 2040 50 % und bis 2050 70 %. Ob dieser Umfang möglich und realistisch ist, ist auch bei Befürwortern der Wiedervernässung umstritten.

Doch auch die deutschen Ziele sind nicht ohne: Laut Bundesklimaschutzgesetz sollen die Emissionen aus trockengelegten Mooren bis zum Jahr 2030 jährlich um 5 Mio. t CO2äq sinken. Dazu bedarf es einer Wiedervernässung von mindestens 150  000 ha. Wie und wo das geschehen soll, ist offen.

Die Ernte von Schilf, einer Paludi-Kultur, die auf einer wiedervernässten Fläche wächst. (Bildquelle: Neumann)

Bereits unter der alten Bundesregierung hat das Bundesumweltministerium eine Moorschutzstrategie herausgegeben. Die neue Regierung arbeitet zurzeit an einer neuen Version, die noch in diesem Herbst erwartet wird. Ebenfalls mit dem Klimaschutz durch die Wiedervernässung von Mooren beschäftigen sich eine Bund-Länder-Zielvereinbarung vom vergangenen Herbst und das Aktionsprogramm natürlicher Klimaschutz, das bisher zwar nur in Eckpunkten vorliegt, den Moorbodenschutz aber als zentrales Thema aufgenommen hat und bis zum Jahr 2026 Fördermittel in Höhe von 4 Mrd. € verspricht.

Die Kernpunkte alle dieser Vereinbarungen, Strategien und Programme: Moorbodenschutz ist zur Erreichung der nationalen und internationalen Klimaziele unerlässlich. Der Schutz der Moorböden ist eine wichtige gesamtgesellschaftliche Aufgabe.

Wandelt man Ackerland in Grünland (feucht und extensiv genutzt) um, lassen sich rund 15 t CO2äq-Emissionen je ha und Jahr vermeiden. Eine vollständige Vernässung bringt wesentlich höhere Emissionsminderungen (bis zu 35 t/ha). (Bildquelle: J.-F. Kopf)

In vielen Regionen ist der Moorbodenschutz eine volkswirtschaftlich kostengünstige Klimaschutz-Maßnahme, die aber mit erheblichen sozioökonomischen Folgen verbunden sein kann. Ein Grundsatz der Bund-Länder-Zielvereinbarung ist dabei, dass die Teilnahme an Projekten zur Wiedervernässung für Grundeigentümer freiwillig ist. Einen geschlossenen Plan, wie, wann und wo genau die Wiedervernässung der trockengelegten Moore erfolgen soll und wie die Maßnahmen finanziert werden sollen, gibt es (noch?) nicht.

Unsicherheit und Angst

Was es gibt, sind regionale Modellprojekte. Modellprojekte wie etwa in der Bastau-Niederung in Minden-Lübbecke. Die beiden Landwirte Buhrmester und Kinkelbur haben sich getroffen, um über die Pläne des Kreises, der Städte Minden und Lübbecke und der Gemeinde Hille „zur Zukunft der Modellregion Bastau-Niederung“, wie es die Kooperationspartner nennen, zu diskutieren.

Die beiden Landwirte Herrmann Buhrmester (links) und Friedrich Kinkelbur arbeiten mit am Modellprojekt Bastau-Niederung. Hier könnte passieren, dass landwirtschaftliche Moorflächen wiedervernässt werden. (Bildquelle: Kopf)

Im Juli 2021 hat der Kreis Minden-Lübbecke dazu einen Moderationsprozess angestoßen. In dem Arbeitskreis sitzen neben Buhrmester und Kinkelbur weitere Vertreter aus Landwirtschaft, Wasserwirtschaft, Kommunen, Natur- und Klimaschutz. Weil die Konstellation Zündstoff für Konflikte birgt, moderiert eine externe Hamburger Agentur den Prozess. Stand heute: Es gibt ein Leitbild, das die Belange aller Beteiligten vereinen soll.Dabei steht die Wiedervernässung der Bastau-Niederung durchaus im Raum – auch wenn das bisher niemand so deutlich formuliert hat.

Keine Fläche, kein Futter, keine Milch

„Dann wird’s problematisch“, mahnen die Landwirte und nennen gleich mehrere Gründe: Auf wiedervernässten Flächen lässt sich nicht wirtschaften wie bisher. Den Milchviehhaltern fehlt dann Fläche, fehlt das Futter für ihre Kühe, fehlt der Rohstoff Milch. Das hat Auswirkungen auf die Nahrungsmittelproduktion in Deutschland.

Ein weiteres Problem sind ökologische Folgen, Auswirkungen auf den jetzt vorhandenen Artenbestand, auf Vögel und Fische. „Nach dem Starkregen im Jahr 2016 stand das Wasser auf der Fläche und begann zu faulen. Die Fische starben“, erinnert Kinkelbur. Das dritte Problem sind die wirtschaftlichen Folgen. Für die betroffenen Betriebe. Für die gesamte Region. „Das fängt bei Ertragsverlusten und erschwerter Bewirtschaftung an und geht beim Wertverlust für die betroffenen Flächen weiter“, sagt der 53-Jährige. Ihre Befürchtungen legen die Landwirte bei den Arbeitskreissitzungen auf den Tisch. Brauchbare Lösungen für ihre Probleme gibt es noch keine. Der Moderationsprozess läuft bis Ende des Jahres und ist derzeit ergebnisoffen.

Es bleibt nicht beim Alten

Aber dass alles beim Alten bleibt, daran glauben die Landwirte nicht. Sie gehen davon aus, dass der Druck aus Berlin wegen der CO2-Emissionen so stark ist, dass es wenige Alternativen zur Wiedervernässung gibt. „Und wenn es keine praktischen Lösungen für uns gibt, müssen wir Landwirte ein Preisschild an alle Maßnahmen hängen, die uns betreffen. Und die Gesellschaft muss den Preis für die Entschädigung zahlen“, fordern die beiden Milchviehhalter. Nach jetzigem Stand kommt für sie eine Wiedervernässung einer Enteignung gleich.

Die Flächen wiederzuvernässen ist nicht so einfach. Noch fehlen zudem Einkommensalternativen für betroffene Landwirte. (Bildquelle: Kopf)

Unruhe und Angst macht sich auch in andere Regionen Deutschlands breit. Dabei sind Moorflächen in Deutschland nicht gleichmäßig verteilt. Besonders betroffen sind die Bundesländer Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Bayern, Nordrhein-Westfalen mit knapp 46  000 ha und vor allem Niedersachsen. Rund 50 % der Moorflächen und organischen Böden Deutschlands, rund 670  000 ha liegen hier. Da gibt es viele Betriebe, die mit einem Teil ihrer Flächen, manchmal aber auch zu 100 % auf trockengelegten Moorstandorte wirtschaften. Betroffen sind die Landwirte. Aber auch die gesamte Region. Schließlich liegen auch Wohnhäuser, Gewerbebetriebe, Ortschaften, Straßen und Eisenbahnlinien in den Moorgebieten. Was passiert mit ihnen, wenn mit einer Wiedervernässung die Wasserspiegel in der Region flächendeckend steigen?

Eine Mammutaufgabe

Moorbodenschutz ist keine einfache Aufgabe. Um ans Ziel zu kommen, braucht es kein regionales Klein-Klein. „Wir brauchen eine ganzheitliche Strategie für einen tiefgreifenden, komplexem Transformationsprozess“, sagt die Wissenschaftlerin Pia Sommer und wünscht sich wie viele andere Experten eine Kommission, ähnlich der Kohlekommission. In der „Moorkommission“ sollten die Vertreter verschiedener Interessensgruppen und verschiedene Experten ausarbeiten, wie die Wiedervernässung der Moore möglichst schnell, aber auch sozialverträglich gestaltet werden kann. „Die Politik muss dann aber auch sicherstellen, dass die Ergebnisse der Kommissionsarbeit umgesetzt werden“, sagt sie.

Am wichtigsten sei zunächst ein langfristiges Ziel: Bis wann soll wieviele Fläche wiedervernässt werden und wann sollen alle potenziellen Flächen wiedervernässt sein? „Ein solcher Pfad mit einem konkreten Ziel fehlt bisher. Auch in der Nationalen Moorschutzstrategie. Er ist aber enorm wichtig, damit alle Akteure Planungssicherheit haben. Das verhindert auch Fehlinvestitionen zum Beispiel in einen neuen großen Stall“, erklärt Sommer.

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Was zusätzlich her muss, sind Daten. „Wir haben viel zu wenig Wissen: Wie ist die Torfmächtigkeit vor Ort? Wie die Hydrologie? Wie vernässe ich genau an diesem Standort richtig? Aber auch: Wem gehören die Flächen?“, sagt die Wissenschaftlerin. Das erschwert und verlängert Planung und Umsetzung der Wiedervernässung enorm, so dass schon kleine Flächen zum Problem werden können. Eine weitere Aufgabe der Politik, so die Wissenschaftlerin, ist es, die vielen bestehenden Hindernisse abzubauen: administrative Hindernisse, fehlende Ansprechpartner, fehlende Fördermöglichkeiten.

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Noch fehlen zudem Einkommensalternativen für betroffene Landwirte. Paludi-Kulturen, das Halten von Wasserbüffeln, der Bau von Photovoltaik-Anlagen auf Moorflächen. Das alles sind diskutierte Möglichkeiten, die jedoch längst nicht so ausgereift sind, dass sie sichere (Einkommens-)Alternativen bieten. Hier ist weitere Forschung und Enwicklung nötig. Auf jeden Fall braucht die Landwirtschaft Sicherheit, sagt Sommer. Sie müsse aber auch ihr Selbstbild ändern: Weg vom reinen „Wir produzieren Lebensmittel“ hin zu „Wir sind (auch) Ökosystem-Dienstleister“. „Das bedarf dann aber einer gesellschaftlichen Wertschätzung und eines monetären Ausgleichs“, sagt sie. Wichtig ist ihr: „Wir müssen jetzt gemeinsame Wege finden, entscheiden und schnell handeln. Auch damit es nicht zu plötzlichen ordnungsrechtlichen Regelungen oder Sofortmaßnahmen ohne Anpassungszeit kommt.“

Wer soll das bezahlen?

Die Seite der Landwirtschaft müsse sich überlegen und klar formulieren, was sie braucht. Hinauszögern, so Sommer, ist keine Alternative. Wichtig ist ihr auch folgendes: „Es geht nicht darum, den Menschen zu sagen, dass sie früher alles falsch gemacht haben. Die Entwässerung der Moore hatte damals einen hohen Stellenwert. Auf Grund des Wissenszuwachses bezüglich der hohen Emissionen aus entwässerten Mooren und des Klimawandels, ist es heute jedoch nicht mehr vertretbar die Moorflächen zu entwässern. Bei Strategie und Dialog zur Wiedervernässung sollte die historische und kulturelle Dimension anerkannt und berücksichtigt werden.“

Wer soll das bezahlen? Und die Finanzierung? Wiedervernässung ist teuer. Im Schnitt kostet sie rund 2500 € pro Hektar. Je nach regionalen Begebenheiten, wenn der Boden zum Beispiel zur Seite aber auch nach unten abgedichtet werden muss, um das Wasser auf der Fläche zu halten, kann es wesentlich teurer werden. Hinzu kommen langfristig Kosten für die Pflege, aber natürlich auch Entschädigungen für den Wertverlust der Flächen. Wer soll das bezahlen? „Moorschutz ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe“, sagt Sommer. „Daher braucht es für die betroffenen Bundesländer und Regionen einen überregionalen Finanzausgleich – ähnlich dem Braunkohleausstieg.“

Liegen die CO2-Emission auf den trockengelegten Flächen um 30 t CO2äq je Hektar höher als auf anderen landwirtschaftlichen Flächen und nimmt man nur den ab 2027 geltenden CO2-Preis aus dem Verkehrs- und Gebäudesektor von 60 €/t an, verursacht die Bewirtschaftung der Moorflächen jährlich CO2-Kosten von 1800 €. (Bildquelle: J.-F. Kopf )

Auch Trockenlegung kostet Geld

Leichter wird der Kostenfaktor vielleicht, wenn der Blick noch einmal auf die Trockenlegung fällt. Denn auch diese verursacht Folgeschäden und -kosten. „Auf trockengelegten Flächen zersetzt sich der Torf. Die Fläche sackt ab und vermulmt, dadurch kommt es auch in der Landwirtschaft zu Folgekosten durch zum Beispiel eine notwendige Erneuerung der Drainagen oder zu Ertagseinbußen. Es kommt aber auch zu Schäden an Häusern oder Straßen“, sagt die Wissenschaftlerin. Bedenkt man zudem die Klimafolgekosten, die durch die hohen CO2-Emissionen aus den trockengelegten Flächen entstehen, sieht die Rechnung sowie so noch ganz anders aus. Liegen die CO2-Emission auf den trockengelegten Flächen um 30 t CO2äq je Hektar höher als auf anderen landwirtschaftlichen Flächen und nimmt man nur den ab 2027 geltenden CO2-Preis aus dem Verkehrs- und Gebäudesektor von 60 €/t an, verursacht die Bewirtschaftung der Moorflächen jährlich CO2-Kosten von 1800 €. Das Umweltbundesamt empfahl für das Jahr 2021 mit Klimakosten von mindestens 201 €/t CO2 zu rechnen.

Ohne Zwillingsreifen läuft im Moor gar nichts. (Bildquelle: Martin Filter/K.L.-Team)

Folgt man dem, steigen die Kosten je Hektar auf über 6000 €. Bei dieser Annahme geht das Umweltbundesamt übrigens davon aus, dass wir die Wohlfahrt der heutigen Generation höher gewichten als die Wohlfahrt künftiger Generationen. Bei einer Gleichgewichtung stiege der CO2-Preis auf knapp 700 €, die Kosten je Hektar auf knapp 21  000 €. Zum Vergleich: Die Wertschöpfung, die sich von dem trockengelegten Flächen erzielen lässt, liegt heute bei rund 500 bis 1000 € je Hektar.

Die Wiedervernässung wird kommen

An der Wiedervernässung der Moore geht kein Weg vorbei. Das ist wie den beiden Landwirten Friedrich Kinkelbur und Hermann Buhrmester aus Minden-Lübbecke auch vielen anderen Landwirten bewusst. Zu ihnen gehört Heino Klintworth. Er ist Vorsitzender des Kreisbauernverbandes Land Hadeln und Bürgermeister in der Gemeinde Armstorf im Kreis Cuxhaven, 80 km nördlich von Bremen und 100 km westlich von Hamburg.

Heino Klintworth, Vorsitzender des Kreisbauernverband Land Hadeln und Bürgermeister in der Gemeinde Armstorf im Kreis Cuxhaven, fordert einen kooperativen und verträglichen Moorschutz. (Bildquelle: Kopf )

Der 43-Jährige hält 130 Milchkühe und bewirtschaftet 100 ha Grün- und Ackerland. Sein Betrieb liegt im am Rande des Langenmoor. Aktuell befinden sich hier 700 ha in der Renaturierung. Klintworth spricht sich für den Moorschutz, aber gegen Schnellschüsse und pauschale Vorgaben aus. Den Ansatz Klimaschutz stellt er nicht in Frage, aber die Umsetzung muss tragbar sein. „Wir kommen in Deutschland nicht aus der Kurve, was CO2 angeht. Und Moore sind CO2-Speicher. Da muss was passieren“, betont er. Doch Moorschutz, findet er, funktioniert nicht mit der Brechstange „made in Berlin und Brüssel“, bei der 70 bis 80 % der Flächen wiedervernässt werden sollen. Das zeigt sich exemplarisch bei ihm vor der Haustür. Das Gelände im Hochmoor Langenmoor ist an diesem Herbsttag nur mit festem Schuhwerk zu erreichen. Es ist total uneben, Naturraum eben.

Gewaltige Höhenunterschiede

Ein Wirtschaftsweg führt durch das Gebiet ins Hochmoor. Links liegen die Ländereien bis zu einem Meter tiefer als rechts vom Weg. Selbst auf einem einzelnen Stück Land betragen die Höhenunterschiede bis zu 75 cm. Das Hochmoor selbst ist in der Region teilweise 6 bis 8 m hochgewachsen. „Hochmoore sind keine geraden Tische oder Fußballfelder und Wasser läuft kein Gefälle hinauf, “, sagt der Praktiker. Um das kultivierte Land gleichmäßig wiederzuvernässen, müssen die Flächen abgebaggert und mit Poldersystemen versehen werden. Dabei muss die Wasserzufuhr gesichert sein. Das Regenwasser wird seiner Ansicht nach nicht reichen, schon gar nicht in niederschlagsarmen Sommern bei Temperaturen über 35 °C. „Es ist ein riesiger finanzieller Aufwand“, sagt er. „Und wohin mit dem Boden, wenn allein 40 cm tief abgebaggert werden muss? Allein bei 1 ha wären das 40 Lkw-Ladungen“, skizziert der Landwirt weiter, „es wird erst einmal tonnenweise CO2 anfallen, um später CO2einsparen zu können.“

Etwa 30 km von Amrstof liegt das Aschhorner Moor. Das Aschhorner Moor ist Teil des großen Kehdinger Moorgürtels, der sich zwischen Stade und Oederquart auf rund 22 km Länge vor mehreren tausend Jahren entwickelt hat. Neben der landwirtschaftlichen Nutzung des weitgehend entwässerten Hochmoores fand und findet in diesem Gebiet noch Torfabbau statt. (Bildquelle: Hans-Joachim Schaffhäuser/www.hajo-naturfoto.de)

Ob die Einsparziele dann tatsächlich erreicht werden? Klintworth bezweifelt das. Er vermisst tragfähige Konzepte. „Wir haben hier ganz andere Bedingungen als etwa in Forschungsprojekten wie in Greifswald. Was dort als Projekt angelegt ist, funktioniert anderswo in der Realität mit spezifischer Geologie und Physik vor Ort noch lange nicht“, moniert der Landwirt. An die Gemeinde Armstorf grenzen zwei große Moorflächen – eigentlich perfekte Flächen für die Wiedervernässungspläne. Aber mitten in dem einst kultivierten Grünland liegen Siedlungen. „Da wohnen Menschen. Sie müssten alle umgesiedelt werden und woanders neu anfangen, weil die Häuser platt gemacht werden. Macht sich über ihre Schicksale jemand Gedenken?“, verdeutlicht Klintworth den Ernst der Lage.

Vielerorts (hier Ahlenfalkenberg, Kreis Cuxhaven) forschen Wissenschaftler an Projekten zur Wiedervernässung. (Bildquelle: J.-F. Kopf )

Auch er findet: „Die Wiedervernässung hat für Ortschaften wie unsere die Dimension eines Kohlelaussteigs.“ Schon jetzt mit Bekanntwerden der Pläne zur Wiedervernässung rauschen die Immobilienpreise in den Keller, weil niemand weiß, ob das Haus, das er heute kauft, morgen noch was wert ist. Kapitalanlage, Familienheim adieu. „Das hat in etwa die Wirkung wie eine Endlagersuche. Wohlhabende Hamburger Bürger verlieren plötzlich das Interesse, aufs platte Land zu ziehen“, berichtet er.Moorschutz funktioniert für ihn nicht mit eindimensionalen Karten, Projekten unter standardisierten Bedingungen oder vom Reißbrett. Es geht nur spezifisch und kleinteilig. Für jede einzelne Region schlägt er vor, alle Karten übereinanderzulegen sowie die Geologie und Wasserverfügbarkeit zu prüfen. Die Beteiligten müssten mit den Betroffenen vor Ort und nicht über sie und den Ort entscheiden. „Vielleicht lassen sich sechs oder acht Projekte umsetzen“, benennt der Bürgermeister die Pläne in seinem Landkreis, „damit muss der Kreis Vollzug nach Berlin melden und sagen ,mehr geht nicht‘“. Und bei alledem läuft die Zeit. „Moorschutz ist eine Jahrhundertaufgabe“, sagt er.

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Zum Schutz des Klimas und der Artenvielfalt sollen zukünftig mehr Feuchtgebiete und intakte Moore wiederhergestellt werden, das hat das Umweltministerium NRW angekündigt.

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