Mehr Tierwohl/Steuer auf Fleisch und Milch

Borchert-Kommission: Umbau der Tierhaltung

Die Borchert-Kommission präsentiert ihre Vorschläge zum Umbau der Tierhaltung. Bis 2040 soll das Tierwohl deutlich steigen. Das Geld dafür könnte aus einer Verbrauchssteuer auf tierische Produkte kommen.

Für unumgänglich hält das vom früheren Bundeslandwirtschaftsminister Jochen Borchert geleitete Kompetenznetzwerk einen Umbau der Tierhaltung in Deutschland. „Die Nutztierhaltung in Deutschland muss in die Lage versetzt werden, den fachlichen und gesellschaftlichen Ansprüchen an den Tier- und Umweltschutz zu entsprechen und trotzdem wettbewerbsfähig zu bleiben“, heißt es im Abschlusspapier, das das Gremium am vergangenen Freitag in Bonn beschlossen hat. Darin schlägt die Borchert-Kommission eine stufenweise Weiterentwicklung der Tierhaltung im Rahmen einer langfristigen Transformationsstrategie vor.

Alle Tiere in Stufe 2

Als deren Ziel, das bis 2040 erreicht werden solle, empfehlen die Experten die vollständige Überführung der deutschen Nutztierhaltung auf ein Niveau, das der Stufe 2 im geplanten Tierwohlkennzeichengesetz entspricht als gesetzlichen Mindeststandard. Dieser umfasst verbesserte Ställe mit zusätzlichem Platzangebot, Strukturierung sowie Klimazonen. Darüber hinaus soll bis dahin ein hinreichend großer Marktanteil für die Premiumstufe 3 mit erweitertem Platzangebot und Auslaufmöglichkeit erreicht werden.

Die Kommission weist darauf hin, dass die Kosten für den Umbau nur zu geringen Teilen am Markt erlöst werden könnten. Eine langfristig wirksame Finanzierungsstrategie müsse daher maßgeblich auf einer staatlichen Förderung beruhen. Dabei seien sowohl Prämien zur Abdeckung der laufenden Kosten als auch eine Investitionsförderung vorzusehen. Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner hatte das Kompetenznetzwerk Nutztierhaltung unter Vorsitz von Borchert im Frühjahr vergangenen Jahres einberufen. Ihm gehören Vertreter aus Wissenschaft, Wirtschaft, Praxis sowie Tier-, Umwelt- und Verbraucherschutz an.

40 Cent/kg für Fleisch

Als eine wesentliche Voraussetzung für die Akzeptanz von Tierwohlzahlungen nennt die Borchert-Kommission eine langfristige Verlässlichkeit über die Abschreibungsdauer eines Stalles hinweg. Zudem müssten künftig staatliche Tierwohlzahlungen auch für die Einhaltung von national verpflichtenden Standards gewährt werden können, wenn diese deutlich oberhalb des EU-Niveaus lägen. Derzeit ist das EU-rechtlich nicht zulässig. Zur Finanzierung der Umbaukosten sprechen sich die Mitglieder des Kompetenznetzwerks mehrheitlich für eine mengenbezogene Verbrauchssteuer auf tierische Produkte aus. Ihren Berechnungen zufolge könnte mit Sätzen pro Kilogramm von 40 Cent für Fleisch und Fleischverarbeitungsprodukte, 2 Cent für Milch sowie Eier und 15 Cent für Käse, Butter und Milchpulver der Finanzierungsbedarf von 3,6 Mrd. Euro jährlich in der Endstufe gedeckt werden. Voraussetzung sei eine sozialpolitische Flankierung, sodass einkommensschwache Haushalte nicht zusätzlich belastet würden.

Tierhaltung unter Druck

Die Borchert-Kommission zeichnet ein pessimistisches Bild der derzeitigen Tierhaltung in Deutschland. Neben erheblichen Umweltbelastungen etwa in Form von Nährstoffausträgen gerate der Sektor zunehmend unter Tierschutzgesichtspunkten unter Druck. So habe die Akzeptanz der gegenwärtigen Haltungsbedingungen in der breiten Öffentlichkeit in den letzten Jahren stetig nachgelassen. Die Experten rechnen damit, dass diese Entwicklung anhält und die Haltungsverfahren künftig sowohl rechtlich als politisch immer stärker unter Druck geraten. Gleichzeitig kommt die Borchert-Kommission zu dem Ergebnis, dass die bisherigen politischen Ansätze zu einer Verbesserung des Tierwohls nicht ausreichen, den Anforderungen zu genügen und zugleich der Tierhaltung in Deutschland eine wirtschaftlich nachhaltige Perspektive zu eröffnen. Nach Auffassung der Kommissionsmitglieder kann ein höheres Tierwohlniveau nicht vorrangig ordnungsrechtlich erzwungen werden. Stattdessen komme es auf die förderpolitische Begleitung an. Kernpunkte einer notwendigen Transformation der Nutztierhaltung seien eine Entwicklung von Zielbildern, tierartenspezifische Zeitpläne für Schritte in Richtung dieser Zielbilder sowie eine Finanzierungsstrategie für die dabei entstehenden Kosten.

Positive Reaktionen

Die ersten Reaktionen auf die Vorschläge des Kompetenznetzwerks fielen überwiegend positiv aus. „Die Zielvorgaben des Kompetenznetzwerks sind schlüssig“, erklärte der agrarpolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Friedrich Ostendorff. Das Gremium zeige Optionen auf, „wie es weiter gehen kann“. Zur Finanzierung habe die Kommission „gute Vorschläge“ erarbeitet. Von einem wichtigen Baustein für eine zukunftsfähige, von einem breiten gesellschaftlichen Konsens getragene Landwirtschaft in Deutschland sprach der Präsident des Zentralverbandes der Deutschen Geflügelwirtschaft (ZDG), Friedrich-Otto Ripke. Gemeinsam hätten die Mitglieder des Kompetenznetzwerks in den vergangenen Monaten einen echten Gesellschaftsvertrag erarbeitet.

Kritische Kommentare gab es zu dem Vorschlag, die Kosten über eine Steuer aufzubringen. Die agrarpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Dr. Kirsten Tackmann,hielt der Borchert-Kommission vor, sie schiebe die Verantwortung auf die Verbraucherinnen und Verbraucher ab, „statt sich mit den marktmächtigen Konzernen anzulegen und kostendeckende Erzeugerpreise zu sichern“. Der Vorsitzende des Bundesverbandes Deutscher Milchviehhalter (BDM), Stefan Mann, bezeichnete eine dauerhafte Finanzierung der Mehrkosten über Steuermittel als „falschen Weg“. Ostendorff bemängelte, dass in dem Abschlusspapier ein Bekenntnis zu ordnungsrechtlichen Maßnahmen fehle: „Es darf nicht bedingungslos mehr Geld ins System der Agrarwirtschaft geschüttet werden.“ Gefordert sieht der Bündnisgrüne jetzt die Bundeslandwirtschaftsministerin. Es sei Aufgabe von Politik, die rechtlichen Leitplanken zu setzen.

Prämie vertraglich sichern

Ripke machte eine Reihe von Forderungen geltend, die bei einer Umsetzung der Empfehlungen zu berücksichtigen seien. So müssten die Kriterien der Initiative Tierwohl (ITW) in die Stufe 1 des staatlichen Tierwohlkennzeichens integriert werden. Unerlässlich sei eine umfassende unabhängige Folgenabschätzung, die die vor- und nachgelagerten Bereiche ausdrücklich mit einbeziehe. Die vorgeschlagene staatliche Tierwohlprämie müsse vertraglich gesichert und von einer breiten politischen Mehrheit getragen werden sowie eine Laufzeit von mindestens 20 Jahren umfassen. Der Zeitplan für die Umsetzung der in die Zukunft gerichteten strategischen Zielbilder müsse realistisch und nicht zu kurzfristig sein. Notwendig sei eine verpflichtende Haltungs- und Herkunftskennzeichnung. Schließlich müssten die Empfehlungen des Kompetenznetzwerks in eine EU-weit einheitliche Lösung münden, um die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Nutztierhaltung zu erhalten.


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