Am 10. November fand in Brüssel die erste Verhandlungsrunde im Trilogverfahren zur Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) statt. Die drei gesetzgebenden Brüsseler Institutionen, die EU-Kommission, das Europaparlament und der EU-Rat, ringen nun um einen tragfähigen Kompromiss.
Der Druck ist groß. Denn schon im Vorfeld war das Echo der Medien und Nichtregierungsorganisationen (NGOs) auf die jüngsten Entwicklungen in der europäischen Agrarpolitik groß. Bundesministerin Julia Klöckner bezeichnet den Vorschlag des EU-Rates zur GAP-Reform als Systemwechsel der europäischen Agrarpolitik. Vertreter von NGOs und der Opposition werfen der Ministerin Etikettenschwindel vor. Es zeichnen sich somit hitzige Debatten ab.
Verhandlungen unter Corona-Bedingungen
Und das unter schwierigen Bedingungen: Die erheblichen Corona-Beschränkungen erschweren den Betrieb in den EU-Institutionen. Die Teilnehmer des Trilogs ließen bereits im Vorfeld erkennen, dass die größtenteils virtuell durchgeführten Verhandlungsrunden den Trilog verlangsamen würden. Laut Brüsseler Kreisen sind jedoch besonders die Verhandlungsführer des Europaparlamentes, Dr. Peter Jahr (CDU) und Ulrike Müller (Freie Wähler), motiviert, den „Heimvorteil“ der deutschen EU-Ratspräsidentschaft für zügige Verhandlungen zu nutzen. Die Parlamentarier seien bemüht, die bedeutendsten Streitpunkte noch unter deutscher Ratspräsidentschaft zu klären. Mit einem Erfolg vor Weihnachten sei jedoch nicht zu rechnen. Bereits zu Beginn der Verhandlungen würden daher Vertreter der portugiesischen Ratspräsidentschaft in den Trilog eingebunden, da sie 2021 den Vorsitz des EU-Rates übernehmen.
Die Knackpunkte
Die Tabelle unten zeigt die wichtigsten Unterschiede zwischen den Positionen von EU-Kommission, Europaparlament und EU-Rat. Als größten Knackpunkt sehen die Trilogteilnehmer die sogenannte grüne Architektur. Dabei handelt es sich um die grundlegende Mittelzuteilung innerhalb der GAP und die Grundanforderungen, die Landwirte erfüllen müssen, um Gelder aus Brüssel zu erhalten.
Ein weiterer Bestandteil der GAP-Reform, über den noch keine grundlegende Einigkeit herrscht, sind die Eco-Schemes. Der EU-Rat fordert 20 % der Gelder aus der Ersten Säule für die Öko-Regelungen, das Europaparlament möchte 30 % daran binden. Weiter möchte das Europaparlament die Öko-Regelungen in der GAP-Reform detaillierter definieren als der Rat, der den Mitgliedstaaten mehr Flexibilität einräumen will.
Rolle der Kommission
Bei der Frage wie schnell der Trilog beendet wird, spielt die EU-Kommission eine große Rolle. Protokollarisch sitzen die EU-Beamten lediglich als Vermittler zwischen Rat und Parlament am Tisch. Die Rolle der Kommission ist jedoch meist eine andere. Immerhin gehen die ursprünglichen Gesetzentwürfe für die GAP-Reform auf den ehemaligen Agrarkommissar Phil Hogan, also die EU-Kommission, zurück. Und die sieht die Umweltwirkung ihrer Gesetzesvorschläge gefährdet, so interne Kenner der Behörde. Vor allem der fehlende wörtliche Bezug auf den Europäischen Green Deal sowie auf die „Farm to Fork“- und die Biodiversitätsstrategie seien Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und ihrem Vize Frans Timmermanns ein Dorn im Auge.
Am Trilog teilnehmende Parlamentarier erwarten, dass von der Leyen und Timmermanns Einfluss auf Agrarkommissar Janusz Wojciechowski nehmen. Dieser ist Verhandlungsführer der Kommission im Trilog. Laut Beobachtern könnten die beiden Kommissionschefs den Agrarkommissar dazu drängen, bei Themen wie der Konditionalität, rote Linien zu ziehen. Diese dürften in den Verhandlungen nicht unterschritten werden.
Zwar hält Wojciechowski den Parlamentsvorschlag grundsätzlich für besser als den des EU-Rates, aus Sicht der Kommission seien beide Vorschläge bei den Grundanforderungen zum Erhalt der Basisprämie aber nicht ambitioniert genug. Beispiel: Die geplanten Änderungen bei den nicht produktiven Flächen lassen auch den Anbau von Zwischenfrüchten als Maßnahme gelten. Wie eine Kommissionssprecherin gegenüber dem Wochenblatt betonte, würden solche Änderungen die GAP-Reform verwässern. Auch die von Bundesministerin Klöckner durchgesetzte Lernphase bei den Eco-Schemes hält die Kommission, laut Brüsseler Kreisen, für eine Schwächung der zu erwartenden Umweltleistungen der GAP.
Welche Kompromisse?
Wie Kompromisse konkret aussehen könnten, trauen sich selbst Brüssel-Kenner derzeit nicht zu sagen. Beobachter halten eine grundsätzliche Übereinkunft zwischen Europaparlament und EU-Rat für denkbar. Träfen sich die Verhandlungspartner in der Mitte ihrer Forderungen, würden 25 % der Gelder aus der Ersten Säule an die Eco-Schemes gebunden. Die Öko-Regelungen könnten in einem Katalog aus Brüssel definiert werden, den die Mitgliedstaaten erweitern könnten.
Entscheidend wird die Rolle der EU-Kommission sein, die mit Blick auf den Europäischen Green Deal unter Druck steht. Eine klare Verhandlungsstrategie hat sie bisher nicht öffentlich gemacht, lediglich ihren Unmut über die aktuellen Positionen zur GAP-Reform. Brüssel erwartet harte Verhandlungen.
Fachbegriffe kurz erklärt
Nationaler Strategieplan: Die EU-Mitgliedsstaaten entwerfen die nationalen Strategiepläne. Diese enthalten konkrete Regelungen und Maßnahmen für die Bedingungen zum Erhalt der Basisprämie (erweiterte Konditionalität), die Eco-Schemes (Öko-Regelungen) der Ersten und die Agrar-, Umwelt und Klimamaßnahmen (AUKM) der Zweiten Säule. Der Zeitstrahl zeigt, dass der Weg zur reformierten Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) noch nicht zu Ende ist. Die Einigung im Trilog wird lediglich den europäischen Rahmen für die Landwirte in den Mitgliedstaaten setzen. Konkreter wird es in den nationalen Strategieplänen. Mit dem 1. Januar 2021 beginnt eine zweijährige Übergangsphase.
Trilog: Der sogenannte informelle Trilog beschreibt Verhandlungen der gesetzgebenden Institutionen der Europäischen Union: Der Europäischen Kommission, des EU-Rates und des Europaparlamentes. Die klassische Gesetzgebung in der EU ist sehr langwierig. Trilogverhandlungen sollen diese abkürzen.
GAP-Budget: Aus dem GAP-Budget stehen für die deutschen Landwirte ab 2021 rund 5 Mrd. € pro Jahr in der Ersten und rund 2,5 Mrd. € pro Jahr in der Zweiten Säule zur Verfügung. Im gesamten EU-Haushalt in Höhe von etwa 1 Billion € hat die Landwirtschaft den größten Einzelposten. Das GAP-Budget umfasst von 2021 bis 2027 rund 387 Mrd. €.