Die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe sinkt. Dennoch bleibt die Zahl der Auszubildenden in NRW konstant. Das klingt nach einem Widerspruch. Doch immer mehr Kinder, die nicht vom Hof kommen, entscheiden sie für diesen Weg.
Die umfassende Ausbildung wird oft als Sprungbrett für Uni oder Fachhochschule gesehen. Auch in anderen Spaten sind gelernte Landwirte gerne gesehen. Wir haben am Wilhelm-Normann-Berufskolleg in Herford mit Azubis über ihre Motive gesprochen. Sie eint, dass sie aus Überzeugung den Beruf ergreifen wollen.
Lern was „Gescheites“
Daniel Kottenbrink erinnert sich noch gut an die Worte seiner Eltern: „Lern erst mal etwas Gescheites und mach nicht gleich die Ausbildung zum Landwirt.“ Ihr Argument: So sei er in Zukunft flexibler auf dem Arbeitsmarkt, falls es mit Hof im Haupterwerb nicht mehr klappen sollte. Seine Eltern führen einen Betrieb mit 600 Mastschweineplätzen und 30 Rindern in Rahden im Kreis Minden-Lübbecke.
Obwohl Daniel gerne sofort nach der Realschule mit der Lehre zum Landwirt begonnen hätte, hörte der heute 21-Jährige auf seine Eltern und machte eine Ausbildung zum Landmaschinenmechatroniker. Ihm war vorher schon klar, dass er danach noch die Lehre zum Landwirt macht. Denn daran hängt sein Herz.
Die erste Ausbildung bereut er aber nicht. „Ich habe viel gelernt und konnte so die Lehre zum Landwirt verkürzen. Außerdem brauche ich kein Gesellenjahr für die Fachschule“, erzählt er.
Zurzeit absolviert Daniel sein letztes Ausbildungsjahr auf einem Milchviehbetrieb in Espelkamp. Seine zwei Schwestern haben weniger Interesse an der Landwirtschaft und arbeiten in anderen Berufen. Vermutlich wird er den Hof übernehmen. Sein Vater hat aber noch einige Jahre bis zum Ruhestand. Bis dahin möchte Daniel aber Präsenz auf dem Hof zeigen.
Bei seinen Mitschülern beobachtet er: Eine Gruppe möchte beim Lohnunternehmen Trecker fahren, eine weitere den Hof übernehmen und eine dritte Gruppe möchte studieren.
Zurück in den Haupterwerb
Andere Betriebe und andere Böden – das wollte Marie Utsch kennenlernen. Daher zog es sie von Rheinland-Pfalz nach Ostwestfalen. Gegenwärtig arbeitet die 21-Jährige auf einem Milchviehbetrieb in Lichtenau im Kreis Paderborn.
Zu Hause im Westerwald haben ihre Eltern einen Nebenerwerbsbetrieb mit 150 Bullen in der Mast und Forstwirtschaft im Haupterwerb. Eine ihrer Schwestern wird die Forstwirtschaft weiterführen. Marie hingegen möchte gerne die Landwirtschaft übernehmen und sie wieder im Haupterwerb betreiben. Dazu möchte sie den Betrieb mit Milchkühen aufstocken.
Erfahrungen rund ums Milchvieh sammelt sie in der Lehre und möchte im Anschluss die Fachschule besuchen, um das Wissen zur Betriebsleitung zu vertiefen.
Sie wohnt auch auf dem Lehrbetrieb. „Man muss mit der Familie klarkommen“, bringt sie es auf den Punkt. Ihr Fazit dazu: Wer auf den Betrieb wohnt, opfert meist mehr Freizeit, lernt aber auch mehr.
Auf jeden Fall studieren
Der 20-jährige Paul Röthemeyer kommt aus Hüllhorst im Kreis Minden-Lübbecke. Dort haben seine Eltern im Nebenerwerb Grünland, Ackerbau und Forstwirtschaft. Das einzige Kind der Familie absolviert sein letztes Lehrjahr auf einem Betrieb mit Schweinehaltung im geschlossenen System in der Nachbarschaft. „Der Betrieb ist schuld daran, dass ich eine Lehre begonnen habe. Das Arbeitsklima ist einfach klasse“, sagt er. Dort hat Paul schon während der Schulzeit gearbeitet und sich vollends mit dem Virus „Landwirtschaft“ infiziert.
Den Lehrbetrieb hat er in den zwei Jahren seiner Lehre nicht gewechselt. Danach will der Ostwestfale aber weg: Zum Agrarstudium möchte er entweder nach Kiel oder Weihenstephan. „Zu Hause wartet zu viel Arbeit auf mich. Dann wird das nichts mit dem Studium.“ Später möchte er auf dem Hof die Direktvermarktung weiter ausbauen. Parallel würde er gerne als Pflanzenbauberater arbeiten.
Kein Tag wie der andere
Leonie Hübner hat mal drei Tage in einem Autohaus zur Probe gearbeitet. „Nach dem ersten Tag wusste ich: Das ist nichts für mich“, erzählt die 21-Jährige aus Melle im Landkreis Osnabrück. Mittlerweile packt sie auf einem Milchviehbetrieb in Halle, Kreis Gütersloh, mit an und ist glücklich, sich für die Ausbildung zur Landwirtin entschieden zu haben.
Ihre Eltern haben keinen Betrieb. Sie hat aber viele Freunde und Bekannte, die vom Hof kommen oder in der Landwirtschaft beschäftigt sind. In der Schulzeit hat sie begonnen, auf einem Milchviehbetrieb zu arbeiten. Während des Abiturs durfte sie dann schon selbstständig melken. „Mir macht die Arbeit mit den Tieren unheimlich Spaß. Das Draußensein und dass kein Tag wie der andere ist, macht für mich den Beruf aus“, sagt sie.
Auch das Treckerfahren hat Leonie für sich entdeckt. Im vergangenen Frühjahr hat sie den Führerschein gemacht. Was sie nervt, sind dumme Sprüche von Passanten, wenn sie als Frau auf dem Schlepper sitzt. Anstrengend sind manchmal die Generationskonflikte auf dem Lehrbetrieb – dann, wenn Junior- und Seniorchef unterschiedlicher Meinung sind. Ihr Ausbilder nimmt sich aber immer Zeit, ihr alles zu erklären.
Ihr Plan für die nahe Zukunft lautet: die Fachschule in Herford. Zuvor steht aber erst ein Gesellenjahr beim Betriebshilfsdienst an.
Bruder auch Landwirt
Die Eltern von Jonathan Hunold haben zu Hause in Rheda-Wiedenbrück im Kreis Gütersloh keinen Hof. Dennoch hat sich der 19-Jährige nach dem Abi für die Lehre zum Landwirt entschieden. Weder Lehrer noch Freunde machte der Schritt stutzig. Denn Jonathan schwärmte schon als Kind für die Landwirtschaft. Früh fuhr er beim Nachbarn auf dem Trecker mit. Seit der 8. Klasse hat er in den Ferien auf einem Hof in der Nachbarschaft mitangepackt.
In der Nähe zu seinem Elternhaus ist auch sein aktueller Lehrbetrieb. Dort hält sein Ausbilder Puten und betreibt eine Biogasanlage. Das erste Jahr seiner auf zwei Jahre verkürzten Ausbildung verbrachte er auf einem Milchviehbetrieb.
Direkt für ein Agrarstudium hat Jonathan sich nicht entschieden. „Ich wollte vorher noch mehr praktische Erfahrung sammeln“, sagt er. Sein Bruder hat auch Landwirt gelernt. „Ich wusste, was auf mich zukommt.“ Trotz Abi sollte man das Niveau an der Berufsschule nicht unterschätzen. „Manche Inhalte liegen mir mehr, manche weniger.“ Mittlerweile schwankt Jonathan, ob er anstatt an die Uni nicht doch an die Fachschule gehen soll. Später sieht er sich in der Beratung.
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