Ursprünglich wollte Stefan Schmidt für drei Monate nach Irland und dort verschiedene Milchviehfarmen besuchen. Sein Ziel: Erfahrungen und Eindrücke mit dem irischen Weidesystem und der Swing-Over-Melktechnik sammeln. Der Junglandwirt überlegt, in welche Melktechnik er zukünftig auf dem elterlichen Betrieb investieren möchte. Er führt mit seiner Familie einen Biomilchviehbetrieb in Brilon-Rösenbeck.
Blick über den Tellerrand
Ende Februar machte Schmidt sich auf die Reise nach Dublin – damals ahnte er noch nicht, dass ihn das Corona-Virus schon nach vier Wochen zurück nach Deutschland holen würde. Angekommen auf der ersten Milchviehfarm nördlich von Dublin ging es für Stefan Schmidt auch sofort mit der Arbeit los: Um 6 Uhr morgens versorgte er die frisch abgekalbten Kühe und ihre Kälber. Alle Kälber bekommen direkt nach der Geburt 3 l Biestmilch verabreicht (getränkt, nicht gedrencht). Die Kühe erhalten bei Milchfiebergefahr einen Calcium-Bolus. Direkt im Anschluss hieß es: Melken im 24-Swing-Over-Melkstand.
Zu der Milchviehfarm gehören zwei Standorte: Der eine ist direkt am Wohnhaus (hier verbrachte der 23-Jährige auch die meiste Zeit) und der andere ist ein gepachtetes Klostergut, etwa 30 Minuten entfernt. Am Hof stehen 350 Kühe in einem modernen Stall mit neuen Treibewegen zum Grünland. Die Herde besteht aus den Rassen Holstein-Friesian, Jerseys und Kiwi-Cross.
„Ein Stallplatz kostet hier etwa 4000 €, Siloanlagen und Melktechnik inbegriffen. Die Baupreise sind insgesamt viel günstiger als in Deutschland“, erklärt der Landwirt. Auf dem gepachteten Klostergut stehen etwa 250 Kühe, die Zahl soll zukünftig auf 450 Tiere aufgestockt werden. In dieser Herde sind bisher nur Holsteins zu finden. Der Pachtpreis liegt nur bei etwa 100 €/ha.
Auf beiden Betrieben melken die Landwirte mit der Swing-Over-Technik. „Deshalb wollte ich unter anderem nach Irland. Hier ist das Melksystem sehr verbreitet, in Deutschland ist es nicht besonders beliebt“, so der Sauerländer. Er berichtet begeistert: „Morgens um 6 Uhr habe ich alleine angefangen. Das Weidetor aufgemacht, die Kühe sind mir hinterhergelaufen in Richtung Melkstand und dann habe ich mit dem Melken begonnen. Die Swing-Over-Technik ermöglicht es problemlos, alleine zu melken.“ Um 7 Uhr kam dann der Chef und hat die letzten Kühe von der Weide getrieben, da hatte Schmidt schon die Hälfte der Herde gemolken. „Der 24-er-Swing-Over- Melkstand hat mich auf jeden Fall überzeugt. Einen kleineren möchte ich auf meinem Betrieb haben.“
Melken ohne Tamtam
Aber auch der ganze Melkvorgang ist in Irland anders als in Deutschland. Das Geschirr wird direkt angesetzt, ohne Vormelken oder Reinigung der Striche. „Ich bin mir sicher, dass die Iren mit anderen Toleranzwerten arbeiten als wir“, fügt er mit einem Zwinkern hinzu. Auch die Milchleistung variiert stark zu Deutschland. Die Landwirte auf der Insel rechnen wie die Neuseeländer in Milk Solids. Es kommt auf die Inhaltsstoffe Fett und Eiweiß an, weniger auf die Milchmenge. Deshalb hat der Betrieb auch viele Jerseys in der Herde.
Im Durchschnitt gibt eine Kuh 6500 kg Milch im Jahr. Die Milchpreise sind in Irland etwas niedriger als in Deutschland. „Die Milch geht komplett in den Export“, weiß der 23-Jährige. Lachend fügt er hinzu: „Die Iren machen sich gar keine Sorgen um die Auswirkungen von Corona oder dem Brexit. Sie glauben: Menschen werden immer Milch trinken.“
Kühe kalben über Tag
Auf dem Betrieb, den Stefan Schmidt besuchte, kalben alle Kühe saisonal. Das ist typisch für Irland. Der Höhepunkt der Kalbungen ist im Februar. Manche Betriebe splitten die Arbeitsspitze auch auf Frühjahr und Herbst. Die Milch ist auf der Insel ein Saisongeschäft.
Die Trockensteher stehen in einer Strohhalle. Sie bekommen nur nachts Futter, damit sie über Tag kalben. „Das klappt erstaunlicherweise wirklich“, wunderte sich der Sauerländer zu Beginn. „Ich habe 80 Kalbungen erlebt, die waren alle über Tag und nur ein Kalb lag falsch herum.“ In der Kalbesaison kontrollieren die Landwirte die Tiere stündlich. Die Kälber kommen nach der Kolostrumgabe direkt zu acht in einen Stall und bekommen Milch aus der Milchbar. „Besonders bei den Kälbern achten die Landwirte auf die Hygiene. Sie haben Angst vor Durchfallerkrankungen. Dann wären alle Tiere eines Jahrgangs krank.“ In der ersten Lebenswoche stehen alle Kälber zusammen, egal ob Bullen- oder Kuhkälber. Dann werden sie in Gruppen nach Rasse, Geschlecht, Nachzucht oder Verkaufstieren getrennt.
Die Bullenkälber verlassen mit zehn Tagen den Betrieb. „Männliche Jerseykälber werden nach Holland verschifft“, berichtet Schmidt bedrückt. Für die anderen Bullenkälber bekommen die Landwirte etwa 50 € pro Tier. Einige werden aber auch teurer über Auktionen vermarktet. Insgesamt belegt der Landwirt die Tiere, die nicht zur Nachzucht gebraucht werden, mit einer Fleischrasse. Die Nachfrage nach weiblichen Kälbern ist gut. Sie werden häufig von anderen Betrieben gekauft. Mit einem Alter von vier Wochen kommen die Kälber auf die Weide und werden auch dort getränkt.
Corona: Schnell nach Hause
Aus dem Plan von Stefan Schmidt, drei Monate lang in Irland zu bleiben und verschiedene Betriebe zu besuchen, wurde nichts. Das Corona- Virus funkte ihm dazwischen: „Die Landwirte hatten Angst, dass ich das Virus bringen könnte“, erzählt der junge Mann. Und auch in Deutschland spitzte sich die Situation im März zu, sodass der Sauerländer die letzte Möglichkeit nutzte und wieder nach Hause flog. „Aber, wenn dieser ganz Spuk vorbei ist, möchte ich auf jeden Fall noch mal rüber.“
Wir haben Stefan Schmidt in unseren sozialen Netzwerken unter #stefaninirland begleitet.