Marie Herbst begutachtet eine Sau im Abferkelstall. Die Ferkel hat sie vor wenigen Stunden abgesetzt. Die 26-Jährige fachsimpelt dabei über Genetiken und Bewegungsbuchten. Hier ist sie in ihrem Element. „Leider stehe ich immer seltener im Stall“, sagt die Betriebsleiterin und Jüngste von drei Schwestern. Viele Stunden frisst die Arbeit im Büro. Dabei stecken in dem Sauenstall, der am elterlichen Hof im Außenbereich von Fürstenberg im Süden des Kreises Paderborn liegt, viele ihrer Ideen.
Stall mit Vater gebaut
Eigentlich wollte ihr Vater Richard Herbst einen herkömmlichen Stall bauen, doch die Familie musste vier Jahre auf die Baugenehmigung warten. Während dieser Zeit änderten sich Auflagen und am Horizont zeichneten sich weitere Änderungen für die Sauenhaltung ab. Beiden war klar: Wir müssen zeitgemäßer bauen, um für die nächsten Jahre gewappnet zu sein.
Das Tandem aus Vater und Tochter schaute sich Sauenställe in ganz Deutschland an. Für den Abferkelstall entschieden sie sich für 7 m² große Bewegungsbuchten und liegen damit über den neuen rechtlichen Vorgaben.
Sie stockten von 380 auf 550 Sauen auf. Hinzu kommen 2000 Ferkel- und 2000 Mastplätze auf dem 160-ha-Betrieb. Ein gepachteter Standort mit 700 Ferkelplätzen und 280 Mastplätzen läuft schon auf Maries Namen.
Mitarbeiter gekündigt
Mittlerweile fühlt sich die Agrarbetriebswirtin in ihrer Rolle als Betriebsleiterin angekommen. 2019 nach dem Abschluss an der Fachschule in Meschede stieg sie zu Hause in die Leitung ein. Wer mit der neuen Rolle nicht zurecht kam, war einer der drei Mitarbeiter. Mit Kollegen, Nachbarn und ihrem Vater arbeitete er ohne Probleme zusammen. Ihre Anweisungen hingegen missachtete er und zeigte sich offen respektlos. „Es lag ganz klar an meinem Geschlecht“, blickt sie zurück.
Obwohl er jünger als die Betriebsleiterin war, pflegte er ein überholtes Verständnis von Frau und Mann und akzeptierte ihre Führungsposition nicht. „Das vergiftete das gesamte Betriebsklima.“ Nach mehreren Gesprächen blieben ihr und ihrem Vater nichts anderes übrig, als ihm zu kündigen. Dass ihr Geschlecht eine Rolle spielte, war für die Landwirtstochter eine neue Erfahrung. Zwar war sie in der Berufs- und Fachschulklasse eine von wenigen Frauen, doch weder dort noch auf den Ausbildungsbetrieben hatte sie mit Vorurteilen zu kämpfen.
„Viele männliche Kollegen haben Schwestern, die zu Hause genauso mit anpacken, wie sie selbst. Für die sind Frauen in der Landwirtschaft normal“, meint sie. Die Ausbilder schätzten Marie genauso wie die männlichen Azubis. „Manchmal hieß es: Lass lieber die Mädels das Abferkeln machen, die haben mehr Feingefühl“, erinnert sie sich. Manch älterer Futtermittelberater oder Landtechnikhändler meint zwar, er müsse Angebote noch mal mit ihrem Vater besprechen, doch denen verdeutlicht die junge Frau selbstbewusst, wer mit entscheiden darf.
Von Kindesbeinen an
Ihr Vater wird sich in den kommenden Jahren immer mehr zurückziehen. Wenn er ans Abgeben denkt, wirkt Richard Herbst entspannt. Der Betriebsleiter weiß, in welche Hände er den Hof gibt. Schon als Mädchen kümmerte sich Marie um Tiere. Zunächst waren es Katze, Hund und Pony, dann immer mehr die Ferkel und Sauen.
Für die Ostwestfälin war früh klar: Ich werde Landwirtin und möchte den Hof übernehmen. „Wir dachten, vielleicht ändert sich ihr Wunsch in der Pubertät noch und drängten sie nicht“, erinnert sich ihre Mutter Petra Herbst. Doch Fehlanzeige: Marie verfolgte klar ihren Weg. Sie machte Schulpraktika auf anderen Betrieben und absolvierte ihr Agrar-Fachabi. Im Anschluss folgte die Lehre, ein halbes Jahr auf Neuseeland sowie die Fachschule.
Klare Trennung zwischen Betrieb und Partnerschaft
Überrascht über ihren Weg waren Außenstehende: Während ihre Freundinnen im Sommer am See lagen, half Marie in der Ernte. „Warum bindest du dir bloß mit dem Hof so einen Klotz ans Bein?“ fragten sie. Von älteren Landwirten bekamen sie den Rat: „Such dir einen Mann, der mit dir den Hof macht.“
Doch das widerspricht Maries Verständnis von Partnerschaft. Für sie soll in einer Beziehung jeder seinem Beruf nachgehen können und ihn nicht für den anderen aufgeben müssen. So leben ihre Eltern ihr das vor. Ihre Mutter ist selbstständige Kleinkindpädagogin und arbeitet nicht auf dem Betrieb.
Diese klare Trennung haben auch Marie und ihr Freund vereinbart. Gemeinsam wohnen sie seit einem halben Jahr auf dem Hof in der umgebauten Wohnung der Großmutter. Ihr Freund ist Landwirt, kommt aber von einem Gemüsebetrieb, auf dem er arbeitet. Als Landwirt versteht er, wenn die Tage mal lang werden und Marie am Wochenende arbeiten muss. „Er ist aber mein Partner und keine Arbeitskraft auf unserem Betrieb.“ Darauf legt sie besonders wert.
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