Hubertus Beringmeier über ASP- und Corona-Auswirkungen: „Im Januar wird’s besser“

Corona-Virus, Afrikanische Schweinepest, Tierwohl- und Umweltauflagen: Viele Schweinehalter kämpfen ums wirtschaftliche Überleben. Was muss jetzt dringend passieren? Forderungen und Prognosen von Hubertus Beringmeier

Wochenblatt: Herr Beringmeier, rund eine halbe Million schlachtreife Schweine stehen im Stau, bis Jahresende vermutlich mehr als 1 Mio. Wie lässt sich der Überhang an Schlachtschweinen auflösen?

Wir müssen die vorhandenen Kapazitätsreserven heben, vor allem in den großen Schlachtbetrieben. Beispielsweise läuft der Tönnies-Standort in Rheda derzeit nur auf 70 %. Das ist zu wenig. Ich bin dazu im Dialog mit der Unternehmensleitung, aber auch mit den ­zuständigem NRW-Arbeits- sowie Gesundheitsministerium.

Warum steigen die Schlachtkapazitäten nicht?

Ohne Zweifel: Die Corona-Schutzverordnung ist wichtig und richtig. Und die Schlachter müssen diese 1 : 1 einhalten. Aber mir kommt es so vor, als ob die Kontrolleure des Arbeits- sowie Gesundheitsministeriums derzeit zu scharf vorgehen und das Haar in der Suppe suchen. Dieses Vorgehen verhindert höhere Schlachtkapazitäten. Wir brauchen unbedingt mehr Flexibilität und Verhältnismäßigkeit, sonst droht eine Katastrophe.

Was fordern Sie konkret von der Landespolitik?

Dass sie uns weiterhin mit aller Kraft unterstützt, wie Ministerin Heinen-Esser und Minister Laumann dies in einigen Situationen bereits gemacht haben. Sie muss ermöglichen, dass die Schlachter arbeiten können und nicht mit übertriebenen Auflagen oder Kompetenzgerangel zwischen Land, Kreis und Kommune die Betriebe bremsen.

Leider kann ich diesen Willen nicht immer erkennen. Ich habe den Eindruck, dass die Existenzsorgen vieler Schweinehalter noch nicht in allen Behörden ausreichend ernst genommen werden.

Hubertus Beringmeier ist seit Februar 2020 Präsident des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes (WLV). Seit September ist er auch Vorsitzender des Fachausschusses „Schweinefleisch“ beim Deutschen Bauernverband (DBV). Gemeinsam mit seiner Familie bewirtschaftet Beringmeier in Hövelhof-Espeln (Kreis Paderborn) einen Betrieb mit Schweinemast und Ackerbau.

Was fordern Sie von der Bundespolitik?

Es ist gut, dass die ursprünglich geplanten Schlussberatungen zum verschärften Arbeitsschutzkon­trollgesetz von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil in der vergangenen Woche im Deutschen Bundestag von der Tagesordnung genommen wurden. Die Politik hat sich nach Einschätzung vieler Beobachter die Fleischbranche he­rausgepickt und will hier ein Exempel statuieren.

Meine große Sorge ist, dass dadurch die Kosten für Schlachtung und Zerlegung dauerhaft steigen und wir keine Lösungen mehr für Arbeitsspitzen haben, zum Beispiel für das Grillgeschäft im Sommer oder zu Weihnachten. Gerade mit Blick auf das kommende Weihnachten droht ein Desaster, wenn viele ausländische Schlachthofmitarbeiter über die Feiertage nach Hause fahren, danach in Quarantäne müssen und die Schlachtbänder womöglich zwei Wochen stillstehen.

Ist Sonn- und Feiertagsarbeit die Lösung?

Kaum. In NRW durfte Westfleisch am Feiertag 3. Oktober ca. 5000 Schweine schlachten, musste aber bereits am 11. Oktober nachweisen, dass die Mitarbeiter geleistete Überstunden wieder abgebaut hatten. Das ist praxisfern, denn de facto ist die Zahl der Schlachthofmitarbeiter begrenzt. Wir brauchen mehr Flexibilität, um mehr Arbeitsstunden leisten zu können.

Wie können mehr Netto-Arbeitsstunden gelingen?

Indem die Mitarbeiter beispielsweise jeden Tag eine Stunde länger arbeiten dürfen, die Überstunden aber nicht zeitnah abfeiern müssen, sondern dann, wenn es passt.

Gehen die Corona-Fallzahlen bei den Schlachthofmitarbeitern hoch, droht ein Stopp der Schlachtung – auch kurzfristig. Wie lässt sich mehr Kalkulierbarkeit und Sicherheit erreichen?

Aktuell sind die Kreisveterinäre bei diesen Entscheidungen auf sich alleine...