Laut BGH-Urteil vom 27.4.21 können Kunden Geld für Kontogebühren zurückfordern. Welche Bedingungen hierbei gelten und was Sie tun müssen, erklärt Finanzberater Rudolf Schüller, Westfälisch-Lippische Versicherungs- und Unternehmensberatungsgesellschaft mbH Münster/Saerbeck, im Experteninterview. Außerdem: Musterschreiben für Rückforderungen.
Was bisher gewesen ist
Ändern Banken und Sparkassen ihre Preise oder Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB), informieren sie ihre Kunden. Bisher war es so: Hat der Kunde nicht in einer bestimmten Frist widersprochen, galt sein Schweigen als „Änderung angenommen und damit vereinbart“. Dieses Vorgehen ist falsch. „Schweigen ist keine Zustimmung“, urteilt der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe (Az. XI ZR 26/20).
Das Urteil des BGH: Schweigen ist keine Zustimmung
Frage: Herr Schüller, was hat es mit dem Urteil des BGH vom 27. April dieses Jahres auf sich?
Rudolf Schüller: Der Bundesverband der Verbraucherzentralen hat die Postbank verklagt und erreicht, dass bestimmte Klauseln in den AGB der Bank für ungültig erklärt wurden. Nachdem nun nicht nur das Urteil, sondern auch die ausführliche Begründung der Richter dazu veröffentlicht sind, können die Folgen für die gesamte Kreditwirtschaft dargestellt werden. Konkret geht es darum, dass die Postbank Änderungen, etwa bei Kontoführungsgebühren und bei Zinsen, ohne ausdrückliche Zustimmung der Kunden vorgenommen hat, und sich dabei auf Formulierungen in ihren AGB stützte, die nun auch vom BGH verworfen wurden.
Frage: Warum ist dieses Urteil so entscheidend?
Rudolf Schüller: Bis jetzt musste der Kunde Preiserhöhungen – weil Senkungen meines Wissens praktisch nicht vorgekommen sind – der Postbank entweder hinnehmen oder, wenn er damit nicht einverstanden war, aktiv widersprechen. Mit dem aktiven Widerspruch setzt sich der Kunde der Gefahr aus, dass die Bank dann die Fortführung der Geschäftsbeziehung verweigerte, im Klartext: kündigte. Zukünftig muss sich die Bank bei diesen Änderungen das ausdrückliche Einverständnis des Kunden einholen. Verweigert er das, gilt es nicht mehr als Zustimmung, sondern als Ablehnung.
Weitreichende Folgen hat das Urteil auch deshalb, weil es mindestens für alle Fälle seit dem 1. Januar 2018 gilt. Denn Ansprüche gegen die Bank aus unzulässigen Preiserhöhungen verjähren erst nach Ablauf von drei Jahren. Es kann sogar sein, dass eine Verjährungsfrist von zehn Jahren gilt – das ist noch nicht entschieden. Preiserhöhungen seit Anfang 2018 fallen aber auf jeden Fall darunter.
Frage: Gilt das Urteil auch für diejenigen, die nicht Kunde der Postbank sind?
Rudolf Schüller: Ja, der BGH hat die Urteilsbegründung so weitreichend formuliert, dass davon auszugehen ist, dass die AGB fast aller Banken und Sparkassen betroffen sind.
Zu hohe Gebühren erstatten lassen
Frage: Werden zu hohe Gebühren jetzt automatisch erstattet?
Rudolf Schüller: Davon ist leider nicht auszugehen. Die Kunden müssen die zu hohen Gebühren zurückfordern. Dafür muss der Kunde zunächst prüfen, ob er tatsächlich betroffen ist. Also im ersten Schritt klären, ob es seit 2018 Erhöhungen gab. Dann muss er in die AGB schauen, ob dort die bestimmten Klauseln (siehe unten „Anspruch auf Erstattung?“) auch enthalten sind. Treffen beide Punkte zu, kann der Kunde Rückforderungsansprüche der Bank gegenüber erklären.
Was ist noch zu beachten?
Das Urteil gilt nicht nur für Kontoführungsgebühren, sondern womöglich auch für Depotgebühren. Im Zweifel sollte man sich Rat bei der Verbraucherzentrale, einem Anwalt oder anderen fachkundigen Stellen holen. Neben dem BGH hat auch der Europäische Gerichtshof mit Urteil vom 11. Januar 2020 (Az. C–287/19) entschieden, dass bei Änderungen von Bedingungen zulasten der Verbraucher stets zu prüfen ist, ob das fair war oder nicht.
Das Urteil gilt für Verbraucher
Nicht zuletzt: Das Urteil gilt für Verbraucher. Unternehmer müssen nach der aktuellen Rechtsprechung diese Änderungen hinnehmen. Inwieweit sich hier eine Änderung der Rechtsprechung ergeben wird, wie vor einigen Jahren beim Urteil zu Bearbeitungsgebühren bei Krediten und Darlehen, bleibt abzuwarten.
Einen Musterbrief für Rückforderungsansprüche schicken wir Ihnen als Serviceleistung gern zu. Schreiben Sie an: redaktion@wochenblatt.com, Betreff: „Musterbrief“. Hier können Sie das Schreiben downloaden.
So prüfen Sie Ihren Anspruch auf Erstattung
Grundsätzlich haben Sie Anspruch auf Erstattung, wenn die AGB Ihrer Bank oder Sparkasse folgende Klauseln enthalten:
- Änderungen der AGB müssen mindestens zwei Monate vor der Änderung in Textform angeboten werden.
- Sie stimmen zu, wenn Sie nicht innerhalb dieser zwei Monate Widerspruch einlegen.
- Eine Sonderkündigungsmöglichkeit wurde Ihnen eingeräumt.
Diese Klauseln waren in der Regel in den AGB unter Nr. 1 Absatz 2 bzw. Nr. 12 Absatz 5 bei Banken und bei Sparkassen unter den Nummern 2 Absätze 1 bis 3 sowie Nr. 17 Absatz 6 zu finden.
Erste Kreditinstitute haben ihre AGB inzwischen bereits geändert. Als Kunde müssen Sie daher schauen, welche AGB bis April 2021 gültig waren. Danach prüfen Sie, beispielsweise anhand der Kontoauszüge oder anderer Scheiben der Bank (auch in Ihrem elektronischen Postfach bei der Bank), ob Preiserhöhungen oder andere Änderungen aufgrund der genannten AGB-Absätze vorgenommen wurden.
Sie können dann ohne Aufstellung der Kosten die zu hohen Gebühren zurückfordern. Sinnvoll ist allerdings, zu prüfen, wie hoch eine Erstattung ausfallen kann. Dazu gehören neben Kontoführungsgebühren auch Entgelte für Kontoauszüge, Ein- und Auszahlungen sowie SMS beim Onlinebanking.
Beispielrechnung: 184 € werden erstattet
Die Kontoeröffnung erfolgte 2016, das Konto wurde zunächst ohne Gebühren geführt. Im März 2018 erhebt die Bank erstmals Kontogebühren von 4 € je Monat. Im Juli 2020 sind es 6 €. Dann beträgt der Anspruch 28 x 4 € (für März 2018 bis Juni 2020) und 12 x 6 € für den Zeitraum Juli 2020 bis einschließlich Juni 2021. Das ergibt einen Anspruch von 184 € zuzüglich Zinsen.
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