Ob in Berlin oder Koblenz: Auf jüngsten Demonstrationen und bei Aktionen ist die schwarze Landvolk-Fahne häufiger Begleiter. Unumstritten ist sie nicht. Wir haben mit Burkhard Berg, Schweinehalter aus Lichtenau, und Dirk Nienhaus, Schweinehalter aus Bocholt, gesprochen - der eine ein Befürworter, der andere ein Gegner der Symbolik.
Berg: „Unbequem, nicht rechtsradikal“
„Ich bin erschrocken: Weil Politikern und Verbandsfunktionären die Argumente fehlen, holen sie jetzt die rechte Keule raus? Sie drängen uns Befürworter der schwarzen Landvolkfahne in die rechte Ecke. Das ist ungeheuerlich und schlichtweg falsch. Wir sind keine Rechtsradikalen! Dafür stehen die Symbole auf der Fahne auch nicht, sondern für Zusammenhalt, wehrhafte Bauern und eine starke Gemeinschaft, die für ihre Werte einstehen. Genau das macht die Basis-Bauern-Bewegung aus, in der sich deutschlandweit mehrere tausend Anhänger der Fahne zusammengeschlossen haben.
Persönlich habe ich eine so tolle Gemeinschaft noch nie erlebt. Die Bauern darin sind fachlich versiert, trauen sich den Mund aufzumachen und sind für die Politik sowie den Bauernverband unbequem. Kritisch den Politikern gegenüber zu treten, nicht alles sofort hinzunehmen und nur für unsere Interessen einzustehen, genau das ist es, was unsere sogenannten Berufsvertreter nicht mehr in ausreichendem Maße tun. Mit einer Regenbogenfahne oder einer weiteren Blühflächen-Aktion hätten wir doch niemals diese Aufmerksamkeit erreicht und eine solche Diskussion ausgelöst.
Deshalb stehe ich auch voll hinter dem Banner „Henker der Landwirtschaft“. Es drückt unsere Gefühlslage aus. Wir Bauern befürchten, dass die gesamte deutsche Landwirtschaft bald an dem Galgen baumelt, wenn die Politik so weitermacht und unser Verband sowie LsV sich nicht energischer für den Berufsstand einsetzen. Die Botschaft ist nicht, dass die abgebildeten Personen gehenkt werden sollen, sondern, dass sie sich ihrer Verantwortung und ihren Pflichten bewusst werden müssen. Das Banner ist sicherlich eine Provokation, aber es hat Reaktionen ausgelöst.
Wir Bauern müssen zeigen, wo die roten Linien sind. Klar ist aber, dass wir uns immer an das Gesetz halten und unsere Proteste in guter Manier ablaufen.“
Nienhaus: „Verfehlt und kontraproduktiv“
„Der Unmut über die aktuelle Lage im Berufsstand ist berechtigt, Protest verständlich. Landwirte sind traditionell und erdverbunden. Deshalb ist nachvollziehbar, dass sich auch Bauern aus unserer Region der Pflug und Schwert-Fahne aus Norddeutschland anschließen. Aber: Etliche Medien interpretieren diese Fahne als zunehmende Radikalisierung aller Landwirte. Die berechtigten Forderungen der Landwirte zur künftigen Agrarpolitik gehen dadurch unter. Vor einem Jahr begann eine Art Aufbruchstimmung in der Landwirtschaft, diese schwindet jetzt. Unüberlegte Aktionen weniger Bauern gefährden die bisher erreichten Erfolge vieler Landwirte wie die positiven Berichte über die Demos und die Gespräche mit den Entscheidungsträgern. Da Beharren an der Fahne ist verfehlt. Auch wenn ich mir sicher bin, dass die Sympathisanten der Fahne keineswegs radikal sind. Aber dennoch unterbindet diese Fahne den Dialog mit Politik und Gesellschaft, also genau das, wofür wir Landwirte angetreten sind.
Noch unbedachter ist das Banner „Henker der Landwirtschaft“. Hier muss ich schon fragen, wie weit Landwirte bei Protesten gehen dürfen. Eine Verleumdung von Personen ist absolut kontraproduktiv! Wenn Protest, dann mit Sinn und Verstand, aber nicht so. Wir machen Nebenkriegsschauplätze auf, kommen in der Sache aber keinen Schritt voran. Deshalb sollten wir Landwirte uns jetzt in die politischen Diskussionen mit konkreten Lösungsvorschlägen einbringen. Die Vorarbeiten dazu sind gemacht."
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von Peter Vossiek
Unterschiedliche Adressaten der Symbolik und das Ergebnis von Kommunikation
Beide Meinungsbeiträge wirken in sich schlüssig. Herr Berg hat vor allem im Blick, wie hilfreich ein starkes Symbol zur Kräftigung und Kenntlichmachung der eigene Gruppe ist und sieht die "Wehrhaftigkeit" als Ziel und wesentlichen Grund. Mit Hilfe der Symbole schließt man das ... mehr anzeigen Visier und maximiert die Kampfkraft der eigenen Gruppe. Genau das scheint auch erreicht worden zu sein und ohne einen gewisse "Wumms" setzt man sicherlich nichts durch. Herr Nienhaus (und auch Herr Liste in seinem Kommentar "In den Schrank und auf den Müll") haben dagegen im Blick, dass sich die Landwirtschaft - im Grundsatz wie jede andere Gruppe - permanent in einem Dialog mit der Politik und anderen gesellschaftlichen Gruppen befindet, in denen übrigens vielfach auch Angehörige und Abkömmlinge aus der Landwirtschaft parallele Mitgliedschaft besitzen. Starke Symbole schaffen also einerseits Verhandlungsmacht, wecken aber andererseits gerne übertriebene Erwartungen aufseiten der Bannertragenden und senken auf der Gegenseite nachhaltig die Akzeptanz für die Gruppe mit dem geschlossenem Visier. Da muss sich jeder selber fragen, ob die Verwendung derart kontrovers wirkende Symbole den Weg in die gemeinsame Zukunft bahnen helfen. Zusätzlich könnte man in Erwägung ziehen, ob nicht zum Einen zumindest die Summe der Gruppen auf der Gegenseite am Ende regelmäßig stärker als die eigene Gruppe ist und ob zum Anderen nicht nur die sonstige Bevölkerung von den verschiedensten Ergebnissen der Landwirtschaft profitiert, sondern eben auch die Landwirtschaft nicht unwesentlich von der Wertschöpfung in den anderen Sektoren. Abrüstung in den Symbolen, Hartnäckigkeit in der Interessenvertretung und die Bereitschaft zur konstruktiven Auseinandersetzung inkl. der Bereitschaft, sich ernsthaft auf andere Überzeugungen einzulassen, erscheinen mir wesentlich vielversprechender als die Rhetorik von Kampf und Sieg. Der Ausgleich berechtigter Interessen ist der Sollzustand in einem demokratisch verfassten Gemeinwesen, der faire Kompromiss das bestmögliche und kein faules Ergebnis. Es können nicht alle Ziele erreicht werden und wer seine Erwartungshaltung nicht rechtzeitig einbremst, wird sich mit seinem unklugen Verhalten immer auf der Verliererseite wähnen. So schafft man keinen gesellschaftlichen Frieden am Ende einer Verteilungsdiskussion. weniger anzeigen
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