Wochenblatt: Die Sonder-Agrarministerkonferenz ist Anfang Februar ohne handfeste Ergebnisse, dafür aber mit Unstimmigkeiten geendet. Welche Fronten sind verhärtet?
Heinen-Esser: Eine solche Sonder-Agrarministerkonferenz habe ich noch nicht erlebt. Ich ärgere mich darüber, dass die grüne Seite weder den SPD-Ländern noch den Unions-Ländern an irgendeiner Stelle entgegenkommen wollte. Wir müssen einen Kompromiss erzielen und es wird sich keine Seite eins zu eins durchsetzen können. Das muss allen klar sein. Allen ist bewusst, dass die Agrarpolitik grüner werden muss. Aber den Preis dafür, darüber müssen wir schon noch einmal verhandeln. Es geht hier um das Einkommen einer großen und für die Gesellschaft wichtigen Berufsgruppe. Es geht um einen massiven Eingriff in Eigentumsverhältnisse und um die Zukunftssicherung.
Ist der Handlungsdruck bei der GAP noch nicht groß genug?
Wenn wir den Streit unter den Ländern nicht auflösen, verspielen wir unsere Chance zur Mitsprache. Dann kicken wir uns selbst raus und wir Länder spielen keine Rolle mehr. Julia Klöckner und Svenja Schulze werden sich auf die Umschichtung der Mittel von der ersten in die zweite Säule für das Übergangsjahr 2022 einigen – ohne uns. Die Bundeslandwirtschaftsministerin hat das Interesse, bis zum Sommer eine Kabinettsvorlage zu erstellen. Offenbar hat die grüne Seite ein hohes Interesse daran, Entscheidungen über die Bundestagswahl zu verschleppen mit der Hoffnung auf andere Mehrheitsverhältnisse. Das sind zwei Haltungen, die nicht übereinander passen. Ich halte von Verzögerung gar nichts, weil unser Spielraum immer kleiner wird.
Wollen Sie bei 6% Umschichtung zwischen den Säulen bleiben?
2020 ist die Umschichtung auf 6 Prozent gestiegen. Ich könnte mir eine Aufstockung vorstellen. Andere Länder haben bisher jedoch klargemacht, dass sie auf keinen Fall mehr als 6 Prozent zugestehen wollen. Die Konsequenz wäre, dass es dann am Ende der Bund alleine entscheidet.
Sie hatten im Vorfeld als Umwelt- und Agrarministerin die Forderungen der Umweltminister, mit in die GAP-Entscheidungen einbezogen zu werden, unterstützt. Werden Sie deren Anliegen jetzt in der Agrarministerkonferenz platzieren?
Eine gemeinsame Diskussionsrunde hätte ich durchaus begrüßt, eine gemeinsame formale Ministerkonferenz ist dafür jedoch nicht erforderlich. Ich bin Ministerin für Landwirtschaft und Umwelt in NRW. Mir ist an einem Ausgleich der Interessen sehr gelegen. Landwirtschaft und Umwelt bedingen einander. Am Ende benötigen wir im Bund und in den Ländern Mehrheiten in unterschiedlichen Koalitionen.
Wie können tragfähige Kompromisse zwischen den Bundesländern für die Öko-Reglungen (Eco-Schemes) aussehen?
Wir wollen bei den Ökoregelungen eine geringe Anzahl von Maßnahmen haben, um es relativ einfach zu machen. Ich sehe da, wenn es nicht zu sehr in den Wahlkampf abdriftet, auch noch verschiedene Kompromissmöglichkeiten für eine Einigung unter den Ländern.
Was halten Sie von dem Konzept der Gemeinwohlprämie für die Eco-Schemes?
Wir haben uns die Studie des Thünen Instituts angeschaut. Die Gemeinwohlprämie ist ein interessanter Ansatz. Für die jetzige Reform kommt er jedoch zu spät. Wir müssen jetzt klassisch bei der Aufteilung von erster und zweiter Säule bleiben und über die zweite Säule die meisten Agrarumweltmaßnahmen finanzieren.
An welche Bedingungen wollen Sie die Basisprämie knüpfen?
Wir haben uns für drei Prozent Brache bzw. nichtproduktive Flächen ausgesprochen. Außerdem soll den landwirtschaftlichen Betrieben über die Öko-Regelungen ein Anreiz gegeben werden, dass sie weitere drei Prozent ihrer Flächen zum Schutz und der Förderung der Biodiversität erstmalig aktiv aus der Bewirtschaftung rausnehmen. Das muss man sich auch mal vorstellen.
Der Bauernverband fordert eine Basisprämie von mindestens 175 €/ha, ist das realistisch?
Da halten wir uns erstmal zurück, weil wir noch nicht wissen, wieviel Geld letztendlich zur Verfügung steht. Das wissen wir tatsächlich erst nach dem Trilog. Man kann eine sehr hohe Basisprämie einführen, aber knüpft dann auch entsprechend klare Bedingungen daran. Das sind jetzt die Themen, die wir verhandeln werden.
Wie ist Ihre Haltung zur Kappung der Prämien nach Betriebsgröße, der Degression sowie der höheren Förderung für die ersten Hektare?
Wir haben in NRW eine mittelständische Agrarstruktur und die möchte ich auch auf gar keinen Fall gefährden, indem große Kapitalgesellschaften im Osten die Förderung abgreifen. Wir setzen uns für eine verbesserte Förderung der ersten Hektare ein, die nur Betrieben mit einer Größe bis zu einschließlich 300 Hektaren zur Verfügung steht. Aufgrund der damit verbundenen leicht degressiven Verteilung der Direktzahlungen könnten wir dann auf eine Kappung und Degression von Direktzahlungen in großen Betrieben verzichten. Bei der konkreten Ausgestaltung können wir gern verhandeln.
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