Drei massige weiße Rinder stehen auf der Weide entlang der Einfahrt zum Hof der Familie Kreuzheck in Münster-Gievenbeck. Mit ihrem weißen glänzenden Fell, den dunklen kugeligen Augen und der Größe von bis zu 180 cm fallen die Tiere schon von Weitem auf. Sie gehören zur weltweit größten Rinderrasse, den Chianina-Rindern, und sind eine Seltenheit in Deutschland.
„Das sind Ida, Giovanna und Ella“, sagt Alexander Kreuzheck. Ihm gehören die drei Tiere. Er arbeitet zusammen mit seinen Eltern und zwei Auszubildenden auf dem Familienbetrieb. Alexander hat nach seinem Fachabitur eine zweijährige landwirtschaftliche Ausbildung gemacht und dann dreieinhalb Jahre in Osnabrück Landwirtschaft studiert.
„Das war eine tolle und erfahrungsreiche Zeit“, erinnert sich der 29-Jährige. Doch damit nicht genug. Nach zwei Jahren als Angestellter auf dem elterlichen Betrieb sucht er neue Perspektiven und hat noch mal mit einer Ausbildung begonnen.
Nische kennen und nutzen
„Ich sehe mich in zehn Jahren nicht als großen Tiermäster, sondern erfolgreich in einer Nische“, blickt Alexander nach vorne. Daher hat er sich vor zwei Jahren die Chianina-Rinder angeschafft. Sie sind Teil seiner Pläne. Der Gievenbecker will ihr Fleisch direkt vermarkten. Sein Ziel ist es, italienische Restaurants mit dem besonders zarten und saftigen Fleisch der Rasse zu beliefern. „Bekannt ist vor allem das Steak nach Florentiner Art“, sagt er.
Seit 2018 vermarktet die Familie Kreuzheck einen Teil ihrer Tiere selbst. Nach Bedarf zerlegt Alexanders Onkel Klaus Nüßing die Schweine und Rinder. Dieser ist gelernter Metzgermeister und verarbeitet das Fleisch für den Verkauf. Für das Verpacken und Vermarkten ist dann Alexander zuständig.
In die Fußstapfen des Onkels
Nun tritt er in die Fußstapfen des Onkels. Alexander hat mit der Lehre zum Metzger begonnen. Er möchte, dass sowohl die Aufzucht, das Schlachten als auch das Verarbeiten und der Verkauf bei ihm stattfinden. Dabei geht das Können als Landwirt und Metzger ineinander über. Das Tier braucht den Hof nicht mehr zu verlassen.
„Wir bieten so die größtmögliche Transparenz für den Kunden“, betont der Landwirt. Vor allem durch die Corona-Zeit hat sich das Denken der Verbraucher verändert, meint er. Die Kunden wollen ihr Fleisch dort kaufen, wo sie den Werdegang der Tiere nachvollziehen können.
„Um diesen Schritt zu erreichen, bilde ich mich zum Metzger weiter“, beschreibt der Bachelorabsolvent die Motive für seine zweite Ausbildung. Durch seinen landwirtschaftlichen Abschluss kann er die Lehre auf zwei Jahre verkürzen. So startete er vergangenes Jahr im September in die Ausbildung bei der Fleischerei Hidding in Nordwalde.
Dort lernt der Landwirt das Schlachten und Zerlegen sowie das Verkaufen von bis zu 400 verarbeiteten Fleischprodukten. „Die Vielseitigkeit des Berufes finde ich besonders spannend“, sagt der 29-Jährige. Ihm gefällt sowohl der Kundenkontakt und das Beraten beim Verkauf als auch das Schweinezerlegen und die Herstellung von Wurst und Pasteten.
Im ersten Jahr seiner Lehre lag der Schwerpunkt vor allem auf dem Schlachten und Verarbeiten von Schweinefleisch. In der zweiten Hälfte steht das Zerlegen von Rindern auf dem Plan. „Im Endeffekt ist es nicht viel anders, nur deutlich kraftaufwendiger“, weiß der angehende Metzger.
Eine Herausforderung waren die vielen Gewürze und unterschiedlichen Rezepturen. „Da kam es schon einmal vor, dass ich das Kochsalz mit dem Pökelsalz vertauscht habe“, erinnert er sich lächelnd. Doch inzwischen hat er Routine.
Herstellen regionaler Wurst
In der Berufsschule in Rheine lernt Alexander ein- bis zweimal in der Woche den theoretischen Teil der Metzgerausbildung. Dort frischt er Grundlagen wie das Wissen über verschiedene Rinderrassen auf. Das kennt er schon aus der landwirtschaftlichen Ausbildung.
Er erfährt aber auch mehr über Mindesthaltbarkeitsdaten, hygienische Vorschriften und Fachbegriffe der Teilstücke. „Wir haben dort sogar ein Werbeplakat erstellt“, berichtet der Metzger-Azubi. In der Ausbildung können verschiedene Schwerpunkte gewählt werden. Dazu zählen Schlachten, Wursten und Konservieren sowie Verpacken, Kochen und Verkaufen. „Ich konzentriere mich auf die Herstellung regionaler Wurstspezialitäten und den Verkauf“, sagt Alexander.
Bisher kaum Kundenkontakt
Momentan hat er noch keinen Kundenkontakt, da der Landwirtssohn das Schweine- und Rinderfleisch der Kreuzhecks an andere Händler vertreibt. Im Verkaufshäuschen befreundeter Landwirte bietet er die frische Ware gekühlt zur Selbstbedienung an. Die Kunden bezahlen auf Vertrauensbasis. Für Burgerpattys hat er eine Imbissbude in der Nähe begeistern können. Ihm ist es wichtig, dass seine Produkte regional angeboten werden.
Auch eine Agravis-Filiale in der Nähe hat sein Grillfleisch ins Sortiment aufgenommen. Bisher vermarktet er fast alles frisch, bis auf Grillfleisch, Hackfleisch und Burgerpattys. Auch Rostbratwurst und grobe Bratwurst sind im Angebot. Abgelaufene Ware kommt kaum vor. „Wenn wirklich mal etwas über dem Haltbarkeitsdatum ist, dann verwerten wir als Familie die Reste“, sagt Alexander.
Seine Eltern und vier Geschwister unterstützen ihn bei seinen Plänen. Seine ehemaligen Studienkollegen und Freunde wunderten sich aber, dass der Bachelorabsolvent nun eine weitere Ausbildung macht. Doch auch Lob erntet er für seinen Mut und seine Ideen. „Schwierig ist nur, alles unter einen Hut zu bringen“, gesteht der Praktiker. Die Arbeit auf dem Hof, die eigene Vermarktung, die Lehre sowie Familie, Freunde und Freundin erfordern ein sehr gutes Zeitmanagement.
Meisterschule geplant
Nach der Ausbildung zum Metzger folgt die Meisterschule. Diese dauert noch einmal sechs Monate. „Nur mit der Meisterausbildung darf ich einen eigenen Betrieb führen und dort schlachten und wursten“, berichtet der Azubi. Danach plant er den Umbau des Hofes. Auch wenn das noch Zukunftsmusik ist, hat er sich bereits überlegt, wo die Räume für das Zerlegen und Weiterverarbeiten in Zukunft sein sollen.
Die Chianina-Rinder stellen hier einen festen Bestandteil dar. In zwei Jahren wird er das erste Fleisch vermarkten können. „Auch wenn es ein Wagnis ist, bin ich überzeugt, dass es funktioniert“, sagt Alexander Kreuzheck und blickt stolz auf seine drei Mädels.
Mehr interessante Ideen hier