Von jedem Euro, den Verbraucher heute für Nahrungsmittel ausgeben, kommen im Durchschnitt nur noch 20 Cent bei den Bauernfamilien an. Das kritisiert Hubertus Beringmeier, Präsident des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes (WLV), scharf. Er fordert aber „keine Verdopplung der Lebensmittelpreise“, sondern eine andere Verteilung innerhalb der Kette. „Im Schnitt sollten die Erzeuger 30 % der Lebensmittelerlöse bekommen“, sagte er auf dem digitalen Jahrespressegespräch. Denn durch die Marktmacht des hochkonzentrierten Lebensmitteleinzelhandels (LEH) und die Kürzungen der EU-Agrarzahlungen ab 2023 sieht er die Landwirtschaft unter einem immer stärkeren wirtschaftlichen Druck.
Eine härtere Gangart gegenüber den Konzernen des LEH mit Demonstrationen oder anderen Aktionen will Beringmeier aber nicht. Er setzt vielmehr auf die neu geschaffene Zentrale Koordination Handel und Landwirtschaft (ZKHL). „Dort setzen wir uns ganz bewusst zusammen und sagen: Leute, so geht das nicht“, erklärte er. Die Landwirte würden den konstanten Preisdruck nicht aushalten. Das Ziel des WLV-Präsidenten: „Ein Dialog mit Nachdruck“. Die Partnerschaft zu den Handelskonzernen wolle man nicht verlieren, aber die Ansprüche der Landwirtschaft will Beringmeier klarmachen.
Handel als Kunde
„Wir brauchen den Lebensmitteleinzelhandel auch als Kunden“, stellte er heraus. Aktuelle Schwierigkeiten internationaler Lieferketten spielten deutschen Erzeugern zwar in die Karten. Jedoch könne man darauf nicht ewig bauen, so der WLV-Präsident. Man müsse vermeiden, dass sich die Handelskonzerne auf internationalen Märkten eindecken.
Beringmeier betonte, dass die wirtschaftlichen Kennzahlen der Landwirte in Westfalen-Lippe ernüchternd seien. Rinderhalter hätten nach langer Durststrecke zwar wieder Grund zu Optimismus und auch die heimischen Ackerbauern könnten aktuell gute Preise für Getreide und Raps erzielen, kämpften allerdings mit explosionsartig gestiegenen Kosten für Energie und Düngemittel. Schlicht dramatisch ist nach Einschätzung des WLV-Präsidenten dagegen die Lage in der Schweinehaltung, wo die Corona-Pandemie dazu geführt habe, dass die Absatzzahlen und in der Folge auch die Erzeugerpreise so stark eingebrochen seien, dass immer mehr Betriebe die Schweinehaltung aufgäben.
Zukunftskommission stimmt zuversichtlich
Dennoch blickt der Verband nicht ohne Zuversicht in das neue Jahr. Beringmeier erwartet ein Anziehen der Erzeugerpreise in wichtigen Marktbereichen und verweist auf die Vorschläge zum Umbau der Landwirtschaft, die im Sommer 2021 der ehemaligen Bundesregierung von der „Zukunftskommission Landwirtschaft“ (ZKL) vorgelegt wurden. Diese bezeichnet der WLV-Präsident als „Durchbruch“.
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