Cyberkriminalität auf dem Land

Daten, Diebe, digitale Erpresser

Der ländliche Raum bleibt weder von digitalen Störungen noch von Cyber-Kriminalität verschont. Das zeigt gerade eine Kette aktueller Fälle. Wie gesichert ist da die Landwirtschaft?

Es war der Tag, als Putins Truppen die ­Ukraine überfielen: Genau an diesem 24. Februar 2022 waren seit den frühen Morgenstunden zwischen Oberrhein und Ostsee mindestens 5800 Windenergieanlagen des Auricher Herstellers Enercon nicht mehr von außen anzusteuern. Die Anlagen drehten sich zwar noch und lieferten auch Strom, teilte das Unternehmen später mit. Sie waren aber aus der Ferne nicht mehr digital zu erreichen, etwa um die Technik zu überwachen.

Einen digitalen Alarm ganz anderer Sorte gab es wenige Wochen später, Anfang Mai, in Marktoberdorf im Allgäu. Die Traktorenfirma Fendt wurde von bislang unbekannten Computerhackern angegriffen und in den Stillstand gezwungen. Tausende Mitarbeiter mussten wieder nach Hause geschickt werden, berichtete der „Bayerische Rundfunk“. Dem Bericht zufolge hatte kein Computer des Werkes eine funktionierende Internetverbindung. Es konnten keine Bauteile bestellt oder versandt, es konnten auch keine Traktoren gebaut werden. Schecks, so heißt es, hätten ebenfalls nicht ausgestellt werden können. Mit anderen Worten: Da lief nichts mehr.

Nicht nur in Marktoberdorf war das so, sondern in sämtlichen Werken des US-amerikanischen Mutterkonzerns AGCO – immerhin eine global agierende Firmengruppe mit insgesamt 21  000 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von 9  Mrd. Dollar.

Erst nach zehn Tagen Produktionsstopp konnten Fendt und die anderen Werke des Konzerns schrittweise wieder ihren Betrieb aufnehmen. Es sei vermutlich zu einer „Daten-Exfiltration“ gekommen, wie es in einer recht zurückhaltenden Pressemitteilung des Weltkonzerns hieß.

Cyber-Straftaten nehmen zu

Fendt ist kein Einzelfall. Laut Bundeskriminalamt haben die Polizeibehörden 2021 mehr als 146  000 Cyber-Straftaten in Deutschland gezählt, also 400 Delikte dieser Art pro Tag! Die Zahl habe stark zugenommen, inzwischen seien komplette Lieferketten gefährdet, so das BKA weiter.

Und das sind nur die Taten, von denen die Polizei­behörden, auf welchen Wegen auch ­immer, erfahren haben. „Hellfeld“ nennen es die BKA-Leute. Sie räumen in ihrem Bericht ein, dass 2021 nur etwa ein Drittel der Taten aufgeklärt werden konnte. Zum „Dunkelfeld“ sagen sie nur, dass es wohl „weit überdurchschnittlich ausgeprägt“ sei.

Was ist „Cyber“?
Es gibt Cyberkriminalität, Cyberabwehr und Cyberattacken, aber auch harmlose Cyber-räume und sogar Cybercafés. Der Wortteil „Cyber-“ wird englisch ausgesprochen (etwa wie: „Ssaiber“) und umfasst alles, was die technisch geschaffene digitale Welt der Computer und des Internets betrifft.
Das Wort ist uralt. Es stammt aus dem Alt griechischen und bezeichnete ursprünglich die Steuermannskunst der Navigation. Als der Mathematiker Norbert Wiener vor 75 Jahren ein Buch über die „Regelung und Nachrichtenübertragung in Lebewesen und Maschinen“ verfasste, gab er ihm den Titel „Cybernetics“, zu deutsch: Kybernetik.

Erst zahlen, dann Zugriff

Aber noch einmal einen Schritt zurück: Was genau passiert, wenn von Cyber-Straftaten die Rede ist?

Insider unterscheiden drei Arten des digitalen Angriffs. Da ist erstens der heimliche Datendiebstahl. Dabei verschaffen sich die Täter – und es können durchaus auch Täterinnen sein – einen verborgenen Zugang über das Internet auf den Rechner, beispielsweise über den nicht sicher genug eingestellten Router, über Programmierlücken im Betriebssystem oder in der Software.

Ende Dezember 2021 wurde beispielsweise eine Schwachstelle in sogenannten Java-­Anwendungen entdeckt, das sind Teilstücke vieler kommerzieller Software- und freier Open-Source-Programme. Während also der Rechner oder das Tablet scheinbar stabil läuft, schleichen sich Datendiebe im Hintergrund über das Internet ein. Auf dem Rechner können sie dann beispielsweise Daten ihrer Wahl absaugen, um die Eigentümer später zu erpressen, um ihre Daten an Dritte zu ver­kaufen oder auch, um politischen Einfluss auszuüben.

Zum digitalen Diebesgut können beispiels­weise schon Steuererklärungen oder Lohnabrechnungen gehören, vielleicht auch Familienfotos,...


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