Sollen das Landwirtschafts- und das Umweltministerium auf Bundesebene zusammengeführt werden? Diese Frage wird immer mal wieder hinter den Kulissen diskutiert, aber aus der Deckung traut sich im heraufziehenden Bundestagswahlkampf kaum jemand.
Wir haben deshalb zwei ehemalige Agrarminister gefragt: der eine ist von der CDU, der andere ist von der SPD – der eine aus Nordrhein-Westfalen, wo Umwelt und Landwirtschaft bekanntlich in einem Ressort gebündelt sind, der andere aus Niedersachsen, wo das nicht so ist.
Zu unserem Erstaunen sind sich die beiden einig – aber lesen Sie selbst.
Eckhard Uhlenberg
von 2005 bis 2010 Minister für Umwelt und Landwirtschaft in Nordrhein-Westfalen
"Die Auseinandersetzungen zwischen dem Bundesumweltministerium und dem Bundeslandwirtschaftsministerium über zentrale Bereiche der Agrar- und Umweltpolitik sind eine unnötige Belastung für Politik, Landwirtschaft und Gesellschaft.
Die Forderung auf Bundesebene, eine Zusammenlegung der beiden Ministerien vorzunehmen, muss aber aus meiner Sicht differenziert betrachtet werden. Für die wesentlichen Fragen des Klimaschutzes, der nuklearen Sicherheit, für die Themen Strahlenschutz, Immissionsschutz, Verkehr, Chemikaliensicherheit und der internationalen Umweltpolitik (Abteilungen aus dem jetzigen Umweltministerium) bedarf es auch in Zukunft eines Ministeriums für Klima- und Umweltschutz.
Die übrigen Bereiche sollten in einem Ministerium für Ländlichen Raum, Land- und Forstwirtschaft und Naturschutz neben den Abteilungen wie zum Beispiel Agrarpolitik, Klimaschutz, Landwirtschaft, Verbraucherschutz, Wasserwirtschaft zusammengefasst werden. Das hat auch zur Konsequenz, dass nicht nur die Zuständigkeiten dort liegen, sondern die wirklichen Belange des Umwelt- und Naturschutzes ernst genommen werden.
In Nordrhein-Westfalen hat sich aus dem früheren Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten im Laufe der Jahre das Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz gebildet. Trotz unterschiedlicher Landesregierungen blieb die Zuständigkeit des Ministeriums in den Kernbereichen gleich.
Eventuell auftretende Spannungen im Bereich Landwirtschaft, Natur- und Wasserwirtschaft werden in einem Ministerium konzentriert und bearbeitet.
Umwelt versus Landwirtschaft: Die übliche Profilierung verschiedener Ministerien und Minister gegeneinander – die möglicherweise auch noch unterschiedlichen Parteien angehören – findet in Nordrhein-Westfalen nicht statt. Das hat sich bewährt."
Uwe Bartels
von 1998 bis 2003 Minister für Landwirtschaft in Niedersachsen
"Ich spreche mich aufgrund der Erkenntnisse, die ich aus Modellen der Trennung von Umwelt- und Landwirtschaftsministerien ziehen kann, für eine Zusammenlegung der Zuständigkeiten auf Bundesebene in einem Ministerium aus.
In der Regel kommen die jeweiligen Ressortchefs von Landwirtschaft und Umwelt aus unterschiedlichen Parteien. Fachpolitik, eigene Partei und Parteianhänger sowie Klientel und Nichtregierungs-Organisationen (NGO) haben hohe Erwartungen, die jeweils und alleine an den Ressortzielen orientiert sind. Das macht Kompromisse zunehmend schwieriger. Dazu kommt der mediale Druck, der vom Dissens der Koalitionäre lebt und das jeweilige Durchsetzungsbarometer veröffentlicht.
Das sind Entwicklungen, die es in Ansätzen schon immer gegeben hat, jetzt aber unter anderem auch durch die sozialen Medien noch in ihren Wirkungen verstärkt auftreten.
Das macht es für die Ressorts schwerer, notwendige Kompromisse zu schließen. So ziehen sich Entscheidungen hin, und Politik verliert an Akzeptanz.
Wie es immer so ist, gibt es auch Ausnahmen, wie zum Beispiel in Niedersachsen, wo die Ministerien mit Persönlichkeiten, die auch noch aus unterschiedlichen Parteien stammen, getrennt erfolgreich geführt werden. Das sind Ausnahmen, wie hier zwei Politiker zusammentreffen, die uneitel, an der Sache orientiert arbeiten und sich nicht unter ständigem Druck ihrer jeweiligen Klientel profilieren müssen.
Ein anderer Aspekt, der für eine Zusammenlegung spricht, sind die komplexer gewordenen Aufgabenbereiche, die dazu noch sehr eng miteinander verflochten sind. Getrennte Lösungsansätze machen zunehmend weniger Sinn.
Nehmen wir die sich vollziehenden Veränderungen der EU-Förderpolitik für den Agrar- und Umweltbereich. Green Deal, Eco-Schemes, From-Farm-to-Fork, Klimaschutzmaßnahmen gehören vom Ansatz her zusammengedacht. Nationale Nutztierstrategien, Grundwasserschutz, Insektenschutz, Biodiversität, Ackerbaustrategien und Klimaschutz lassen sich nur im Miteinander von Umwelt und Landwirtschaft sinnvollerweise angehen und sachgerecht zu einem ausgewogenen Ergebnis bringen."