Wochenblatt: Ab 2022 können nur noch Betriebe mit weniger als 600 000 € Umsatz pro Jahr pauschalieren. Entscheidend ist jeweils der Vorjahresumsatz. Somit kommt es bereits auf den Umsatz in diesem Jahr an. Wer muss fürchten, aus der Pauschalierung herauszufallen?
Reimann: Entscheidend ist der Nettoumsatz des Vorjahres. Am besten, jeder prüft selbst, wie der Umsatz aus der Landwirtschaft in den Vorjahren war, zieht die Förderung sowie steuerfreie Umsätze ab und addiert außerlandwirtschaftliche Umsätze. Allerdings ist es nicht immer einfach abzuschätzen, wie sich die Umsätze entwickeln. Als Orientierung, wer tätig werden muss, um auch nach einem Jahr mit hohen Umsätzen nicht aus der Pauschalierung zu fallen, hilft ein Blick auf Auswertungen der Landwirtschaftskammer NRW mit Daten aus dem Testbetriebsnetz der letzten elf Jahre. Für die Veredelung zeigt sich, dass Schweinemastbetriebe mit etwa 60 ha Ackerbau und 35 000 € Nebeneinnahmen in guten Schweinejahren nur rund 1100 Mastplätze haben konnten, Ferkelerzeuger, die 30-kg-Ferkel verkaufen, nur rund 220 Sauen, um unter den 600 000 € zu bleiben. Ein Milcherzeuger muss dementsprechend ab 140 Kühen aufpassen, Bullenmäster ab 300 verkauften Bullen pro Jahr. Haben die Betriebe keine Nebeneinnahmen, erhöht sich etwa bei dem Ferkelerzeuger mit 30-kg-Ferkeln die Grenze um rund 25 Sauen.
Wenn ich fürchten muss, in guten Jahren aus der Pauschalierung zu rutschen, lohnt es dann, durch Umstrukturieren um die Pauschalierung zu „kämpfen“?
Natürlich kann das im Einzelfall oder für ein einzelnes Jahr, in dem ich beispielsweise viel investiere oder repariere, anders sein. Aber ja, meistens fahren Veredelungs- und Sonderkulturbetriebe mit der Pauschalierung deutlich besser. Wie hoch Ihr Pauschalierungsvorteil in den letzten Jahren war, hängt vom Deckungsbeitrag ab und sollte individuell berechnet werden. Hierzu ein Beispiel: Die Auswertungen der Landwirtschaftskammer zeigen etwa für die Ferkelerzeugung bei Verkauf von Läufern einen Nachteil aus der Umsatzsteueroption von rund 45 € pro Sau und Jahr. Umgerechnet auf den Durchschnittsbetrieb aus dem Testbetriebsnetz mit rund 320 Sauen ergibt sich ein Nachteil von etwa 14 500 € pro Jahr. Dieser Nachteil fällt aber nur in Jahren an, in denen der Betrieb im Vorjahr über der Pauschalierungsgrenze liegt. In den letzten 11 Jahren war das in 6 Jahren der Fall. Über alle Jahre hinweg betrachtet, liegt der Nachteil der Umsatzsteueroption bei knapp unter 8000 € pro Jahr (14 500 € durch 11 mal 6 Jahre). Die Kosten einer Umstrukturierung dürfen somit 8000 € im Jahr nicht überschreiten, damit sie sich für den Betrieb lohnen kann. Beim Verkauf von Babyferkeln rechnet man ungefähr mit 30 € pro Sau und Jahr, bei der Schweinemast mit rund 4,50 € pro Schwein, in der Milcherzeugung mit 100 € pro Kuh und bei der Bullenmast mit 80 € pro verkauftem Bullen an Pauschalierungsvorteil.
Welche Optionen bleiben denn den Betrieben, um unter der Grenze von 600 000 € Nettoumsatz zu bleiben?
Generell sollten Sie versuchen, Produktionskapazitäten auf andere Unternehmer auszugliedern. Das kann „einfach“ bedeuten, dass Sie etwa die PV-Anlage als GbR mit Ihrer Frau statt wie bisher alleine betreiben. Vielen Betrieben bleibt aber nur die Möglichkeit, ihren landwirtschaftlichen Betrieb komplett zu teilen, zumindest wenn sie in guten Jahren deutlich über der Grenze liegen. Da stellt sich dann die Frage: Wie kann man einen Betrieb teilen, sodass der Fiskus das akzeptiert und wie muss man diese Teilung „leben“, damit die Steuerbehörde das auch weiterhin tut? Macht die Teilung nämlich ausschließlich aus steuerlicher Sicht Sinn, etwa wenn Sie „auf dem Papier“ einen Stall einfach als zwei Betriebsteile darstellen, würde das Finanzamt Ihnen Gestaltungsmissbrauch vorwerfen. Das gleiche gilt bei großen Ackerbaubetrieben oder Kartoffelanbauern mit einem Betriebsstandort. Einfach durch zwei teilen klappt nicht, die Ausgliederung der Sonderkulturen möglicherweise schon. Die entstehenden Betriebe müssen also organisatorisch Sinn machen, die Trennung dann auch tatsächlich durchgeführt und beibehalten werden. Das werden nicht alle betroffenen Betriebe können.
Wie könnte sich etwa ein Ferkelerzeuger sinnvoll aufteilen?
Guckt man sich beispielsweise einen typischen Familienbetrieb an, in dem Vater und Sohn zusammenarbeiten, wäre es denkbar, den so zu teilen, dass etwa der Sohn den Betrieb mit Sauen macht und die Babyferkel dann an den Ferkelaufzuchtbetrieb seines Vaters verkauft. Den Ackerbau könnten sie dann so aufteilen, dass beide Betriebe landwirtschaftlich bleiben oder sie lassen die Ferkelaufzucht gewerblich laufen. Bei Letzterem wäre keine Teilung der Flächen notwendig, was die Betriebsteilung insgesamt weniger aufwendig macht. Zudem könnte der Betrieb noch wachsen. Dementsprechend würde der Sohn den Ackerbau komplett machen. Teilen sie den Ackerbau auf, müssen sie darauf achten, dass Bewirtschaftung, Einkauf von Saatgut, Spritz- und Düngemitteln sowie Verkauf der Früchte getrennt erfolgen. Ebenso beim Schweinemäster oder Milchviehhalter muss eine Teilung immer so erfolgen, dass hinterher Betriebe mit einzelnen Ställen entstehen. Aus einem 2000er-Mastbetrieb werden so beispielsweise zwei Betriebe mit jeweils einem 1000er-Maststall, bei einem Milchviehhalter übernimmt die Tochter den Laufstall mit den Milchkühen und der Vater die Aufzucht. Bei großen Milchviehhaltern, die deutlich über der Grenze sind, wird das allerdings nicht viel bringen. Auch bei Schweinemästern wird man vielfach über eine Teilung nicht viel erreichen. So wurden in der Vergangenheit aus baurechtlichen Gründen oft 1500er-Ställe gebaut, die jetzt in guten Schweinejahren über die 600 000-€-Grenze kommen. Einen solchen Stall infrastrukturell auf zwei Betriebe aufzuteilen, wird schwierig.
Könnte ich als Betriebsleiter dann einfach zwei statt bisher einen Betrieb führen und bliebe damit unter der Grenze?
Nein, das geht nicht. Prinzipiell ist es nicht möglich, dass ein Betriebsleiter zwei Betriebe weiterführt. Dann würden beide Umsätze des einen Unternehmers addiert und man hätte nichts gewonnen. Den anderen Betriebsteil müssen Sie also immer einem anderen Unternehmer übertragen oder verpachten, das in schriftlichen Verträgen sorgfältig vereinbaren und sich dann an diese Vereinbarungen auch halten. Der andere Unternehmer kann eine einzelne Person wie die Tochter oder der Sohn sein. Diese muss fähig sein, den Betrieb zu führen, also genügend Kenntnisse haben und alt genug sein. Und sie muss den Betrieb selbstständig leiten. Möglich ist aber auch, dass die Betriebe von verschiedenen Personengesellschaften wie GbR oder KG geführt werden, auch, um über 51a-Gesellschaften genügend Vieheinheiten für die einzelnen Betriebe vorzuhalten.
Entscheidet man sich für die Teilung, worauf ist zu achten?
In Zukunft müssen Sie dann die entstandenen Betriebe getrennt voneinander führen. Nehmen wir wieder das Beispiel des Ferkelerzeugers: Bei den Ställen müssen Vater und Sohn entweder eine komplett eigene Futterversorgung haben oder sie nutzen gemeinsam eine Fütterung. Dann muss aber jeder seine Futterkomponenten selbst lagern und nur diese verfüttern. Auch Strom und Wasser brauchen eigene Zähler. Die Gülleentsorgung muss einzeln laufen oder wie unter fremden Dritten geregelt werden. Zudem müssen Vater und Sohn beispielsweise Flächenbewirtschaftung, Büros, Warenein- und -verkauf, Konten und Buchführungen trennen sowie zeitnah miteinander abrechnen. Sie müssen getrennt Daten bei Invekos, HIT usw. melden und eigene Förderanträge stellen.
Was kostet eine Betriebsteilung den Betrieb erfahrungsgemäß pro Jahr und welche einmaligen Kosten können bei der Teilung entstehen?
Da muss man schon mit durchschnittlich 5000 € im Jahr an Kosten für den Betriebsleiter und den Steuerberater rechnen, die etwa für erhöhten Dokumentationsaufwand, Rechnungen, Versicherungen und wiegen extra anfallen. Wie hoch die einmaligen Kosten im Jahr der Umstrukturierung sind, ist individuell sehr verschieden und hängt davon ab, ob etwa schon eine getrennte Infrastruktur vorhanden ist oder inwieweit Strom-, Wasser- und Futterversorgung umgebaut werden müssen. Die Kosten gilt es genau zu kalkulieren. Womöglich reduziert die Bundesregierung in Zukunft die 600 000-€-Grenze oder auch den Pauschalierungssatz von 10,7 %. Auf der sicheren Seite sind Sie, wenn Sie eine Betriebsteilung nur zu einmaligen Kosten durchführen, die nicht höher liegen als Ihr Pauschalierungsvorteil aus ein bis maximal zwei Jahren.
In der Vergangenheit sind viele 51a-Gesellschaften entstanden, in denen sich Schweinehalter und Ackerbauern zusammengetan haben, um die Vieheinheiten des Ackerbauers zu nutzen. Was passiert damit?
Auch hier gilt: Kommt die Gesellschaft über die Umsatzgrenze, müsste man sie teilen, um weiter pauschalieren zu können. Haben Sie etwa bisher eine 51aGesellschaft, mit der Sie einen 2000erMastbetrieb mit rund 720 Vieheinheiten betreiben, könnten Sie die auf zwei Gesellschaften mit je einem 1000er-Stall und 360 Vieheinheiten aufteilen. Aber: beide Gesellschaften dürfen Sie nicht mit genau identischen Personen betreiben.
Rechne ich damit, dass ich selbst in guten Jahren nur knapp über der Umsatzgrenze von 600 000 € bin, gibt es dann nicht weniger aufwendige Möglichkeiten als eine Betriebsteilung, um unter die Grenze zu gelangen?
Es gibt noch sehr viele andere Stellschrauben, an denen Sie drehen können, um den Umsatz zu reduzieren. Haben Sie etwa gewerbliche Umsätze, sollten Sie gucken, dass Sie die möglichst auslagern in beispielsweise eine andere Gesellschaft. Eine PV-Anlage könnten Sie etwa als GbR mit Ihrer Frau weiterbetreiben. In der Vergangenheit sind viele Futterhandelsgesellschaften entstanden. Diese haben Ackerfrüchte vom Landwirt ge- und später zurückverkauft. Um Ackerbau-Umsätze zu vermindern, sollte auf die Berechnung eines Lagerentgelts ohne Verkauf umgestellt werden. Tierhalter sollten möglichst viel ihrer Ackerfrüchte verfüttern statt verkaufen.
Viele Ackerbauern sind in Gesellschaften, um gemeinsam Maschinen zu nutzen. Was empfehlen Sie, wenn diese Gesellschaften die Umsatzgrenze überschreiten?
Dann sollten Sie die Gesellschaft auflösen und Ihre Fläche auf eigenen Namen und Rechnung bewirtschaften. Die Maschinen überführen Sie in Bruchteilseigentum. Dafür kaufen Sie die Maschinen von der Gesellschaft entsprechend Ihres zukünftigen Nutzungsanteils und weisen diesen Anteil eigenständig in Ihrer Bilanz aus.