Der ländliche Raum in Deutschland entspricht bereits jetzt dem bestmöglichen Kompromiss zwischen unterschiedlichen Nutzungen wie Landwirtschaft, Forsten und Naturschutz. Massive Landnutzungsänderungen, die sich auf einzelne Ziele wie etwa die Maximierung der biologischen Vielfalt oder der Speicherung von Kohlenstoff konzentrieren, wären für die meisten Landnutzer nachteilig.
Das sind zwei Ergebnisse unserer wissenschaftlichen Studie, in der wir die Folgen von Landnutzungsänderungen untersucht und mit Daten von Interessengruppen und Ökosystemleistungen kombiniert haben.
Das Land anders nutzen?
Landressourcen werden immer knapper, da immer mehr Nutzer um vorhandenen Raum ringen. In Deutschland sind diese Konflikte beispielsweise zwischen Naturschützern und landwirtschaftlichen Interessen bei der Einrichtung von National- und Windparks zu beobachten. Angesichts globaler Krisen könnten diese Spannungen weiter zunehmen, da Forderungen nach drastischen Veränderungen der Landnutzung laut werden. So fordert der BUND eine Ausweitung der Waldflächen in Deutschland um 10 %. Auch die Partei Bündnis 90/Die Grünen fordert eine Ausweitung von Schutzgebieten. Hingegen nimmt der Bauernverband den Ukraine-Krieg zum Anlass, um die Versorgungssicherheit und die Bedeutung von landwirtschaftlichen Flächen in den Vordergrund zu rücken.
Damit stellt sich die Frage, wie sich größere Veränderungen bei der Gestaltung unserer Landschaften auf die unterschiedlichen Nutzungsinteressen auswirken. Die Daten für unsere Studie wurden in drei Regionen in Nord- (Schorfheide-Chorin), Mittel- (Hainich) und Süddeutschland (Schwäbische Alb) erhoben. Wir befragten Vertreterinnen und Vertreter unterschiedlicher Interessengruppen wie etwa Landwirte, Anwohner, Touristiker oder Förster. Außerdem haben wir ökologische Daten von lokalen Wäldern und Grünlandflächen erhoben. Anschließend konzipierten wir unterschiedliche Szenarien der Landnutzung und bewerteten ihre Auswirkungen auf verschiedene Interessengruppen. Da beispielsweise der Schutz der biologischen Vielfalt zu einer wichtigen Aufgabe der Landwirtschaft und der regionalen Entwicklung zählt, haben wir untersucht, welche Landnutzungsänderung die biologische Vielfalt am besten schützen würde. Unsere Simulation zeigt, dass eine starke Ausweitung von extensivem Grünland auf Kosten der Waldfläche und dem damit verbundenen Nutzen ginge. Da alle Akteure bis zu einem gewissen Grad an den forstlichen Ressourcen interessiert sind, war dieses Szenario für jede einzelne Gruppe nachteilig: für Landwirte, Forstwirte und Naturschutzverbände gleichermaßen.
Das Gleiche galt für alle Szenarien, die lediglich eine Art von Nutzung in den Vordergrund stellt. So wäre eine umfangreiche Aufforstung nötig, um die Kohlenstoffspeicherung in den Wäldern auszuweiten und einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Dies würde jedoch dazu führen, dass weniger Flächen für die Grünlandbewirtschaftung oder die Viehzucht zur Verfügung stünden – mit entsprechenden Auswirkungen auf die Interessen der Landwirtschaft oder des Naturschutzes.
Der goldene Mittelweg
Unsere Ergebnisse zeigen, dass großflächige Veränderungen nachteilig erscheinen. Allerdings könnte es immer noch möglich sein, den ländlichen Raum so zu verändern, dass dieser den Nutzen für alle Nutzer auf gerechte Weise erhöht, ohne die Interessen einer einzelnen Gruppe zu beeinträchtigen. Wir konnten jedoch feststellen, dass die gegenwärtige Landschaftsgestaltung in den untersuchten Regionen diesem Optimum sehr nahekommt. Hier sind lediglich Anpassungen nötig, um die „bestmögliche Landschaft“ zu schaffen, d. h. eine Landschaft, die den besten Kompromiss zwischen den Bedürfnissen aller Interessengruppen bietet. Dies könnte daraus resultieren, dass in den untersuchten Regionen, in denen Biosphärenreservate und Nationalparks liegen, seit Langem ein Ausgleich zwischen dem Schutz der biologischen Vielfalt und lokalen wirtschaftlichen Interessen besteht.
Als „ideales“ Szenario für die untersuchten Gebiete, das die Interessen mehrerer Gruppen am stärksten berücksichtigt, hat sich eine moderate Zunahme der (Misch-)Waldflächen und eine leichte Abnahme der Grünlandflächen gezeigt. Es bleibt zu prüfen, ob solche Veränderungen ausreichen, um die Landschaften nachhaltig zu gestalten und damit auch in Zukunft für die Gesellschaft zu erhalten.
Unser Ausblick
In Zeiten von Spannungen und Krisen muss die Flächennutzungsplanung die Interessen möglichst vieler Landnutzer anerkennen und einen Kompromiss zwischen ihnen finden. Massive Landnutzungsänderungen zur Förderung der biologischen Vielfalt oder zur Abschwächung des Klimawandels wären derzeit für die meisten Nutzer nachteilig und könnten tief greifende Prioritätenänderungen der Menschen erfordern, um gesellschaftlich akzeptiert zu werden.
Indem wir die Ansichten der gesamten ländlichen Bevölkerung einbeziehen, zeigen wir, wie wichtig es ist, die unterschiedlichen Interessen in der Gesellschaft zu berücksichtigen, wenn wir nach Lösungen für die großen Herausforderungen der nachhaltigen Landnutzung suchen.
Unsere Gastautoren Margot Neyret, Sophie Peter und Peter Manning arbeiten im Senckenberg-Forschungszentrum für Biodiversität und Klima in Frankfurt.
Der Forschungsbeitrag ist hier zu finden: Neyret, M., Peter, S., Le Provost, G. et al. Landscape management strategies for multifunctionality and social equity. Nat Sustain (2023). https://doi.org/10.1038/s41893-022-01045-w
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