Für Jochen Borchert ist die Sache glasklar: „Wenn wir mehr Tierwohl wollen, brauchen wir öffentliches Geld“, sagte der ehemalige Bundeslandwirtschaftsminister. Als Vorsitzender des Kompetenznetzwerkes Nutztierhaltung hat er in den vergangenen Monaten einen mehrstufigen Plan zum Umbau der Tierhaltung in Deutschland bis 2040 erarbeitet.
Dieser Umbau zu mehr Tierwohl ist für Borchert zwingend. Denn die Gesellschaft habe ihre Ansprüche an die Nutztierhaltung in den vergangenen Jahren deutlich erhöht. Tierwohl haben einen höheren Stellenwert als die wirtschaftliche Situation der Betriebe, hätten sogar Gerichtsurteile gezeigt. „Deshalb brauchen wir den Umbau. Sonst wandert die Produktion ins Ausland ab und Gerichtsurteile verschärfen die Produktionsbedingungen in Deutschland“, so Borchert, der im gleichen Atemzug sagt: „Wenn die Gesellschaft Tierwohl als öffentliches Gut sieht, ist dafür auch öffentliches Geld gerechtfertigt.“
Ein Systemwechsel
Der Erlös eines Schweinemästers könnte sich so aus dem Marktpreis für Schweinefleisch sowie einen Tierwohlzuschlag zusammensetzen. Dieser Tierwohlzuschlag soll die höheren Kosten decken, die sich zu 20 % aus Investitionskosten und 80 % höheren Produktionskosten entstehen.
Gerade für Schweinehalter ist das ein Systemwechsel – weg vom Markt, hin zu einer gewissen staatlichen Abhängigkeit. Die Skepsis darüber war gestern unter den Landwirten bei der Diskussionsrunde „Umbau der Tierhaltung – Wer soll das bezahlen?“ auf Haus Düsse, zu der die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft eingeladen hatte, förmlich zu spüren. Borchert antwortete darauf: „Strom aus Biogasanlagen oder Windkraftanlagen wäre ohne Zuschuss nicht wettbewerbsfähig. Dort klappt es, warum soll es in der Nutztierhaltung nicht gelingen?“
Tierwohlabgabe
Er gibt aber zu, dass noch Fragen offen sind. Zum Beispiel, ob so ein Zuschlag mit dem EU-Recht vereinbar sei. „Das ist zu klären. Wir dürfen nicht in eine Mautfalle tappen“, sagte er.
Der Umbau der Tierhaltung kostet in der Endstufe 2040 rund 3,6 Mrd. € jährlich. Zur Finanzierung hat die sogenannte Borchert-Kommission verschiedene Vorschläge erarbeitet, von der Selbstverpflichtung des Handels bis zur Anhebung der Mehrwertsteuer. Die Experten empfehlen eine mengenbezogene Abgabe auf tierische Produkte: 40 Cent/kg Fleisch, 2 Cent pro Ei und 1 Liter Milch, 15 Cent/kg Butter. „Für den Durchschnittsverbraucher sind das Mehrkosten von 35 € pro Jahr oder 70 Cent pro Woche. Das ist zumutbar“, sagte Borchert.
TA-Luft ausbremsen
Volle Zustimmung bekam er dafür von NRW-Landwirtschaftsministerin Ursula Heinen-Esser. Sie fordert sogar: „Diese Tierwohlabgabe müssen wir unbedingt noch vor der nächsten Bundestagswahl verabschieden.“
Auf die Bremse tritt die Ministerin dagegen bei weiteren Verschärfungen zum Umweltrecht. Denn: Beim Neu- oder Umbau zu mehr Tierwohl entsteht oft ein Zielkonflikt mit dem Umweltschutz, da Tierwohlställe höhere Emissionen haben können. Deshalb versprach Heinen-Esser: „NRW wird der Änderung der TA-Luft nicht zustimmen, wenn das Tierwohl nicht berücksichtigt ist.“