In der Schulzeit war Martin Bruns noch lange kein Überflieger. „Ich bin damals von der Realschule auf das Gymnasium gewechselt. Aber in der Oberstufe waren mir Sport, Freunde und die Arbeit auf dem Hof wichtiger als besonders gute Noten“, erklärt er.
Heute hat Martin Bruns einen Masterabschluss und ist „Manager Licenses und Market Intelligence“ bei der Deutschen Saatveredelung (DSV). Die Berufsbezeichnung verrät den meisten nicht auf den ersten Blick, was seine Aufgaben sind. Und wir brauchen mehrere Anläufe, bis wir verstehen, was genau er macht. Das liegt auch daran, dass er eine Stelle besetzt, die für viele Prozesse zentral ist. In einer komplexen Schnittstellenarbeit zwischen Produktmanagement, Züchtern, Vertrieb und internationalen Kunden läuft vieles über seinen Schreibtisch.
Lieber im Team als allein
Aufgewachsen ist Martin Bruns auf einem Milchviehbetrieb in der Nähe von Paderborn. Nach seiner Schulzeit absolvierte er ein Jahrespraktikum in einer Biologischen Station. Hier hat er unter anderem Schilfflächen gemäht und Kopfweiden entastet. „Außerdem konnte ich dieses praktische Jahr sehr gut nutzen, um mir Gedanken über das folgende Studienfach zu machen.“ Es sind die Agrarwissenschaften geworden.
In Gießen wohnte er dann in einer Wohngemeinschaft – zusammen mit zehn Medizinstudierenden. „In der Phase habe ich mich stark an den Tagesabläufen meiner Mitbewohner, die viel gelernt haben, orientiert und habe auch wieder Gefallen am Lernen gefunden.“ Nach dem Bachelor habe er sich noch keine Gedanken darüber gemacht, ob er den Masterabschluss für einen späteren Berufswunsch brauchen würde. Doch gerade an den betriebswirtschaftlichen Themen im Zusammenhang mit Landwirtschaft entwickelte er so großes Interesse, dass er einfach „Bock auf den Master“ hatte.
Und der Hof? Um diesen im Haupterwerb führen zu können, wäre ein großer Wachstumssprung nötig gewesen, der zumindest an dem Standort nicht so einfach möglich war. Nach seinem Masterabschluss habe er sich die Zeit genommen und viel auf dem elterlichen Betrieb gearbeitet – auch um eine Entscheidung zu treffen. Hierbei stellte er fest, dass viele Abläufe auf Einzelarbeit zugeschnitten waren. Doch gerade der Austausch und die Zusammenarbeit mit anderen Menschen sei Bruns wichtig.
Erfahrung geht über Tempo
Im Mai 2020 stand Martin Bruns dann mit 28 Jahren vor der DSV-Zentrale in Lippstadt. Heute teilt er sich das Großraumbüro des Produktmanagements mit Kollegen verschiedener Spezialbereiche. Neben einem Schreibtisch dekoriert ein Maiskolben die Fensterbank, auf einem anderen steht ein Glas mit Lupinen. Martin Bruns dagegen hat es mit verschiedenen Pflanzenarten – und unzähligen Sorten – zu tun: Er ist für die Lizenzierungsverträge in den Bereichen Gräser und Zwischenfrüchte verantwortlich. Vom Zierrasen über das Hochleistungs-Futtergras bis zum Ölrettich: „Die Lizenzverträge dieser Pflanzen gehen über meinen Schreibtisch“, erzählt er.
Dass Martin Bruns als Berufseinsteiger eine so verantwortungsvolle Stelle besetzt, zeigt, dass ein schneller Bildungsweg ohne Umwege kein Muss für gute Jobs ist – im Gegenteil: „Beim Berufseinstieg haben mir neben dem Master bestimmt auch mein Alter und der landwirtschaftliche Hintergrund geholfen“, sagt Martin Bruns. In seiner Position sei ein bisschen Lebenserfahrung sicher kein Nachteil. Diese hat er während des Studiums nicht nur in Praktika gesammelt. Während seines Masterstudiums hat er in Chile bei einem Exporteur von Nüssen und Trockenfrüchten gearbeitet. „Während meiner Zeit dort habe ich ein immer besseres Verständnis für internationale Märkte entwickelt“ – genau das kann er jetzt anwenden.
Sobald ein DSV-Vertriebler irgendwo auf der Welt eine Lizenz für eine Gräser- oder Zwischenfruchtsorte verhandelt, kommt Martin Bruns ins Spiel. Erst klärt er mit den Kollegen im Produktmanagement ab, ob für die betreffende Region passendes Saatgut in ausreichender Menge zur Verfügung steht. Ist das der Fall, berät er, ob die Vergabe von Produktionsrechten möglich ist. Sind alle Fragen geklärt, leitet Bruns die Vergabe in die Wege.
Im Job weiter wachsen
„Aktuell übernehme ich schon viel Verantwortung, arbeite häufig aber auch noch meinen Kollegen zu“, sagt Martin Bruns. Was seine Zukunft bei der DSV angeht, ist er ehrgeizig: „Ich will mich stetig verbessern und glaube, dass ich das hier machen kann.“ Dazu müsse er seine Position nicht wechseln, sondern ausbauen: „In Zukunft hoffe ich, noch mehr Verantwortung übernehmen zu können. Dazu möchte ich meine bisherigen Aufgaben nicht abgeben, aber vom Organisator zum Entscheider wachsen.“
Für wen lohnt sich der Master?
Während an vielen Universitäten Bachelor und Master ineinander übergehen und das einstige universitäre Agrardiplom widerspiegeln, gilt an den Fachhochschulen der Bachelor als abgeschlossen und berufsqualifizierend. Er ersetzt das alte Agrardiplom FH. Die mittlerweile angebotenen Master an den Fachhochschulen vertiefen meist das Wissen. Die Studierenden sammeln weitere Fertigkeiten und Soft Skills. „Im Bezug auf Aufstiegsmöglichkeiten sind Masterabsolventen meist im Vorteil“, meint Prof. Friedrich Kerkhof von der FH in Soest. Er beobachtet, dass sich zunehmend Bachelorabsolventen am Campus auch für den Masterabschluss entscheiden.
Auf dem Arbeitsmarkt werden die Abschlüsse von Uni oder FH nahezu gleich wahrgenommen. Einstellungsrelevant ist der Unterschied oft noch für den höheren Dienst in Behörden. Für spezialisierte Bereiche wie die Produktentwicklung in der Tierernährung oder in der Forschung zu neuen Pflanzensorten ist vertieftes Fachwissen gefragt. Laut Personalberater Christian Hüsing ist dabei der universitäre Master oder sogar eine Promotion sinnvoll. Der Berufseinstieg im Vertrieb gelingt mit dem Bachelor. Den vermeintlichen Vorteil des Masters könne man über Weiterbildungen und Berufserfahrung wettmachen. „So bleiben Führungspositionen nicht verschlossen“, so Hüsing.
Lesen Sie mehr: