Wochenblatt: Frau Dr. Busch, spielt die Herkunft eines Lebensmittels eine Rolle bei der Kaufentscheidung?
Busch: Ja, während des Einkaufs achten Konsumenten auf die Herkunft der Produkte. Wenn sie sie erkennen können, spielt die Produktherkunft eine wichtige Rolle. Aus Verbrauchersicht besteht ein grundsätzliches Interesse daran, die Kennzeichnung von Lebensmitteln so transparent wie möglich zu gestalten. Grundsätzlich ist das Herkunftsland zwar keine Qualitätsinformation. Trotzdem erkennen wir bestimmte Lerneffekte beim Verbraucher. Vor allem bei Produkten, deren Ursprung schon länger gekennzeichnet wird, achten Konsumenten sehr genau auf die Herkunft. Ein gutes Beispiel sind Obst und Gemüse. Im Supermarkt kann ich sofort erkennen, ob die Orange aus Brasilien oder aus Spanien kommt. Gibt es also eine klar erkennbare Kennzeichnung, wird sie auch wahrgenommen und fließt als Information in die Kaufentscheidung ein.
Was halten Sie von der Forderung nach einer verpflichtenden Herkunftskennzeichnung von Lebensmitteln?
Busch: Ich finde die Forderung gut, weil sie mehr Transparenz schafft. Ich würde jedoch davor warnen, sich allein durch die Kennzeichnung der Herkunft eine Steigerung der Zahlungsbereitschaft zu versprechen. Man muss die Herkunft mit positiven Eigenschaften verknüpfen, die einen Wert für Verbraucher haben. Aus wissenschaftlicher Sicht ergibt die Konzentration auf Standards mehr Sinn. Aus Verbrauchersicht sollte man Herkunft mit Standards koppeln.
Landwirte versprechen sich von der Herkunftskennzeichnung vor allem eine gesteigerte Nachfrage und höhere Preise deutscher Produkte. Gibt es tatsächlich eine höhere Zahlungsbereitschaft?
Busch: Das halte ich für nicht realistisch. Nur weil ich auf einem Joghurt die deutsche Herkunft sichtbar mache, werde ich im Supermarkt keinen höheren Erlös erzielen können als für einen Joghurt aus den Niederlanden. Das soll nicht heißen, dass man Verbraucher nicht davon überzeugen kann, dass die deutsche Landwirtschaft in einigen Bereichen besonders gut ist. Aktuell kann man jedoch noch nicht pauschal sagen, dass die deutsche Landwirtschaft besser ist als die niederländische oder die dänische. Nur, wenn das der Fall wäre, kann das Herkunftsland als Qualitätssignal dienen – per se ist das nicht der Fall. Wer gute Argumente hat, die den Tatsachen entsprechen, kann Konsumenten davon überzeugen und eine Nachfrage aufbauen. Die Landwirtschaft ist den Menschen sympathisch und es gibt viele Präferenzen für heimische Produkte. Das muss durch gekonntes Marketing und Veränderung in Richtung mehr Nachhaltigkeit aufgebaut werden.
Lassen sich Konsumenten durch zu viel Kennzeichnung auch verunsichern?
Busch: Die Entscheidung, welches Produkt welchen Ursprungs die Konsumenten kaufen möchten, sollte man ihnen selbst überlassen – das ist ihnen zuzutrauen. Man muss das den Verbrauchern sogar zutrauen. Nur so können sie eine bewusste Kaufentscheidung treffen. Gerade bei der Information über die Herkunft eines Produktes spielen ja nicht nur Qualitätsmerkmale eine Rolle. Da geht es auch um Klimaschutz, weite Transportwege, oder eine Region, die man ausdrücklich mit dem Kauf eines Produktes unterstützen möchte.
Gibt es auch Verbraucher, denen die Herkunft oder die Einhaltung von Standards egal ist?
Busch: Unsere Umfragen belegen: Etwa 40 bis 50 % der deutschen Konsumenten kaufen preisorientiert. Das heißt aber auch, dass sich mindestens die Hälfte aller Verbraucher durch Attribute wie Herkunft und Qualitätsstandards angesprochen fühlt. Diese Hälfte gilt es zu erreichen.
Dr. Gesa Busch forscht am Lehrstuhl für Marketing für Lebensmittel und Agrarprodukte der Universität Göttingen.
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