Die schmalen Erzeugerpreise decken gerade einmal die Kosten. Das ist für Milchviehhalter zu wenig, um zu leben - aber zu viel, um zu sterben. „Ja, wir Landwirte sind Unternehmer, aber wir sind auch Menschen. Wir Junglandwirte können uns keine einzige Fehlentscheidung mehr leisten“, erkärte Katharina Leyschulte, Milcherzeugerin aus Westerkappeln im Tecklenburger Land. „Oft werde ich gefragt: Warum tust du dir das überhaupt an?“ Die junge Frau atmete tief durch: „Weil wir einen Traum haben. Mein Wunsch für die Zukunft ist, einen Stall genehmigt zu bekommen mit viel Tierwohl für die Kühe.“ Damit sprach die Junglandwirtin beim digitalen Milchtag des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverband (WLV) am Freitag vielen Kollegen aus der Seele.
Angespannte Situation auf Milchviehbetrieben
Auch die 28-jährige Bettina Hueske aus Südlohn, Münsterland, rechnete den Teilnehmern vor: „Ich bekomme zwischen 33 und 34 Cent/kg Milch ausgezahlt. Die Erzeugung kostet mir aber 38 Cent/kg Milch.“ Wenn sie auch die Arbeit entlohnen wolle, brauche sie etwa 40 Cent/kg Milch. Bekomme sie 4 Cent/kg mehr Milchgeld für Tierwohl, decke das gerade einmal die Erzeugungskosten. Deshalb forderte die Milchbäuerin: „Wir müssen mehr Grundpreis schaffen!“
Die Situation auf den Milchviehbetrieben spitzt sich zu. Zum niedrigen Milchpreis kommen wachsende Anforderungen an Umwelt- und Tierschutz auf die Landwirte zu. Das sei Ursula Heinen-Esser, Landwirtschaftsministerin in NRW, bewusst. Sie dankte den Milchviehhaltern dafür, dass sie trotz Corona zu jeder Zeit Milch liefern.
Staat soll sich nicht in Milchmarkt einmischen
Trotz der schwieriger Marktsituation wollen die meisten Milchviehhalter nicht, dass sich der Staat in den Milchmarkt einmischt, um ihre Situation zu verbessern. Das zeigte zumindest eine Blitzumfrage unter den mehr als 300 Teilnehmern des WLV-Milchtags. Darin stimmten 67 % gegen eine Einmischung des Staates und nur 19 % dafür. Der Milchpräsident des Deutschen Bauernverbands (DBV), Karsten Schmal, und WLV-Milchpräsident Wilhelm Brüggemeier plädierten für höhere Verbindlichkeiten zwischen Verarbeitern und Milchbauern, aber gegen staatliche Eingriffe.
Forderung von Landwirten nach mehr Milchgeld
Zu den Protesten der Landwirte auf der Straße und vor Handelszentren positionierte sich der Chef des Deutschen Milchkontors (DMK) Ingo Müller: „Es ist gut, dass gerade alle den Dialog über die gesamte Wertschöpfungskette suchen.“ Er mahnte aber gleichzeitig, dass dieser Dialog transparent und lösungsorientiert geführt werden müsse. „Mögliche Schnellschüsse in einer aufgeheizten Debatte dürfen am Ende aber nicht zu einem Bumerang für uns alle werden und nur für einige wenige der Heilsbringer sein.“
Er fügte hinzu, dass die gesamte Branche ein Interesse an höheren Milchpreisen habe: „Aber dieses Interesse vertreten wir in jeder verdammten Verhandlung mit dem Lebensmitteleinzelhandel (LEH).“ Allerdings richte sich der zu erzielender Marktpreis nach Angebot und Nachfrage, Verbraucherverhalten und global agierenden Marktakteuren. Auch befinde sich gerade der europäische Markt nicht immer im Gleichgewicht.
Bei der Nachfrage, die Verarbeiter müssten etwas unternehmen, wurde Müller emotional: „Wir kämpfen jeden Tag für jeden Cent. Aber wir sind auf dem europäischen Markt und können den Markt nicht renationalisieren!“ Der Selbstversorgungsgrad bei Milch liege nun einmal bei 115 %. „Wollen für einen nationalen Markt, müssen wir auch regeln, wer weniger produziert.“
Sektorstrategie 2030: Eine Chance für die Branche
Eine Chance sieht Müller in der Sektorstrategie 2030. Ebenso der DBV-Milchpräsident Schmal: „Mit der Sektorstrategie 2030 will die Branche das Zepter selbst in die Hand nehmen und eigene Impulse setzen. Zum Teil ist das auf dem Weg, zum Teil noch nicht.“
Zuspruch bekamen sie von NRW-Landwirtschaftsministerin Heinen-Esser, insbesondere für die Branchenkommunikation: „Ich leide unter dem Wegfall der CMA und bin deshalb froh über die Branchenkommunikation Milch.“
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