Die Nachricht, dass die EU weitere Insektenarten für den menschlichen Verzehr zugelassen hat, sorgt auch in der DASA für Gesprächsstoff. Denn wir zeigen das Thema gerade in unserer Ausstellung „Foodprints“ rund um die Zusammenhänge von Ernährung, Technologien und Nachhaltigkeit. Unser bisheriger Eindruck hier ist: Je jünger die Gäste, desto aufgeschlossener sind sie. Viele probieren mit großer Neugier unsere Mehlwurm-Schokolade, die die meisten recht lecker finden.
Im Koch- und Schmeckbereich zur Ausstellung, dem „tasteLAB“, verarbeiten wir Mehlwürmer auch manchmal im Brotaufstrich, im Energiebällchen oder im Keks. Das kommt vor allem bei Schulklassen wirklich gut an. Insekten können die Speisekarte künftig sicher dann und wann bereichern und ergänzen – vor allem, wenn sie als Mehl untergemischt werden.
Monika Röttgen (DASA Arbeitswelt-Ausstellung in Dortmund)
Für uns als Großhändler ist bei dem Thema neben der Nachhaltigkeit speziell die Nachfrage der Kunden in der Region relevant. Aktuell nehmen wir noch keine große Nachfrage wahr, wir beobachten den Markt aber weiterhin und sind gespannt, wie sich dieser in Zukunft entwickeln wird.
Jörg Wolf (Geschäftsbereichsleiter Groß- und Einzelhandel der L. Stroetmann Lebensmittel GmbH & Co. KG in Münster)
Wir sind überrascht, dass die EU die Freigabe von Insekten als Nahrungsmittel in aller Schnelle erteilt hat. Weil die Weltbevölkerung zunimmt, wird der Ruf nach alternativen (tierischen) Proteinquellen größer. Neben dem menschlichen Verzehr können Mehle und Öle hergestellt werden, die unter anderem in der Tierhaltung eingesetzt werden. Großes Potenzial liegt in der Nutzung von Nebenprodukten aus der Lebensmittel-/Ernährungsindustrie, Insekten also als Resteverwerter). Die Nutzung muss allerdings noch genehmigt werden.
Wir fordern, dass die Verwendung von Insekten als Nahrungsmittel klar deklariert ist. Die Freigabe darf nicht dazu führen, dass die Nutztierhaltung grundsätzlich infrage gestellt wird.
Hubertus Beringmeier (Präsident des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes)
Igitt, ein Käfer! Bäh, eine Fliege! In Europa ekeln wir uns vor Insekten. Die Zulassung von weiteren Insekten als Lebensmittel in der EU sorgt für Diskussion. In über 130 Ländern gehören Insekten auf den Speiseplan. Aber nicht (mehr) in Europa? Das ist falsch! Die Limonade im Kühlschrank oder die Frühstücksmarmelade könnten Schildläuse enthalten. Die Kennzeichnung in der Zutatenliste lautet „Farbstoff E 120“.
Insekten sind hochwertige Proteinquellen. Wir, die Broodwormfarm, sehen darin einen Lösungsansatz für sich abzeichnende Aufgaben. Die wachsende Weltbevölkerung und die begrenzten Nutzflächen stellen neue Herausforderungen dar. Eine liegt darin, ausreichend Lebensmittel zu produzieren. Insekten sind nur ein Lösungsansatz. Ihre Aufzucht ist ressourcenschonend, platzsparend und effizient. Sie sind sehr gute Verwerter. Die EU-Zulassung ist ein Schritt in die richtige Richtung. Auch wenn Insekten in Europa (noch) nicht auf den Speiseplan gehören und etwas befremdlich wirken, sind sie eine kulinarische Bereicherung. Es ist eine Frage des Blickwinkels. Oder doch der Erziehung?
Mira Iordanova (Gründerin der „Broodwormfarm“ (Mehlwurmzucht) in Dortmund)
Auch wenn die menschliche Empathie gegenüber Insekten geringer sein mag: Es gibt keinen Grund, an ihrem Schmerzempfinden zu zweifeln. Laut Tierschutzgesetz müssen Tiere in menschlicher Obhut angemessen ernährt und untergebracht werden; Schmerzen, Leiden und Schäden sind zu vermeiden. Im Wirkbereich des Menschen müssen wir sie daher vor Willkür und unnötigen, schmerzhaften Handlungen bewahren.
In industriellen Insektenhaltungen lassen sich Verletzungen, Quetschungen und Amputationen beim Umlagern und Aussieben jedoch nicht vermeiden. Kannibalismus ist häufig. Gesetzliche Verordnungen zur Haltung und Tötung für Speiseinsekten fehlen.
Hinzu kommt: Bei Neuzulassungen von Insektenprodukten für den menschlichen Verzehr sind Tierversuche vorgeschrieben. Die weitere Forcierung solcher Produkte ist daher abzulehnen – zumal dafür in Europa keine Notwendigkeit besteht und die oft angepriesene gute Ökobilanz von Insektennahrung mehr als fraglich ist.
Nina Brakebusch (Fachreferentin beim Deutschen Tierschutzbund)
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