Herr Berghorn, die Kampagne „Mag doch jeder“ feiert in Kürze den ersten Geburtstag. Ihr Fazit?
Berghorn: Absolut positiv. Landwirte zu motivieren, selbst Geld in die Hand zu nehmen für Imagearbeit, ist schwer. Das wussten wir vorher. Wir haben jetzt knapp 1000 Unterstützer. Das ist ein gutes Zwischenergebnis, aber wir wollen natürlich mehr.
Die 1000 Unterstützer wollten Sie bereits zu Ostern dieses Jahres erreicht haben. Was glauben Sie sind die Gründe, warum sich Landwirte nur zögerlich beteiligen?
Berghorn:Es gab im Wesentlichen zwei Gründe: Zunächst hat uns die Corona-Krise ausgebremst. Wir hatten in diesem Frühjahr noch mehrere Abendveranstaltungen in WLV-Ortsverbänden geplant, in denen wir Landwirten unser Konzept vorstellen wollten. Diese sind leider ausgefallen. Um Unterstützer zu gewinnen, ist das persönliche Gespräch entscheidend. Dabei müssen wir erklären, warum in der heutigen Gesellschaft selbstfinanzierte Imagearbeit der Bauern so wichtig ist. Wir müssen mehr nachdenken über Wahrnehmung, weniger über Wahrheit. Der zweite Grund für die Zurückhaltung vieler Bauern ist meiner Ansicht nach, dass wir Anfang des Jahres noch nicht so viel Formate produziert hatten, um deutlich zu machen, wohin wir mit der Kampagne wollen. Das ist jetzt anders.
Wie viel Geld haben Sie zur Verfügung?
Berghorn:Wir werden in den nächsten Tagen den Lastschrifteneinzug durchführen. Wir haben dann 550.000 € netto zur Verfügung, um die Kampagne in den nächsten zwölf Monaten weiter auszubauen. Wir wollen weiter wachsen – sowohl mit Blick auf die Inhalte der Kampagne als auch die Zahl der Unterstützer.
Herr Nienhaus, Sie sind neu gewählter Beiratsvorsitzender. Was reizt Sie an dieser Aufgabe?
Nienhaus: Die öffentliche Wahrnehmung der Landwirtschaft beschäftigt mich schon lange. Mit „Mag doch jeder“ lässt sich etwas Neues gestalten, und das ist auch nötig. Wir Landwirte haben mit wenigen Ausnahmen nicht gelernt, unsere Produkte selbst zu vermarkten. Es herrscht größtenteils Abliefermentalität. Das muss sich ändern. Wir müssen das Marketing und die Imagearbeit selbst in die Hand nehmen.
"Wir ernähren auch Veganer"
Welche neuen Ideen möchten Sie einbringen und umsetzen?
Nienhaus: Neue Ideen sind gar nicht nötig, das Fundament hat die Kampagne schon gegossen: Wir müssen über das Produkt an die Verbraucher ran und einen Bezug zur Landwirtschaft herstellen. Und das ist über das tägliche Essen eigentlich ganz einfach. Denn wir ernähren alle, den Fleischesser, aber auch den Veganer. Das Ganze flankiert mit unseren Hofgeschichten macht es rund und authentisch. Denn die Einblicke in die Landwirtsfamilien verdeutlichen, wie wir Nahrungsmittel produzieren.
Als „Bocholter Landschwein“ sind Sie in den Sozialen Netzwerken sehr aktiv. Sehen wir künftig etwas ähnliches von Ihnen für „Mag doch jeder“?
Nienhaus: Verknüpfen lässt sich das nicht, aber ich bringe eine Erfahrung mit ein: Transparenz ist gut! Wir sollten offen kommunizieren, wie wir Landwirtschaft betreiben und Tiere halten. Wir müssen das proaktiv angehen und keinesfalls Angst vor Transparenz haben.
Es gibt zwei Herausforderungen: Innerhalb der Landwirtschaft mehr Unterstützer finden, außerhalb der Landwirtschaft mehr Gehör finden. Fangen wir im Berufsstand an: Wie kann es gelingen, dass mehr Landwirte mitmachen?
Nienhaus: Wir haben jetzt 1000 Multiplikatoren, das ist schon einmal sehr gut. Allerdings müssen wir diesen jetzt auch zeigen, was wir können. Und, dass ihr Geld gut investiert ist. Das motiviert im Idealfall weitere Landwirte, uns zu unterstützen. Wir sind stark in den Sozialen Netzwerken unterwegs, das nehmen insbesondere ältere Landwirte nicht so wahr. Deshalb müssen wir stärker kommunizieren. Ein Instrument ist unser erster Jahresbericht. Er erscheint Ende Juli und zeigt, was wir tun und warum wir es tun.
Können auch Landwirte außerhalb der Grenzen Westfalen-Lippes mitmachen?
Berghorn: Das Projekt ist vom Grundsatz her überregional angelegt und dafür sind wir auch offen. Wir müssen uns jetzt aber zunächst in Westfalen-Lippe beweisen und die Sichtbarkeit erhöhen.
"Wir wollen uns künftig auch kontroversen Themen widmen"
Wie kann die Kampagne mit den Botschaften noch stärker zu Verbrauchern vordringen?
Berghorn: Unser Ziel ist Dialog. Dieser gelingt uns trotz der wenigen Monate, in denen wir erst online sind, schon recht gut. In den Sozialen Netzwerken haben wir eine beachtliche Interaktionsrate von mehr als 7 %. Die Menschen sehen und lesen unsere Inhalte nicht nur, sie kommentieren diese auch und suchen den Dialog. Wir erreichen nachweislich unsere Hauptzielgruppe, die städtische Bevölkerung. Nachdem wir bisher relativ unstrittige Themen ausgespielt haben, wollen wir uns künftig auch den kontroverseren Themen rund um den Einsatz von Pflanzenschutz- und Düngemitteln oder Fragen zur Tierhaltung zuwenden.
Ein analoges Kommunikationsmittel sind die Werbesäulen mit dem Slogan „Mag doch jeder“. Versteht jeder Verbraucher, dass damit Imagewerbung für die Landwirtschaft gemeint ist?
Berghorn: Die Pylonen sind ein Störer, damit erzeugen wir Aufmerksamkeit. Klar ist aber, dass es Zeit, Kontinuität und eben Geld braucht, bis wir die Masse der Verbraucher damit vertraut gemacht haben. In diesen Tagen geht unser Webshop zur Kampagne online. Mit weiteren Werbeartikeln wollen wir noch stärker in die Fläche gelangen, wollen die Reichweite und Sichtbarkeit unserer Imagearbeit erhöhen.
Nienhaus: Die Vision ist natürlich, dass wir deutschlandweit präsent sind und unsere Kampagne unmittelbar vor den Nachrichten im Fernsehen läuft. Aber das ist halt eine Budgetfrage.
Kann aus der Corona-Krise eine Chance für Ihre Botschaften werden?
Nienhaus: Ich glaube schon. Alle, Landwirte und Verbraucher, haben erkannt, dass Größe und Zentralisierung auch Grenzen und Nachteile haben. Der Weg geht zurück zur Regionalität, das war ein Stück weit sogar schon vor Corona so. In der Fleischbranche zum Beispiel dürfte Produktion, Schlachtung und Vermarktung zumindest wieder ein bisschen bunter werden. Das spielt „Mag doch jeder“ in die Karten. Wir schlagen die Brücken zwischen Landwirten und Verbrauchern.
Berghorn: Der WLV lässt gerade umfangreich untersuchen, ob und wie sich die Wertschätzung für die Landwirtschaft in der Corona-Krise entwickelt hat. Hier erwarten wir spannende Ergebnisse.
Wo steht die Kampagne am Jahresende?
Nienhaus: Wir haben unsere Reichweite und Sichtbarkeit deutlich erhöht, erreichen dadurch auch mehr Dialog mit der Gesellschaft. Und spätestens Ostern 2021 haben wir 2000 Unterstützer.
„Landwirt schafft Leben“ im Überblick
- Die Initiative hat sich im Sommer 2018 gegründet. Ziel: Landwirte zeigen Verbrauchern authentisch, wie und mit welcher Haltung sie Lebensmittel produzieren. Das soll die Wertschätzung steigern und das Image der Landwirtschaft aufpolieren.
- Kernelement dafür ist die Kampagne „Landwirtschaft – Mag doch jeder“. Sie läuft seit Sommer 2019 und setzt sich aus verschiedenen Elementen zusammen, zum Beispiel: Internetseite mit Informationen sowie Hofgeschichten, Werbesäulen als Blickfang für Verbraucher, Aufkleber auf Fahrzeugen, Webshop.
- Das Projekt finanziert sich über freiwillige Beiträge. Aktuell unterstützen fast 1000 Bauernfamilien aus Westfalen-Lippe die Aktion. Sie stufen sich in Abhängigkeit ihres Umsatzes selbst ein und zahlen zwischen 100 und 2000 € pro Jahr.
- Gesellschafter der „Land schafft Leben GmbH“ sind bisher der Westfälisch-Lippische Landwirtschaftsverband (WLV) und der Raiffeisenverband Westfalen-Lippe (RVWL)
- Geschäftsführer ist Hans-Heinrich Berghorn, der auch Pressesprecher beim WLV ist. Neu gewählter Vorsitzender des zehnköpfigen Beirats ist Dirk Nienhaus, Schweinehalter aus Bocholt.