Ist Bitcoin die neue Anlageklasse mit Zukunft? Tesla-Chef Elon Musk fährt auf Bitcoin ab. Anleger sollten sich nicht täuschen lassen. Denn der „Rockstar unter den Kryptowährungen“ ist unberechenbar. Finanzexperte Prof. Dr. Hartmut Walz kennt die Tücken und gibt Anlegern in seinem folgenden Beitrag einen persönlichen Rat.
Bitcoin sorgt für Schlagzeilen
Wie ein Rockstar liefert Bitcoin Schlagzeilen. Kaum ein Tag vergeht, an dem nichts über den Bitcoin zu hören oder zu lesen ist. Auf alle Fälle sind die Nachrichten stets extrem positiv oder extrem negativ und ziehen die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit geradezu magisch an. Das wiederum hat Folgen.
Erst verbietet China den Bitcoin. Folge: Der Kurs fällt. Dann erlaubt man ihn wieder und sagt ihm eine großartige Zukunft voraus: Der Bitcoin-Kurs schießt nach oben. Tesla-Chef Elon Musk, der zeitweise reichste Mensch der Welt, kauft für 1,7 Mrd. US-$, umgerechnet 1,4 Mrd. €, mit Tesla-Geld – nicht mit eigenem – Bitcoin, um kurze Zeit später wieder 10 % abzustoßen. Schließlich erwägen die USA eine stärkere Besteuerung von Bitcoin und die Türkei verbietet digitale Währungen.
Der Bitcoin-Hype
Nachrichten von zahlreichen Betrugsfällen mit Bitcoin machen die Runde und rund ein Viertel aller Bitcoin-Bestände sollen bereits unwiederbringlich verloren sein, da die Besitzer mit technischen Problemen wie defekten Datensticks oder Festplatten kämpften oder schlichtweg das Passwort vergessen hatten.
Bitcoin ist keine Währung
Auch wenn Bitcoin als prominentester Vertreter von Kryptowährungen gilt, sollte man sich bewusst machen, dass er im wirtschaftlichen Sinne keine Währung – also kein Zahlungsmittel – darstellt, sondern eher ein Spekulationsobjekt. Am ehesten lässt sich der Bitcoin mit Gold vergleichen.
- Beide stiften „eigentlich“ keinen Nutzen, denn sie werfen keine „Früchte“ wie Dividenden, Zinszahlungen oder Miet- und Pachteinkünfte ab.
- Beide beziehen ihren Wert lediglich aus der Anerkennung von Menschen, die bereit sind, für Gold und Bitcoin Geld zu investieren.
- Beide sind nur begrenzt verfügbar und nicht beliebig vermehrbar.
- Bei Gold sorgen die begrenzten Vorkommen auf der Erde und steigende Förderkosten für die nötige Knappheit. Beim Bitcoin sorgt hierfür angeblich ein Algorithmus, der die Schaffung zusätzlicher Einheiten immer aufwendiger und teurer macht. Das Vertrauen der Investoren in diesen Algorithmus ist sehr bemerkenswert. Denn wer kennt ihn schon, wer hat ihn wirklich verstanden und wer kann ihn kontrollieren?
- Typische Eigenschaften einer Währung im Sinne eines Zahlungsmittels hat der Bitcoin entweder niemals besessen oder sogar während der vergangenen Jahre wieder verloren. Seine hohen Wertschwankungen machen den Bitcoin zum Bezahlen unattraktiv, weil er völlig unberechenbar ist.
- Zudem ist die technische Umsetzung von Bezahlvorgängen im Vergleich zu modernen Alternativen wie zum Beispiel Kartenzahlungen viel zu langsam und zu teuer. Es war zwar vor ein paar Jahren sehr schick, in einer Berliner Szenebar einen Drink in Bitcoin zu bezahlen. Aber schon heute sind andere Dinge „hip“ und die Anzahl der Bezahlpartner und Bezahlstellen für Bitcoin nimmt ab.
Bitcoin, der Rockstar
Mehrere rasante Kursanstiege bis hin zum Rekordkurs von knapp 65 000 US-$, umgerechnet knapp 54 400 €, machten den Bitcoin zum Rockstar der ungefähr 5000 Kryptowährungen. Im Frühjahr 2021 besaß er einen Marktanteil von rund 60 % aller Kryptowährungen. Bereits die beiden nächstwichtigsten Kryptowährungen Etherum/Ether und Tether mit Marktanteilen von 11,6 % und 4,6 % kennen nur noch wenige. Experten schätzen, dass um oder über 90 % der Kryptowährungen schon wieder pleite bzw. tot sind. Doch das tut dem Bitcoin-Hype keinen Abbruch.
Befeuert wird dieser durch die ständig kommunizierte Begrenzung der Bitcoin-Anzahl. Was besonders viele junge Menschen dazu antreibt, zu jedem Preis in Bitcoin zu investieren, weil sie von der Sorge getrieben werden, etwas Unwiederbringliches zu verpassen, wenn sie keine Bitcoin besitzen. Ein solches Herdenverhalten gibt es immer mal wieder. Man denke nur an die Tulpenzwiebel-Blase in den 1630er-Jahren, als eine Zwiebel für den Wert eines Eigenheims den Besitzer wechselte.
Finanztipps für Investoren
Jemand, der heute Bitcoin erwirbt, tut das nicht zum Bezahlen, sondern zum Spekulieren, was natürlich legitim ist. Sparern und Investoren, die über Bitcoin als Anlageklasse nachdenken, kann ich aus Sicht eines langjährigen neutralen Marktbeobachters zwei mögliche Vorgehensweisen empfehlen.
Möglichkeit (1): Sie ignorieren den Hype um den Bitcoin und halten sich raus, da Sie die Risiken höher als die Chancen bewerten. Denn zu den Gefahren gehört nicht nur ein Sinken oder Absturz des Bitcoin-Kurses, sondern auch technische, rechtliche und nicht unerhebliche Betrugsrisiken, die je nach Art der Bitcoin-Investition auf Sie lauern. Sie haben verstanden, dass die „Säuglingssterblichkeit“ bei jungen, innovativen Anlagen besonders hoch ist und meiden diese. Wenn Sie Inflationsängste oder Sorge um den Euro haben, erwerben Sie keine Bitcoin, sondern lieber Gold oder andere Edelmetalle.
Möglichkeit (2): Nach dem Motto „Alles kann passieren – auch das Gegenteil“ erweitern Sie Ihre Reserven um maximal 5 % um Kryptowährungen. Wenn Sie nicht extrem erfahren und ein Technik-Freak sind, rate ich hierbei wegen technischer Anforderungen sowie der Betrugsrisiken vom direkten Kauf ab. Nutzen Sie stattdessen einen Exchange Traded Commodities (ETCs, börsengehandelte Rohstoffe) oder Exchange Traded Notes (ETN, börsengehandelte Inhaberschuldverschreibungen); beides „Brüder“ der Exchange Traded Funds (ETFs, börsennotierte Indexfonds, siehe Wochenblatt-Folgen 8 und 12/2021). Achten Sie ausnahmsweise angesichts hoher Schwankungen des Bitcoin-Preises nicht zu sehr auf laufende Kosten (Total Expense Ratio, TER, Gesamtkostenquote) des Produktes, sondern auf einen möglichst bekannten und bewährten ETF-Anbieter, der Kauf und Verkauf auch in turbulenten Zeiten gewährleistet. Neutrale Seiten wie JustETF geben einen guten Überblick.
Rat des Finanzexperten: Ich selbst habe die Möglichkeit (1) gewählt und keine Investments in Kryptowährungen getätigt. Mein persönlicher Rat an Sie lautet: Hände weg.
Kryptowährung und digitales Zentralbankgeld
Einige Staaten bzw. deren Notenbanken, darunter China, Schweden, die Schweiz und auch die Eurozone haben bereits digitales Zentralbankgeld eingeführt oder stehen vor der Bereitstellung. Die Europäische Zentralbank (EZB) kündigt die Einführung eines digitalen Euro innerhalb der nächsten fünf Jahre an. Digitale Zentralbankwährungen sind jedoch gerade keine Kryptowährungen. Letztere sind sozusagen privat geschaffene Währungen, ihre Wertentwicklung ist durch Angebot und Nachfrage getrieben. Bei Kryptowährungen gibt es keine öffentliche Institution wie z. B. eine Zentralbank, die eine Geldmengensteuerung betreibt und das Zinsniveau der Währung steuert. Solange Kryptowährungen ein Nischendasein führen, stört das die Zentralbanken vielleicht wenig und sie beobachten die Entwicklung lediglich. Sollten Kryptowährungen jedoch in der Breite erfolgreich werden, könnte eine starke Regulierung oder auch ein Verbot (wie zum Beispiel zunächst in China und aktuell in der Türkei) erfolgen. Es wäre geradezu naiv, anzunehmen, dass sich die Zentralbanken ihr Währungsmonopol wehrlos wegnehmen lassen.
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