Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner sieht in der Einigung des Agrarrates einen „Systemwechsel“. Rückendeckung bekam sie aus ihrer Fraktion: Der agrarpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Albert Stegemann, bezeichnete den Kompromiss als „wichtigen Verhandlungserfolg“. Die Bauernfamilien erhielten damit weiterhin eine verlässliche Einkommensstützung.
Auch die CDU-Agrarminister der Länder sprangen Klöckner bei. Jetzt gehe es darum, so Barbara Otte-Kinast aus Niedersachsen, durch die nationalen Strategiepläne passgenaue Lösungen zu finden, „die deutlich über das jetzige Umweltniveau der GAP hinausgehen“.
"Schwarzer Tag für die Landwirtschaft"
Unzufrieden zeigte sich hingegen die Opposition. Von einem „schwarzen Tag für die Landwirtschaft, für die Artenvielfalt und für das Klima“ sprach der Fraktionsvorsitzende der Grünen, Dr. Anton Hofreiter. Statt ein Zukunftspaket für die Landwirtschaft zu schnüren, würden weiter Milliarden Euros ausgegeben, „um Großgrundbesitzern und der Agro-Industrie zu helfen“.
Agrarsprecher Friedrich Ostendorff sieht in den Beschlüssen „ein fatales Zeichen“. Es gebe keine Verknüpfung der GAP mit den Zielen des Green Deals, der Farm-to-Fork- und der Biodiversitätsstrategie. Die weitere, weitgehend bedingungslose Verteilung von Agrargeldern über die Fläche ohne Bindung an Gemeinwohlleistungen müsse beendet werden, forderte Ostendorff. Der Deutsche Bauernverband (DBV) bewertet die Ratseinigung als tragbaren Kompromiss.
Bauernverband zufrieden, Ökoverbände entrüstet
DBV-Präsident Joachim Rukwied sprach von einem „notwendigen und letztendlich auch tragbaren Kompromiss.“
Scharfe Kritik kam hingegen von den Ökoverbänden. Der Vorsitzende des Bundes Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW), Dr. Felix Prinz zu Löwenstein, sprach von einem „Schlag ins Gesicht für alle, die Landwirtschaft klima- und umweltfreundlich machen und machen wollen“ und wertete die Beschlüsse als „Stillstand auf der ganzen Linie“.
Ähnlich äußerten sich Umweltverbände. Der Vorsitzende des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Olaf Bandt, nannte die Beschlüsse enttäuschend. Nach Einschätzung des World Wide Fund for Nature (WWF) Deutschland setzt der Agrarrat mit seinen Beschlüssen „eine zerstörerische Subventionspolitik zugunsten großer Agrarkonzerne“ fort.
Greenpeace bezeichnete die Entscheidung als „Greenwashing übelster Sorte“.
Kein „Meilenstein“ und keine „Mondlandung“
Die Beschlüsse zur EU-Agrarreform lösen ein durchweg negatives Presseecho aus .Schon die Schlagzeilen sagen alles: „Zu wenig für eine Wende“ („Aachener Zeitung“), „Systemwechsel verpasst“ („Frankfurter Allgemeine Zeitung“), „Paradebeispiel für Klientelpolitik“ („Süddeutsche Zeitung“), „Schlecht für Bauern und Umwelt“ (Tagesschau) „Agrarreform auf Schmalspur“ (Südwest-Rundfunk): So und ähnlich waren die Leitkommentare zur EU-Agrarreform veröffentlicht überschrieben.
Die „Stuttgarter Nachrichten“ hätten am liebsten anderes gemeldet: „Zu gerne würde man die Agrarreform als grüne Wende beschreiben, als Abkehr von Fehlern der Vergangenheit, als den Moment, den die Gemeinschaft genutzt hat, um aus einer Turbo- Landwirtschaft großer Konzerne auszusteigen. Tatsächlich hatte die EU-Kommission einen Neuanfang gewollt: weniger Diktat aus Brüssel, mehr Verantwortung für die Vergabe der Gelder durch die Mitgliedstaaten und natürlich mehr grüne Investitionen für Äcker und Ställe. Wer Landwirte zu Mitwirkenden beim Green Deal machen will, wer sie für den Erhalt der Artenvielfalt, das Schonen von Ressourcen und eine Abkehr von Pflanzenschutzmitteln gewinnen will, muss sie dafür ordentlich bezahlen, nicht abspeisen.“
Zu hoch gegriffen
Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ argumentiert: „Die Bezeichnung ,Meilenstein‘ oder ,Systemwechsel‘ verdient der Kompromiss nicht. Da griff Landwirtschaftsministerin Klöckner nach zwei intensiven Verhandlungstagen unter ihrem Vorsitz zu hoch. Eine Neuausrichtung der Agrarpolitik wird es bis 2027 nicht geben. Dabei wäre jetzt der richtige Zeitpunkt für einen Systemwechsel gewesen. Der ,Green Deal‘ von Kommissionspräsidentin von der Leyen ist ohne erheblichen Beitrag der Landwirtschaft nicht zu schaffen.“
Ähnlich sieht es das „Handelsblatt“ aus Düsseldorf: „Die EU-Kommission will die Welt verändern. Europa soll klimaneutral werden – und seine Marktmacht soll dazu führen, dass die ganze Welt es auch wird. Kommissionspräsidentin von der Leyen bezeichnet das Vorhaben gerne als ,europäische Mondlandung‘: Es ist ihr Projekt, sich selbst unvergesslich in der europäischen Geschichte zu machen. Nur: Während in Energiebranche und Industrie kein Stein mehr auf dem anderen gelassen werden soll, dürfen die Landwirte größtenteils so weitermachen wie gehabt – lediglich hin und wieder sollen sie mal ein bisschen umweltfreundliche Projekte angehen. Das wirft die Frage auf: Was soll der Green Deal, wenn er nicht auch die Bauern in die Pflicht nimmt? Ohne den Umbau des Agrarsektors lassen sich die Klimaziele nicht erreichen.
Umstrittene Parlamentsabstimmung
Im Vorfeld des Parlaments-Votums war es zu teils harscher Kritik gekommen. So beklagten zahlreiche Abgeordnete Chaos bei den digital durchgeführten Abstimmungen über die rund 1900 Änderungsanträge. Der Abstimmungszeitplan wurde mehrfach kurzfristig geändert. Kurz vor der Parlamentsabstimmung kündigten die SPD-Abgeordneten überraschend an, gegen die Reform zu stimmen.
Kritik äußerten auch Naturschutzverbände und Klimaaktivisten. Unter dem Hashtag „#VoteThisCAPdown“ (etwa: „Lehnt diese GAP ab“) hatten Umweltaktivisten wie Greta Thunberg und Luisa Neubauer über die sozialen Netzwerke dazu aufgerufen, gegen die Position zu stimmen. Sie kritisieren vor allem, der Parlamentsvorschlag sei kein Wandel hin zu einer nachhaltigen Landwirtschaft und fördere das Artensterben.
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