Frauen, die einen Hof bewirtschaften, das ist kein Thema, das ist selbstverständlich! Diese Auffassung lebt Verena Große Wietfeld. Im Stall, auf dem Schlepper, in der Werkstatt – da fühlt sie sich zuhause.
Die 35-jährige Agraringenieurin aus Benteler im Kreis Gütersloh bewirtschaftet gemeinsam mit ihrem Mann Tobias und ihren Eltern einen Betrieb mit Ferkelerzeugung und Schweinemast im geschlossenen System sowie Ackerbau. Mit dabei sind die beiden sechs- und achtjährigen Töchter.
Agrar statt Architektur
Vor zwölf Jahren ist Verena Große Wietfeld in den Betrieb ihrer Eltern eingestiegen. Das war nicht von langer Hand geplant. „Bis zum Alter von 16 Jahren wollte ich Architektur studieren“, berichtet die mittlere von drei Schwestern. Doch im Praktikumsjahr nach dem Fachabitur im Bereich Bautechnik stellte sie fest, dass sie das Leben und die Arbeit in der Landwirtschaft vermisste.
Sie schwenkte um und lernte auf zwei Ausbildungsbetrieben Landwirtschaft von der Pike auf. Der Ausbildung folgte ein Landwirtschaftsstudium in Soest. Nach dem Bachelorabschluss wagte die damals 25-Jährige im Jahr 2010 einen großen Schritt in der Betriebsentwicklung: Sie stieg neu in die Ferkelerzeugung ein und baute einen 300er Sauenstall.
Der Sauenstall war von Anfang an ihr Arbeitsbereich. Unterstützung bekommt sie von ihrer Mutter Renate, einem Mitarbeiter und einer Auszubildenen. Ihr Vater Hubert und Ehemann Tobias kümmern sich um die Mastschweine und den Ackerbau. In Arbeitsspitzen sind noch Aushilfen im Einsatz.
Bei Große Wietfelds ist zu spüren, dass die ganze Familie hinter Verena und dem Hof steht. So hatte die junge Frau Zeit, um selbstbewusst in den Hof, die Verantwortung und in die Geschäftsbeziehungen hineinzuwachsen bis er ihr 2019 überschrieben wurde.
Sie hatte nie das Gefühl, dass sie sich bei Geschäftspartnern oder Verpächtern beweisen muss, weil sie eine Frau ist. „Es war für alle klar: Große Wietfelds haben drei Töchter, da haben sie es auf Dauer mit einer Frau zu tun.“
Nur einmal, in der Planungsphase des Sauenstalls fühlte sich die junge Betriebsleiterin nicht ernst genommen: Ein Berater riet ihr von der enormen Betriebserweiterung ab. "Er begründete, dass in meinem Leben andere Zeiten kämen: Beispielsweise würden sich die Interessen verschieben, sobald ich Kinder hätte", erinnert sich Verena Große Wietfeld. Diese Aussage war nicht betriebswirtschaftlich begründet, sondern zielte auf eine bestimmte Geschlechterrolle ab. "Ich habe es als Ansporn gesehen, um zu zeigen, dass Frauen solche Betriebsentwicklungen auch stemmen können."
Partner ist eingestiegen
Als der Bau des Sauenstalls anstand, kannte Verena Große Wietfeld ihren jetzigen Mann bereits. Der gelernte Gärtner mit einer Ausbildung zur Fachkraft für Agrarservice unterstützte die Pläne seiner Partnerin. Nach der Geburt der ersten Tochter ging er in Elternzeit und verlängerte diese als das zweite Kind kam.
In dieser Zeit stieg er in die Arbeit auf dem Hof ein. "Ich freue mich, dass ich nach dem Generationswechsel mit Tobias eine so starke Unterstützung vor allem im Ackerbau habe", betont die zweifache Mutter.
Bei Große Wietfeld ist die Arbeit auf dem Hof so organisiert, dass jeder genug Kraft hat, alles zu schaffen. Beispielsweise kommen Sackkarren zum Einsatz, wenn schwere Säcke transportiert werden müssen. Denn es tut keinem Mitarbeiter gut, wenn er beispielsweise zu schwer heben muss, ist die Devise auf dem Hof. Und wenn einer allein etwas nicht schafft, greift er zum Telefon und fragt um Hilfe.
Arbeit neu verteilt
Körperlich schwierig kann es für Frauen in Schwangerschaft und Stillzeit werden. Verena Große Wietfeld war in den Schwangerschaften fit und durfte aus ärztlicher Sicht im Stall alle Arbeiten erledigen. Doch sie wurden unter allen Mitarbeitern des Hofes etwas anders verteilt.
Mutter Renate Große Wietfeld war beispielsweise öfter im Sauenstall, ihr Mann Tobias auf dem Acker. Im Anschluss haben sich Eltern und Großeltern die Kinderbetreuung geteilt. So ist es auch heute noch. Wenn die Mädchen aus Schule und Kindergarten kommen, gibt es bei der Oma für alle Essen. Nachmittags kümmert sich immer der, der die Betreuung gut einplanen kann. Zur Not geht es für die Mädchen mit in den Stall oder auf den Schlepper. Nur die Coronazeit mit Homeschooling und Co. brachte Familie Große Wietfeld wie viele andere berufstätige Eltern an Grenzen bei der Kinderbetreuung.
Hilfe im Haushalt
Für die Arbeit im Haushalt hat das Ehepaar eine Hilfe angestellt, die dort alles organisiert. Anders funktioniert es nicht, wenn beide Partner in Vollzeit arbeiten. Den Rest erledigen die Partner ziemlich zu gleichen Teilen.
Verena Große Wietfelds ist bewusst: Die Arbeit auf dem Hof und das Familienleben lassen sich nur gut vereinbaren, weil alle an einem Strang ziehen. Aber da ist es egal, ob der Chef weiblich oder männlich ist.
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