Der Tagespiegel (Berlin)
Statt auf smarte Lösungen hat Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) lange auf plakative Restriktionen gesetzt und damit die Bauern auf die Straße getrieben. Die Ministerin sieht sich als Lobbyistin für die Umwelt, das sagt sie selbst über sich. Was für eine NGO passt, ist für ein Regierungsmitglied zu kurz gedacht – politisch wie ökologisch. Es ist politisch falsch, weil es Landwirte radikalisiert. Auch besonnene Jungbauern gehen jetzt auf die Straße aus Angst um den elterlichen Hof und finden sich plötzlich in Gesellschaft von Rechtspopulisten. Gut ist das nicht. Auch ökologisch bringt die Holzhammermethode nichts. Statt sie zu gängeln, sollte man den Bauern helfen, Ökonomie und Ökologie unter einen Hut zu bekommen. Viele Bauern wollen umweltfreundlicher und nachhaltiger arbeiten. Das hilft auch den Insekten. Die Agrarwende ist nötig, aber sie geht nur gemeinsam.
Stuttgarter Zeitung
Bundesagrarministerin Julia Klöckner (CDU) hat die bemerkenswerte Eigenschaft, so viele Nebelkerzen gleichzeitig werfen zu können, dass niemand mehr das Thema sieht: Jetzt rühmt sie die Bemühungen Baden-Württembergs für den Insektenschutz als vorbildlich – solche freiwilligen Vorstöße dürfe man nicht mit einem rigiden Bundesgesetz torpedieren. Was Klöckner verschweigt: Die ersten Studien im Südwesten zeigen eindeutig, dass selbst solche ehrgeizigen Projekte das Artensterben nicht verlangsamen. Es geht ungebremst weiter.
Insofern mag das neue Bundesinsektenschutzgesetz sicher ein kleiner Fortschritt sein, aber das Aussterben zahlreicher Wildbienen wird es nicht verhindern. CDU und SPD haben nach langem Streit einen halbherzigen Kompromiss beschlossen, der niemandem wirklich dient, weder den Landwirten noch der Natur. Das Gesetz ist mutlos, kurzsichtig und fatal.
Die Tageszeitung (Berlin)
Es ist schlichtweg falsch, dass wegen der Pestizidverbote in ökologisch besonders schutzbedürftigen Gebieten dort keine Nahrungsmittel mehr erzeugt werden könnten. Diesen Unsinn hat zum Beispiel die Bauernprotestbewegung „Land schafft Verbindung“ verbreitet. Unsinn deshalb, weil dort natürlich weiter Kühe weiden dürfen. Es darf auch weiter etwa Getreide angebaut werden – nur eben beispielsweise ohne den umstrittenen Unkrautvernichter Glyphosat. Dass das geht, beweisen Biobauern tagtäglich. Zu lasch ist der Kabinettsbeschluss vor allem, weil er den Pestizideinsatz nur auf einen Bruchteil der Agrarfläche einschränkt. Auf weit über 90 % darf auch künftig gespritzt werden wie bisher, obwohl dadurch Insekten und ihre Nahrungsgrundlage vernichtet werden. Die Einschränkungen auf dem kleinen Rest sind zudem sehr löcherig. Für den Anbau von Gemüse und Wein etwa gelten sie überhaupt nicht. Selbst beim Anbau der anderen Pflanzen sind Ausnahmen aus wirtschaftlichen Gründen möglich.
Deutschlandfunk (Köln)
Joachim Rukwied vom Deutschen Bauernverband lässt sich mit dem Satz zitieren: „Insektenschutz ist ein Muss auch für die Landwirtschaft.“ Doch das ist offenbar nur ein Lippenbekenntnis. Wenn er es ernst meinen würde, dann müsste der Bauernverband das Paket mittragen. Doch er erklärt sich lediglich bereit zu freiwilligen Naturschutz-Projekten.Die sind sicher sinnvoll, doch sie sind kein Ersatz für die entschlossene Verringerung des Einsatzes von Pestiziden, die Insekten töten oder durch ihre durchschlagende Wirkung die Lebensgrundlage für sie vernichten. Hier mitzugehen, wäre auch für die konventionelle Landwirtschaft, die auch künftig den Löwenanteil unserer Ernährung sichern will, sinnvoll und möglich.Wie gut Insekten künftig geschützt werden, wird sich auch in den Ländern entscheiden. Für einen Stopp des Insektensterbens wäre es wichtig, dass auch die Länder dem Lobbydruck widerstehen und Verantwortung nicht nur für die Lebensbedingungen des Menschen, sondern auch für die von wilden Tieren und Pflanzen übernehmen.
Augsburger Allgemeine
Umweltaktivisten müssen anerkennen, dass sich auch Landwirte dem Klima- und Naturschutz verpflichtet fühlen. Sie tun es auf ihre Weise, sind Marktgesetzen und Verbraucherverhalten unterworfen. Die Bauern wiederum sollten ihr Herz für die Umweltverbände öffnen, die wie sie für eine lebenswerte Welt eintreten. Landwirte und Umweltaktivisten könnten Abhilfe schaffen, wenn sie sich von der Politik emanzipieren und direkt miteinander reden würden. Im Kleinen, auf den Dörfern, am Rande der Felder, geschieht das bereits. Im Großen, bei den Lobbyverbänden, müsste dazu jetzt ein Umdenken einsetzen. Die Aussichten sind diesbezüglich eher schlecht. Einen Versuch wäre es wert.